Verbote erlassen

Europäische Länder stellen hochriskante Börsendeals kalt

Ausland
12.08.2011 13:39
Nach den jüngsten Marktturbulenzen scheinen europäische Länder nun ernsthaft den Kampf gegen hochspekulative Börsengeschäfte aufzunehmen. Am Freitag hat - nach Frankreich, Spanien und Belgien - auch Italien ein vorübergehendes Verbot für bestimmte hochriskante Deals, sogenannte Leerverkäufe, verfügt. Das Verbot gilt jeweils für 15 Tage, soll Ruhe in die trudelnden Aktienmärkte bringen und laut europäischer Finanzmarktaufsicht den "Missbrauch von Marktregeln" eindämmen.

Am Mittwoch hatten Gerüchte über angebliche Zahlungsschwierigkeiten der französischen Großbank Societe Generale die Runde gemacht und damit eine neue Verkaufslawine an den europäischen Aktienmärkten losgetreten (siehe Infobox). Experten zufolge können Finanzwerte als Vehikel für Spekulationen auf die wirtschaftliche Stärke eines Landes - etwa Staatsanleihen - genutzt werden.

Das Verbot spekulativer Aktienstrategien in den vier Euro-Ländern soll dem Ausverkauf von Finanztiteln nun Einhalt gebieten. Frankreich, Italien, Spanien und Belgien, deren Bankaktien an den Börsen zuletzt besonders unter Beschuss geraten waren, untersagten Leerverkäufe bestimmter Banken- oder Versicherungsaktien.

Wie Leerverkäufe funktionieren
Leerverkäufe sind besonders riskante Geschäfte auf dem Börsenparkett, denn sie können die Aktienkurse mächtig ins Rutschen bringen. Grundsätzlich funktionieren Leerverkäufe (Short Sellings) so: Ein Händler verkauft Aktien oder Anleihen, die er sich gegen Gebühr bloß ausleiht, um sie bei fallenden Kursen günstiger zurückzukaufen. Geht diese Wette auf, macht er Gewinn. Steigen die Kurse bis zum vereinbarten Rückgabezeitpunkt jedoch, macht der Händler Verlust.

Unterschieden werden "gedeckte" und "ungedeckte" Leerverkäufe. Im ersten Fall leihen sich Investoren die zu verkaufenden Aktien. Bei ungedeckten besitzen sie diese gar nicht, sondern verkaufen Aktien, ohne sie ausgeliehen zu haben. Auf Leerverkäufe professionalisierte Hedgefonds setzen vor allem auf ungedeckte Leerverkäufe, die Kurse besonders ins Wanken bringen können.

Leerverkäufe als Krisenbeschleuniger
Problematisch wird es, wenn der Markt von einer Flut an Leerverkäufen überschwemmt wird. Denn dann kann der Aktienkurs allein dadurch auf Talfahrt gehen. Falls nämlich weitere Aktionäre das Vertrauen in ihr Papier verlieren und verkaufen, wird der erhoffte Kursverfall dadurch oft erst ausgelöst - zum Schaden traditioneller Investoren. Manchen Händlern werden auch immer wieder kriminelle Taktiken vorgeworfen - etwa das gezielte Streuen schlechter Nachrichten über Unternehmen.

Verbot in Österreich verlängert
In Österreich hatte die Finanzmarktaufsicht im Mai das befristete Verbot für ungedeckte Leerverkäufe am Kassamarkt für österreichische Finanztitel bis 30. November 2011 verlängert. Betroffen sind Aktien der Erste Group Bank AG, der Raiffeisen Bank International AG, der UNIQA Versicherungen AG und der Vienna Insurance Group Wiener Städtische Versicherung AG. Die FMA verbietet den ungedeckten Leerverkauf von Finanztiteln seit 27. Oktober 2008. Das Verbot gilt immer für maximal sechs Monate.

Ungedeckte Leerverkäufe in Deutschland ganz untersagt
In Deutschland sind ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und Staatsanleihen von Euro-Ländern seit einem Jahr per Gesetz ganz verboten. Nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 hatten viele Länder zumindest vorübergehend ähnliche Maßnahmen beschlossen. Um die Transparenz der Geschäfte zu erhöhen, hat die deutsche Finanzaufsicht BaFin zudem eine Meldepflicht für Leerverkäufe von Aktien der zehn größten deutschen Finanz- und Versicherungshäuser eingeführt. Ab März 2012 gilt ohnehin eine gesetzliche Meldepflicht für alle Leerverkäufe von Aktien.

Europaweites Verbot gefordert
Das nun verfügte Leerverkaufsverbot konnte indes am Freitag die Finanzmärkte geringfügig beruhigen. Tatsächlich legten die meisten Aktien von Banken und Versicherern in Europa zu. Experten bezweifeln aber, dass die Maßnahmen auf Dauer Wirkung zeigen. "Ein Pflaster auf eine Wunde zu kleben, die mit mehreren Stichen genäht werden müsste, löst das Problem nicht", sagte etwa Pedro de Noronha, Partner beim Hedgefonds Noster Capital. Spekulanten können schließlich einfach auf andere Börsenplätze ausweichen, etwa nach London.

Deutschland preschte am Freitag vor und plädierte für ein europaweites Verbot bestimmter Leerverkäufe, um damit die Spekulation gegen Staaten und Unternehmen einzudämmen. "Wir setzen uns für ein weitgehendes Verbot von ungedeckten Leerverkäufen von Aktien, Staatsanleihen und Credit Default Swaps in Europa ein", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. "Nur so kann einer destruktiven Spekulation überzeugend begegnet werden."

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