Gerhard Koch

Steirischer ORF-Chef: „Keine Hofberichterstattung“

Steiermark
15.01.2023 11:00

Gibt es politischen Druck auf die ORF-Landesstudios? Wird der Landespolitik in der Berichterstattung der rote Teppich ausgerollt? Landesdirektor Gerhard Koch stellt sich den Fragen von „Steirerkrone“-Chefredakteur Oliver Pokorny.

„Krone“: Wann wurde bei Ihnen das letzte Mal von politischer Seite interveniert?
Gerhard Koch: Wenn damit Einflussnahme zum Vorteil einer Partei unter Androhung von Konsequenzen für die Redaktion oder eines Redakteurs gemeint ist, hat es das in zweieinhalb Jahrzehnten, die ich als Führungskraft im Landesstudio tätig bin, nicht gegeben. Dass Pressesprecher die Arbeit ihres Chefs möglichst positiv darstellen wollen, ist legitim und ihre Aufgabe, aber die redaktionelle Bewertung obliegt ausschließlich den ORF-Sendungsverantwortlichen.

Gab oder gibt es Interventionen ohne Androhung von Konsequenzen?
Es gibt von vielen den Wunsch, in den erfolgreichen Sendungen des ORF Steiermark vorzukommen, das reicht vom Sport über die Kultur bis zur Gesellschaftsberichterstattung - und natürlich macht da die Politik keine Ausnahme. Eine Presse-Einladung und selbst ein anschließendes Telefonat mit der Frage, ob die Veranstaltung von uns besetzt wird, sind keine Intervention. Ich bin mir sicher, so etwas gehört auch zum täglichen Geschäft einer Zeitungsredaktion. Die Entscheidung fällt in den Redaktionskonferenzen.

Wie werden Sie reagieren, wenn es dann doch eine Intervention geben würde?
Man kennt mich in der Branche als einigermaßen verträglichen Zeitgenossen, aber in so einem Fall könnte ich widerborstig sein. Das Telefonat würde nicht allzu lange dauern.

Würden Sie eine Intervention öffentlich machen?
Im Wiederholungsfall unter Garantie.

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Ich schätze Peter Plaikner sehr, aber diese Einschätzung ist mir zu holzschnittartig

Landesdirektor Gerhard Koch

Medienexperte Peter Plaikner erklärte kürzlich, dass der aktuelle Fall im ORF Niederösterreich nur die Spitze des Eisbergs sei und es Fälle von Einflussnahme auf die Berichterstattung auch in anderen Landesstudios gebe. Wenn man Ihren Aussagen Glauben schenkt: Warum ist gerade die Steiermark frei von Hofberichterstattung?
Ich schätze Peter Plaikner sehr, aber diese Einschätzung ist mir zu holzschnittartig, nicht durch Fakten belegt. Wir haben schon öfters über die heimische Medienlandschaft diskutiert. Dabei hatte ich nicht den Eindruck, dass er unser Landesstudio als Hofberichterstatter wahrnimmt.

Auch eine Umfrage des „Standard“ zeigt, dass die Mehrheit der Befragten meint, dass die ORF-Landesstudios politischem Druck ausgesetzt seien. Wie kommt diese Einschätzung zustande, wenn es offensichtlich keine Interventionen gibt?
Umfragen sind Momentaufnahmen. Diese Einschätzung ist sicher eine Folge der Berichterstattung unserer Mitbewerber aus dem Print-Bereich, die sich seit Wochen um die journalistische Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sorgen und diese aus meiner Sicht unzutreffende Erzählung in Dauerschleife wiederholen. Ich möchte die Stichhaltigkeit dieser Umfrage nicht bewerten, aber auch wir verfügen über Umfragen - und in denen wird dem ORF nach wie vor eine hohe journalistische Glaubwürdigkeit bescheinigt. Die Sorge um die Unabhängigkeit ist auch deshalb unbegründet, weil der ORF das sicherlich stärkste Redaktionsstatut Österreichs zum Schutz der Journalisten hat.

