"Blinde Passagierin"

Moldawierin verteidigt Kapitän: “Er ist ein Held”

Ausland
20.01.2012 08:03
Ganz Italien rätselte über die "blinde Passagierin": Jetzt hat sich die junge Frau aus Moldawien, die laut Medienberichten als wichtige Zeugin des Kreuzfahrtunglücks in Italien gilt, zu Wort gemeldet und den Kapitän der "Costa Concordia" in Schutz genommen. "Alle Anschuldigungen, die man heute gegen ihn hört, sind absurd", sagte die 25-jährige Domnica Cemortan (Bild) am Donnerstag in der moldawischen Hauptstadt Chisinau. Doch die junge Frau verstrickt sich in Widersprüche.

"Der Kapitän der 'Costa Concordia' ist der beste der Firma. Er hat alles richtig gemacht und Menschenleben gerettet. Er ist ein Held. Alle Besatzungsmitglieder haben sich professionell verhalten und Leben gerettet", so Cemortan gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Italienische Medien berichteten, die Ermittler wollten Cemortan als wichtige Zeugin für das Verhalten des Kapitäns Francesco Schettino während der Katastrophe vernehmen. Die blonde Balletttänzerin und der Kapitän hätten angegeben, sie sei mit Schettino zusammen gewesen, als das Kreuzfahrtschiff vor der Insel Giglio am Freitagabend vergangener Woche einen Felsen rammte. Die 25-Jährige sei auf der Kommandobrücke des Schiffes gewesen.

Den Berichten zufolge sei die Frau weder als Passagierin noch als Besatzungsmitglied verzeichnet gewesen. Sie sei womöglich als Gast des Kapitäns an Bord gewesen, wie Schettino selbst laut "Repubblica" in einem Verhör angegeben habe. Er habe ihr das Spektakel der Küstenfahrt zeigen wollen, die Frau habe sich aber zu keiner Zeit auf der Kommandobrücke aufgehalten, so der Kapitän. Die Reederei Costa Crociere teilte mit, dass die Moldawierin keine blinde Passagierin gewesen sei, sondern sehr wohl auf der Passagierliste gestanden habe.

Wo war die Frau, als das Schiff den Felsen touchierte?
Cemortan selbst sagte der AFP, sie habe für die Costa-Reederei auf anderen Schiffen als Hostess gearbeitet und an Bord der "Concordia" ihren 25. Geburtstag feiern wollen. Zum Zeitpunkt des Unglücks habe sie mit Freunden zu Abend gegessen. Sie bestritt, mit Schettino auf der Brücke Drinks genommen zu haben. Sie sei erst nachdem das Schiff zu kippen begonnen habe auf die Brücke gerufen worden, da sie fünf Sprachen spreche, um eventuell Durchsagen zu machen.

Als sie um 23.50 Uhr ins Wasser gesprungen sei, habe der Kapitän noch auf der Brücke gearbeitet. Nach Angaben von Augenzeugen befand sich der Kapitän allerdings bereits um 0.30 Uhr auf einem Felsen in Sicherheit. Er kehrte auch nicht an Bord zurück, um die Rettungsaktion zu überwachen, die bis sechs Uhr früh andauerte.

In einem Interview mit dem moldawischen Fernsehsender Jurnal tv hatte die 25-Jährige zuvor jedoch angeben, sie sei in dem Moment, als die "Concordia" den Felsen touchierte, an der Seite von Schettino auf der Kommandobrücke gewesen und habe später bei der Evakuierung geholfen. Sie habe unter anderem die Anweisungen der Crew für die russischen Gäste übersetzt. Die Ermittler mutmaßen hinter vorgehaltener Hand, dass die Crew womöglich mit der 25-Jährigen geflirtet habe und deshalb nicht ganz bei der Sache war.

Ermittlungen gegen Kreuzfahrtunternehmen
Die mit den Ermittlungen rund um die Katastrophe beauftragten Staatsanwälte der toskanischen Stadt Grosseto wollen herausfinden, warum das Kreuzfahrtunternehmen Costa Crociere Kapitän Schettino nicht sofort gedrängt hat, den Notstand an Bord auszurufen und 68 Minuten lang mit dem Beginn der Evakuierung des Schiffes zugewartet hat.

Die Staatsanwälte wollen klären, ob die Reederei durch unzulängliche Informationen des Kapitäns über die realen Zustände an Bord irregeführt wurde oder ob sie in einer ersten Phase versucht hat, das Ausmaß der Katastrophe herunterzuspielen. So sei die Evakuierung verspätet begonnen worden, was mehrere Menschen das Leben gekostet habe, vermuten die Ankläger.

20 Menschen werden nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffes noch vermisst. Mindestens elf Menschen kamen bei dem Unglück um. Insgesamt waren über 4.200 Personen an Bord der "Costa Concordia", darunter 77 Österreicher, die alle wohlauf sind.

Costa-Mutterkonzern überprüft Notfall-Richtlinien
Der US-Eigner Carnival nimmt indes die Sicherheitsvorkehrungen auf allen seinen Kreuzfahrtschiffen unter die Lupe. "Diese Tragödie stellt die Sicherheits- und Notfallprozeduren unserer Firma infrage", sagte Firmenchef Micky Arison in Miami. Er beteuerte, die Bestimmungen in der Branche seien bereits hoch. Die Überprüfung solle aber sicherstellen, "dass sich diese Art von Unglück nicht wiederholt".

Die Federführung bei der Überprüfung der Notfallrichtlinien übernimmt der ehemalige Navy-Kapitän James Hunn, der nach einer 32-jährigen Karriere in der US-Kriegsmarine bei der weltgrößten Kreuzfahrt-Reederei angeheuert hatte. Auch außenstehende Experten sollen einen Blick auf die Sicherheitsvorkehrungen werfen. Zu Carnival gehören mehr als 100 Schiffe, die unter eigenem und dem Namen diverser Tochtergesellschaften fahren.

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