Rudi Mair in Pension

33 Jahre, 2000 Lageberichte: Lawinenguru tritt ab

Tirol
02.04.2023 11:00

Am Höhepunkt sollte man etwas Neues machen: Rudi Mair, der den Tiroler Lawinenwarndienst wohl zum besten weltweit aufbaute, genießt seit Samstag den Ruhestand. Für die „Krone“ blickt er zum Abschied auf seine 33-jährige Karriere als „Lawinenpapst“ zurück.

In der Neumayer-Forschungsstation in der Antarktis läutete 1990 das Satellitentelefon. Ein Vertreter des Landes Tirol verlangte nach dem Fulpmer Meteorologen und Glaziologen Rudi Mair, der am anderen Ende der Welt Eis und Schnee erforschte. Man suche einen Mitarbeiter für den Lawinenwarndienst und denke an Rudi Mair.

Der studierte Meteorologe und Glaziologe zeigte sich interessiert und sagte rasch zu. „Nach 15 Monaten Forschung in Schnee und Eis der Antarktis sollte ich qualifiziert genug sein“, dachte der damals 27-Jährige.

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Es gab noch keinen Computer, wir versandten den Lagebericht über eine Art Fernschreiber.

Rudi Mair

Spaltensturz mit Folgen
Dass Mair Glaziologe und nicht Arzt wurde, „verdankt“ er einem „Missgeschick“ aus dem Jahr 1981. Nach einem Spaltensturz am Schwarzenbergferner musste Mair in zwölf Meter Tiefe 15 Stunden auf Rettung warten. „Danach beschloss ich, das Studium zu wechseln“, sagt er.

In der Steinzeit des Lawinenwarndienstes gehörte der Stubaier einem Zwei-Mann-Team an. „Die technischen Voraussetzungen waren abenteuerlich“, erinnert er sich. „Es gab noch keinen Computer, wir versandten den Lagebericht über eine Art Fernschreiber.“ Eine Handvoll Lawinenbeobachter und Infos von fünf Wetterdienststellen bildeten die Basis. „Die Kunst bestand darin, sich alles aus den Fingern zu saugen. Inzwischen ist die Herausforderung, aus einer Fülle an Fakten die wesentlichsten Informationen herauszuholen“, vergleicht der heute 63-Jährige.

Erste automatische Wetterstation initiiert
Als der Stubaier versuchte, die erste automatische Wetterstation mit Daten zur Lawinenwarnung in der Schlick zu errichten, schlug ihm Skepsis entgegen. Das würde wegen der tiefen Temperaturen nicht funktionieren. „Wenn es in der Antarktis bei minus 50 Grad klappt, geht es auch hier, habe ich den Zweiflern entgegnet.“ Heute greifen die Lawinenwarner auf die Infos von rund 200 Wetterstationen zurück

Im europaweiten Kontext trägt Rudi – seit 1999 Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes – unter anderem „Schuld“ an der Vereinheitlichung der Lawinenskala. Aus dem Wirrwarr von bis zu acht Gefahrenstufen in den Alpen – noch dazu unterschiedlich von Land zu Land – wurden schließlich fünf einheitliche in ganz Europa.

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Bei Galtür wussten wir, dass sich etwas Wildes anbahnt, konnten es aber nicht verhindern. Das hat mich extrem belastet.

Rudi Mair

Weltweit erster grenzüberschreitendet Lagebericht
Apropos Europa: Als wesentlichste von Dutzenden Innovationen, die auf seinem „Mist“ gewachsen sind, nennt Rudi Mair „Albina“ – den weltweit ersten grenzüberschreitenden Lawinenlagebericht, der im Dezember 2018 online ging und die Europaregion Tirol, Südtirol und Trentino umfasst. In insgesamt acht Sprachen ist die weiße Göttin (Übersetzung für „Albina“ aus dem Lateinischen) abrufbar.

„Etwa 2000 Lageberichte habe ich in den 33 Jahren erstellt“, sagt der dreifache Familienvater. Die Expertise des „Lawinenpapstes“ aus dem „Heiligen Land“ zählt längst weit über die Grenzen Tirols hinaus, der überaus eloquente Fulpmer war und ist gern gesehener Gast in den internationalen Medien.

Das Drama von Galtür
Emotional blieben bei Rudi Mair besonders zwei Ereignisse hängen – darunter natürlich Galtür 1999. „Wir wussten, dass sich etwas Wildes anbahnt, konnten es aber nicht verhindern. Das hat mich extrem belastet“, schildert er. Eingeprägt haben sich auch die zwei „Lawinenwochenenden“ zum exakt selben Datum Anfang Februar 2022 und 2023. Trotz intensivster Warnungen starben acht bzw. sieben Menschen den „Weißen Tod“.

Griechischer Sand statt Tiroler Schnee
Wie nach jeder Saison will Rudi jetzt vorerst keinen Schnee mehr sehen. Den tauscht er mit griechischem Sand – denn Urlaub mit der Familie steht auf dem Programm. An dieser Tradition wird der Jungpensionär auch in Zukunft festhalten.

Also dann – mach‘s gut, Rudi!

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