Vor GP in Monza

Gerhard Berger: ‘Vettel hat große Führungsqualitäten’

Sport
07.09.2011 10:51
Sebastian Vettel hatte ihm 2008 in Monza eine Sternstunde beschert. Der aktuelle WM-Dominator gewann für Teambesitzer Gerhard Berger und Toro Rosso seinen ersten Formel-1-Grand-Prix. Ex-Pilot Berger beurteilt das Geschehen mittlerweile aus der Distanz. Im Interview spricht der 52-jährige Tiroler vor dem Klassiker in Italien am Sonntag über die steile Lernkurve des Weltmeisters, dessen Führungsqualitäten und Alterserscheinungen bei Michael Schumacher.

Alles scheint 2011 für Sebastian Vettel zu laufen. Ist die WM bereits entschieden?
Gerhard Berger: Ganz entschieden ist sie erst, wenn theoretisch nichts mehr möglich ist. Aber wenn nicht irgendein Wunder passiert, kann Vettel von niemandem mehr geschlagen werden.

Was zeichnet ihn heuer so besonders aus? In welchen Bereichen hat er sich gegenüber dem Vorjahr weiterentwickelt?
Berger: Obwohl er letztes Jahr Weltmeister war, ist die Lernkurve weiter steil nach oben gegangen. Die Lernkurve flacht jetzt ein bisschen ab, aber er hat schon ein sehr hohes Niveau erreicht. Außerdem ist er den Druck los, weil er schon Weltmeister ist. Es ist beeindruckend, wie er seine Leistung auf den Punkt abrufen kann. Er macht unter Druck kaum Fehler.

Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten?
Berger: Mark Webber zum Beispiel ist ein sehr guter Fahrer. Aber unter Druck ist er nicht so stark wie Vettel. Bei Vettel kommen viele Faktoren zusammen, in denen er das Optimum an Punkten erhalten würde - von Schnelligkeit über Fleiß und Akribie bis hin zur Nervenstärke. Er vereint alle diese Qualitäten.

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali hat ihn bezüglich Führungsqualitäten allerdings noch nicht auf eine Ebene mit Michael Schumacher und Fernando Alonso gestellt. Teilen Sie diese Meinung?
Berger: Da täuscht er sich wahnsinnig. Wenn jemand diese Qualitäten hat, dann Sebastian. Er hat sie schon bei Toro Rosso gezeigt und dann bei Red Bull noch weiter verbessert. Er hat sehr große Führungsqualitäten. Das ist keine Frage des Alters. Seinem Alter ist er im Kopf weit voraus.

2008 haben Sie mit Vettels erstem Sieg in Monza eine gemeinsame Sternstunde erlebt. Wie frisch ist die Erinnerung?
Berger: Dieser Sieg in Monza war ein Wahnsinn. Vettel hat mit einem Ferrari-Motor für ein italienisches Team gewonnen. Schade, dass es bei Toro Rosso nicht so weitergegangen ist. Warum, das kann ich nicht beurteilen. Dafür bin ich schon zu weit weg.

Sie haben 1988 selbst für Ferrari in Monza gewonnen. Gibt es überhaupt etwas Größeres?
Berger: Ferrari ist immer noch die Benchmark. Niemand verkörpert die Formel 1 so sehr. Das Größte ist es, mit Ferrari Weltmeister zu werden. Dahinter kommt jeder andere WM-Titel. Das Drittbeste ist es, für Ferrari Rennen zu gewinnen. Momentan sind sie aber ein bisschen zurückgefallen in die Gegend, in der sie mit mir waren.

Könnte ein Heimsieg die Saison für Ferrari retten? Die Streckencharakteristik spricht nicht gerade für Red Bull.
Berger: Red Bull hat vielleicht nicht den optimalen Motor für Monza, aber das Auto ist effizient. Sie werden auch in Monza sehr stark sein. Warum sollten sie nicht auch dort gewinnen? Wenn jemand stärker ist als Red Bull, dann eher McLaren als Ferrari.

Was trauen Sie Michael Schumacher in den eineinhalb Jahren seines Mercedes-Vertrages noch zu?
Berger: Schumi kann die jungen, superschnellen Piloten nicht mehr schlagen - aus Altersgründen, das ist ganz normal. Aber er kann sich gleich hinter ihnen einreihen. Auf die besten Jungen, also Vettel, Rosberg und Hamilton, fehlen ihm zwei oder drei Zehntelsekunden. Das heißt, würde er in einem Red Bull sitzen, könnte er auch Rennen gewinnen. Ich schätze ihn nach wie vor sehr hoch ein. Neben den drei Genannten sehe ich nur Alonso vor ihm.

Spiegelt der Punktevorsprung von Red Bull die Realität wider oder ist es heuer einfach nur sehr gut gelaufen?
Berger: Das ist absolut repräsentativ. Red Bull ist derzeit das Maß aller Dinge, sie schweben auf Wolke sieben. In der Regel geht das bis zu drei oder vier Jahren so. Es ist derzeit auch nicht absehbar, dass wesentliche Spieler abspringen könnten.

Könnte die Dominanz also auch eine längerfristige sein? Das neue Auto baut stark auf jenem für diese Saison auf.
Berger: Red Bull hat die Basis für längerfristige Erfolge gelegt. Vettel wird das Team bei solchen Leistungen nicht verlassen. Adrian Newey ist der beste Designer und er genießt bei Red Bull besondere Freiheiten. Christian Horner hat als junger Teamchef seine Chance erhalten und dankt es mit großer Loyalität. Und (Motorsportchef) Helmut Marko macht einen guten Job, das Team zusammenzuhalten. Für ihn gibt es keinen Grund, etwas zu ändern.

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(Bild: KMM)



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