Tiere sind aggressiver

Infektion mit Parasit macht Wölfe zu Rudelführern

Wissenschaft
25.11.2022 09:39

An Toxoplasmose erkrankte Grauwölfe werden wesentlich häufiger zu Rudelführern als nicht infizierte Artgenossen. Der Neuroparasit mache die Tiere wohl aggressiver, was im Kampf um die Führung von Vorteil sein könne, berichten US-Wissenschaftler im Fachblatt „Communications Biology“. Mit dem Einzeller Toxoplasma gondii infizierte Wölfe werden demnach mit 46-mal höherer Wahrscheinlichkeit Rudelführer.

Schon bei vielen Tierarten ist bekannt, dass eine solche Infektion ihr typisches Verhalten stark verändert. Ob der Neuroparasit auch beim Menschen Verhaltensänderungen bewirkt, wird noch kontrovers diskutiert. Studien berichten unter anderem von einem rücksichtsloseren Verhalten im Straßenverkehr bei Infizierten, einem größeren Drang zu Unternehmertum sowie von einem Zusammenhang zu pathologischem Jähzorn.

Parasit ist weit verbreitet
All diese Untersuchungen zeigen allerdings nur Korrelationen, keinen ursächlichen Zusammenhang. Klar ist hingegen, dass der mit dem Malaria-Erreger verwandte Parasit bei den meisten Menschen keine Symptome oder nur leichtes Fieber auslöst und weit verbreitet ist.

Laut derzeitigem Wissensstand wird davon ausgegangen, dass 30 Prozent der Weltbevölkerung infiziert sind. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts ergab, dass die Hälfte der Deutschen entsprechende Antikörper im Blut hat, bei den Über-50-Jährigen sind es sogar 70 Prozent.

Für die aktuelle Studie hatte das Team um die US-Biologen Connor Meyer und Kira Cassidy Daten zum Verhalten und der Verteilung von Grauwölfen analysiert, die zwischen 1995 und 2020 im Yellowstone-Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming gesammelt wurden. Zusätzlich nahmen sie Blutproben von 229 betäubten Tieren, die sie auf Antikörper gegen Toxoplasma gondii (Bild unten) untersuchten.

Wird von Pumas auf Wölfe übertragen
Eigentlicher Endwirt des Neuroparasiten sind Katzenartige (Feliformia) - im Yellowstone Park leben auch Pumas, deren Verbreitung ebenfalls erfasst wurde. Darüber hinaus wurden Blutproben von 62 der Raubkatzen untersucht. Die Biologen fanden heraus, dass Wölfe in Gebieten mit höherer Puma-Dichte mit größerer Wahrscheinlichkeit mit T. gondii infiziert waren als Wölfe, die nicht in der Nähe von Pumas lebten.

Vor allem aber beobachteten sie, dass sich infizierte Wölfe risikoreicher verhielten. Dies äußerte sich zum einen in einer größeren Wahrscheinlichkeit, das Rudel früher zu verlassen, sowohl bei Männchen als auch Weibchen. Ein Verhalten, das mit Blick auf die Verbreitung des Erregers durchaus Sinn hat: Der Erreger gelange so eher in Gegenden, in denen er zuvor noch nicht kursierte.

Erhöht Parasit den Testosteron-Level?
Zum anderen beobachteten die Wissenschaftler, dass positiv auf T. gondii getestete Wölfe viel häufiger Rudelführer wurden. Der Parasit könnte die Testosteron-Level der Tiere erhöhen, vermuten sie. Mehr Risiken hinnehmende Anführer wiederum könnten ihre Gruppe eher in Gebiete führen, die sich mit Pumas überschneiden - wodurch der Parasit neue Chancen auf Ansteckungen bekomme.

Lotst Zwischenwirte zu Fressfeinden
Die Studie zeigt nach Angaben der Autoren erstmals, dass eine Parasiteninfektion das Verhalten von Wölfen beeinflussen kann. Für andere Arten ist schon länger gezeigt, wie effektiv T. gondii seinen Zwischenwirt in die Nähe von Katzenartigen lotst: Infizierte Mäuse und Ratten etwa fühlen sich vom Geruch von Katzenurin magisch angezogen und laufen ihren Fressfeinden buchstäblich ins Maul.

Einen ganz ähnlichen Mechanismus beobachtete ein Forschungsteam auch bei Schimpansen: Erkrankten diese an Toxoplasmose, übte der Urin von Leoparden eine morbide Anziehungskraft auf sie aus. Und im vergangenen Jahr berichteten US-Forscherinnen, dass eine Infektion Tüpfelhyänen-Welpen wesentlich sorgloser macht. Anstatt im sicheren elterlichen Bau zu bleiben, kommen sie Löwen gefährlich nahe - zu nahe: Infizierte Welpen würden wesentlich häufiger getötet, so die Forscher.

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