Neues Album ist da

Wanda: Die Gang, die sich nicht zerteilen lässt

Wien
30.09.2022 06:01

Nach dem tragischen Tod des erst 32-jährigen Keyboarders Christian Hummer erscheint nun das fünfte Wanda-Album „Wanda“, auf dem sich das Bandfamilienmitglied ein letztes Mal wichtig und würdig verewigt hat. Ein Album, das seine Trauerzeit verdient, aber auch das Recht auf Freude und das Feiern des Lebens hat. Der Versuch einer Einordnung.

Monatelang arbeitet man akribisch auf ein Produkt hin. Man macht sich Gedanken über die Songs und schreibt Ideen nieder. Klimpert auf den Instrumenten und versucht sich an Textskizzen. Überarbeitet und verwirft Pläne, geht noch einmal über die Demos. Da ein bisschen mehr Gitarre, dieser Part könnte eine Spur Synthies vertragen. Ist die Gesangstonlage richtig? Finden wir kein anderes, weniger ausgelutschtes Wort, um den Text endgültig fertigzukriegen? Man veröffentlicht Singles, wirft die Werbe- und Promomaschinerie an, wartet auf den Tag X.

Doch plötzlich bricht alles zusammen wie ein Kartenhaus. Gedankenspiele, Brainstorming, Ideen, Teamwork, Arbeitsprozesse - mit einer Schocknachricht zunichtegemacht. Wanda veröffentlichten heute, Freitag, ihr fünftes Studioalbum „Wanda“, doch vor einer Woche schied Bandkollege, Freund, Familienmitglied Christian Hummer nach langer und schwerer Krankheit aus dem Leben. Und plötzlich sind die Prioritäten ganz woanders zu verorten.

Düstere Leichtigkeit
Doch kein „Wanda“ ohne Christian Hummer. Auch wenn er krankheitsbedingt seit März nicht mehr mit seinen Freunden auf der Bühne stand, hat er sich noch tatkräftig eingebracht und mit seinem gefühlvollen Klavier- und Keyboardspiel eine prägende Wirkung erzeugt. Das fünfte Album macht einen Schritt weg vom Vorgänger „Ciao!“, mit dem vordergründig Marco Wanda in der Rückschau nicht ganz glücklich war.

Im Jubiläumsjahr klingt das tragisch zum Quartett geschrumpfte Gespann angenehm nüchterner und in gewisser Weise kindlich-juvenil gereift. Es bleibt Raum für große Gesten, für melancholische Zerrbilder und für die magisch anziehende Düsterromantik, wie man sie nur in Wien findet. Doch Wanda geben auch der Leichtigkeit genug Raum, nähern sich im Album-Opener „Rocking In Wien“ dem großen Stadtsohn Falco, ohne aber in die Falle des vorsätzlichen Abkupferns zu tappen.

Auch Wanda haben die Pandemie genützt, um zu reflektieren, die Dinge richtig einzuordnen und das eine oder andere Stamperl Schnaps samt verdientem Rockstar-Gestus zugunsten einer nachhaltigeren Lebensweise zurückzustellen. Freilich hat diese Band nicht die Liebe zum Exzess verloren, er ist nur vernünftiger kanalisiert und wird mit mehr Verantwortungsbewusstsein dem nächsten Tag gegenüber zelebriert. „Und wenn’s nach mir geht, kann alles so weitergehen“, singt Marco in „Rot ist die Farbe“.

Eine Zufriedenheit, die bei aller Selbstkritik ob des letzten Albums und der schwierigen Phasen der vergangenen Monate berechtigt ausgesprochen wird. Fast prophetisch wirkt die bereits veröffentlichte Single „Va Bene“ mit ihrem betörenden Prog-Rock-Gestus, einer neuen Herangehensweise an Wanda-Musik. „Und es muss trotzdem alles weitergehen“, ertönt der Refrain und gibt nun allen den Halt, um über die Bandfamilientragödie hinwegzukommen.

Emotionales Vermächtnis
Überraschenderweise sind gerade die beiden ersten Single-Auskoppelungen noch die schwächsten Nummern auf dem neuen Werk. „Jurassic Park“ und „Die Sterne von Alterlaa“ sind gute, aber keinesfalls überbordend starke Songs im reichhaltigen Oeuvre der Band. Die schönsten Überraschungen liegen ohnehin wieder in den Details - oder in der Nostalgie. Mit „Immer willst du tanzen“ und der neuen Bandhymne „Eine Gang“ haben es gleich zwei Nummern aufs Album geschafft, die schon mehr als eine Dekade auf dem Buckel haben und aus diversen Gründen halbfertig in der Schublade lagen.

Die Wanda-DNA der frühen Tage ist unverkennbar und das ohnehin schon schwer triefende „Eine Gang“ mit der Botschaft freundschaftlich-liebevoller Gruppendynamik nach Hummers Ableben mit einer besonderen Schönheit ausgestattet. Es hebe die Hand, wer bei seinem schönen Pianospiel im Intro keine Träne verdrückt…

Die berechtigte und gerechtfertigte Trauer soll und darf den neuen Songs aber nicht die Schönheit nehmen, die ihnen innewohnt. Auch wenn Wanda ihrer klassischen Rezeptur folgen, gibt es viele Ausreißer, stilistische Neuerkundungen und den Hang zum Experimentellen in einem ausgesteckten Feld der kompositorischen Grundsicherheit. Das mit sanften 80er-Vibes und Reggae-Zitaten ausgestattete „Wir sind verloren“ und das mit viel Rhythmusgefühl ausstaffierte „Kein Bauplan“ versuchen hörbar, die klassisch-nostalgischen Wanda mit dem Heute zu verbinden und vielleicht auch ein bisschen in die Zukunft zu schauen.

Nun geht es aber erst einmal darum, die Gegenwart zu verarbeiten, um gestärkt daraus hervorzugehen. „Nix, wos ma tuan, wird je zur Legende werden“, singt Marco inbrünstig in „Eine Gang“. Nun hat jede Legendenschreibung ihre lichten Höhen und betrüblichen Abgründe. Wenn der Schmerz des Verlustes nachgelassen hat, wird man versöhnlich auf Hummers Abschiedswerk zurückblicken. Und sich mehr denn je als „Eine Gang“ betrachten, die sich auch nicht vom Tod aufhalten lässt. Es wäre sicher ganz in Christians Sinne.

Aus verständlichen Gründen bezüglich des tragischen Todesfalls Hummers war es nicht möglich, kurz vor Albumveröffentlichung ein Interview mit der Band zu führen.

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