Album „The Bible“

Lambchop: Musikalische Momente der Ruhe

Musik
04.10.2022 06:01

Lambchop haben mit „The Bible“ so etwas wie ihr Gospelalbum aufgenommen. Wobei die Band aus Nashville um Mastermind Kurt Wagner das Genre nach eigenen Vorstellungen definiert. „Es stellte sich die Frage, warum nicht spirituelle Musik erschaffen, ohne unbedingt religiös zu sein“, sagte Wagner im APA-Interview über die Grundidee. Was auffällt: Die Songs haben viel Raum zum Atmen. „Ja, es gibt hier Momente der Ruhe“, lachte der bald 63-Jährige.

(Bild: kmm)

„So viel auch auf diesem Album musikalisch passiert, es überflutet dich nicht“, betonte der Musiker. Hätten Lambchop ihre Hörer früher von Platte zu Platte überrascht, so würden sie dies mit „The Bible“ von Song zu Song tun: „Das Album bringt auf den Punkt, was Lambchop wirklich ist. Lambchop kann vieles sein, auch etwas, was erst erforscht werden muss“, so der Amerikaner mit der markanten, rauchig-sanften Stimme.

Weg von Auto-Tunes
Während Wagner auf den Alben „FLOTUS“ (2016) und „This (Is What I Wanted To Tell You)“ (2019) seine Stimme mit Auto-Tunes verändert hatte, wurde diesmal auf diese Technologie verzichtet, die Vocals sind aber trotzdem elektronisch bearbeitet. Die Herangehensweise habe man „verfeinert“, sagte Wagner. „Auch in Songs, in denen meine Stimme natürlich klingt, haben wir an ihrer Farbe gearbeitet, um die Emotionen zu erhöhen.“

Die Produzenten hätten ihn dabei mit neuer Technologie vertraut gemacht: „Es ist kein Auto-Tune. Es geht darum, etwa eine Aufnahme in C zu D zu pitchen, ohne dass sich die Tonart des Songs verändert. Das ist erstaunlich. Man kann damit so schöne Harmonien erzeugen. Es ist eine Manipulation der Stimme, so kann man es am besten beschreiben.“ Vorbehalte habe er keine, denn schließlich verzerre man ja auch E-Gitarren, warum nicht auch bei Stimmen Elektronik anwenden, machte Wagner deutlich.

Heiße Zusammenarbeit
In den vergangenen Jahren haben Lambchop zunehmend Elektronik in die Arbeit einfließen lassen. Das letzte Album „Showtunes“ war dann mehr ein Zurück zu den Wurzeln. Für „The Bible“ wurde ein Mittelweg gefunden. Produziert wurde zum Großteil in Minneapolis - ein Novum für die Band. „Da waren ein paar Typen und ich, die am Laptop herumgespielt haben, und einer, der am Piano saß“, beschrieb Wagner die Suche nach den Sounds. „Der Raum wurde mit Kunstnebel und Laserlicht geflutet. Das war wie eine Tanzparty, die Musik hat einfach nicht aufgehört. Der Sound hat sich immer weiter entwickelt. Ich saß da im Nebel bei 35 Grad, weil es keine Klimaanlage gab“, lachte Wagner.

Musik, die ihn auf spirituelle Art bewegt, habe ihn dazu gebracht, sich solcher Musik selbst zu nähern. „Ich bin kein Anhänger einer Religion“, sagte Wagner. „Aber ich bin ein guter Mensch. Ich glaube an viele Grundsätze, die Teil von Religionen sind.“ Warum sollte er sich daher nicht an einer Art Gospel versuchen dürfen? „Wir können doch alle glauben, was wir wollen. Aber wenn eine Religion behauptet, ihr Weg sei der einzig richtig, ist das nicht cool. Glaube sollte Menschen durch den Tag helfen und nicht manipulieren.“

Mit der Frage leben
Mit dem Lied „Police Dog Blues“, der ersten Auskopplung aus „The Bible“, nimmt Wagner klar Stellung zum Vorgehen der Polizei bei den George-Floyd-Protesten in Minneapolis 2020. „Normalerweise bin ich bei politischen Kommentaren in meiner Arbeit subtiler. Aber diesmal habe ich das plakativer gemacht“, meinte er. Nach Donald Trump und der Pandemie sind die Sorgen bei Kurt Wagner nicht weniger geworden: „In welche Richtung gehen wir? Ehrlich: Keiner von uns weiß das. Wir stehen an einem Punkt, an dem wir lernen müssen, mit dieser großen Frage zu leben.“

APA/Wolfgang Hauptmann

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