Fakten

Zu viel Politik-Nähe brachten im Vorjahr das Boulevard-Gratisblatt „Österreich“ um Wolfgang Fellner sowie den Herausgeber und Chefredakteur der „Presse“ Rainer Nowak in Bedrängnis (Nowak musste die Redaktion verlassen, Fellner streitet ab, von der Kurz-ÖVP Geld für manipulierte Umfragen kassiert zu haben). Der ORF hat zwei Problemfälle: TV-Chefredakteur Matthias Schrom trat wegen Chats mit Ex-Vizekanzler H. C. Strache zurück, eine Kommission prüft aktuell, ob der Landesdirektor des ORF NÖ Robert Ziegler die Berichterstattung zugunsten der ÖVP sowie Unternehmen wie Raiffeisen und Novomatic beeinflusst hat.

Der ORF ist in seiner Finanzierung abhängig von der Politik. Welches Spannungsfeld entsteht daraus zwischen Politik und ORF?
Ich kann hier kein Spannungsfeld erkennen, denn die Politik schafft wie für alle öffentlich-rechtlichen Sender der Welt nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen, finanziert wird der ORF von den Gebührenzahlern und durch Werbung - und nicht von der Politik.

Das Spannungsfeld ORF und Politik zeigt sich auch im Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung von ORF-Landeschefs.
Genau genommen gibt es bei der Bestellung der Landesdirektoren kein Anhörungsrecht des Landeshauptmannes, sondern es muss eine Stellungnahme des Landes eingeholt werden, die aber keine bindende Wirkung hat. Das stammt aus einer Zeit, in der das offenbar opportun war. Es wäre an der Zeit, dass das Anhörungsrecht im nächsten Rundfunkgesetz entfällt.

Der Ex-ORF-Chefredakteur Matthias Schrom war nach einer Chat-Affäre auf Urlaub gegangen und hatte sein Amt dann freiwillig zurückgelegt. Der Redakteursrat verlangte die Suspendierung von Robert Ziegler - der Landesdirektor des ORF NÖ ist trotz massiver Vorwürfe im Amt. Haben Sie Verständnis für die Forderung des Redakteursrats?
Es steht mir nicht zu, aus der Distanz die Entscheidungen der beiden Kollegen zu beurteilen, das gilt auch für die Forderung des Redakteursrats. Natürlich stellt man sich die Frage, wie man selbst in einer vergleichbaren Situation gehandelt hätte. In der Theorie tut man sich immer leicht, aber ich hätte sehr wahrscheinlich Urlaub genommen, um Druck von der Redaktion zu nehmen.

Wie sehr schaden die Fälle Schrom und Ziegler dem Ansehen des ORF?
Die Diskussionen darüber sind natürlich nicht angenehm und in ihrer Breitflächigkeit vielleicht auch ein Ablenkungsmanöver, da es ähnliche Vorfälle in der Zeitungslandschaft gegeben hat. Der ORF hat jedenfalls sehr rasch Konsequenzen gezogen. Der TV-Chefredakteur ist, wie gesagt, umgehend zurückgetreten. Für Niederösterreich wurde nach Auftauchen der Vorwürfe rasch eine Evaluierungskommission einberufen. Gerhard Draxler, mein Vorgänger als Chefredakteur und Landesdirektor, leitet sie mit großer Fachkenntnis und Umsicht. Nach dem Abschlussbericht dieses Gremiums können wir uns sicher ein klares Bild machen. Persönlich tut es mir allerdings sehr leid, dass die engagierte Arbeit und Kreativität unserer Mitarbeiter durch solche Schlagzeilen überdeckt werden.

Kommissionschef Gerhard Draxler meint, dass der Fall Ziegler die Grundfeste des ORF erschüttert, Sie meinen, der Fall sei nicht angenehm. Unterschätzen Sie da die Außenwirkung, vor allem gegenüber Ihren Gebührenzahlern?
Keinesfalls! Ich nehme das sehr ernst und verfolge die Berichterstattung dazu sehr genau. Eines ist aber auch klar: Die Evaluierungskommission steht am Anfang ihrer Arbeit und es gilt, ihre Untersuchungsergebnisse abzuwarten.

Porträt von Oliver Pokorny
Oliver Pokorny
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