Innovationen in Pflege

Pflegeroboter Lio hat hohe Sympathiewerte

Vorarlberg
23.09.2022 11:00

Dr. Christian Bernhard, Vorsitzender der Vorarlberger Ethikkommission, nahm Innovationen auf dem Pflegesektor genauer unter die Lupe. Die „Krone“ hat seine Experten-Meinung im Interview erfragt.

Krone: Herr Dr. Bernhard, was hat Sie im Rahmen der Veranstaltung „Innovationen in der Pflege“ am meisten beeindruckt?
Dr. Bernhard: Wirklich spannend fand ich, welche Gedanken man sich an der Fachhochschule Vorarlberg gemacht hat, um mit moderner Technik Lehrinhalte für Pflege- und Medizinstudenten zu vermitteln.

Was hat sich da seit Ihrem Studium geändert?
Mit virtuellen Brillen kann man quasi in das Innere des Körpers sehen. Bei der Untersuchung vom Herz mit dem Stethoskop bekommt man zusätzlich genauere Informationen über die Fließgeschwindigkeiten und die Produktion von Herztönen. Da bekommt man einen ganz anderen Einblick. Es ist schade, dass ich schon vor so vielen Jahren studiert habe.

Wie war das Zusammentreffen mit den Pflegerobotern?
Ich habe nur Lio kennengelernt. Was ich bis zur Tagung gar nicht wusste: Die Roboter sind technisch noch gar nicht in der Lage, pflegerischen Leistungen zu übernehmen. Sie können nicht beim An- und Ausziehen helfen, sind nicht tauglich, um Nahrung zu verabreichen und waschen auch niemanden.

Was können Lio und seine Freunde?
Dinge, wie Türklinken desinfizieren oder diese öffnen. Sie können Getränke und Medikamente bringen oder den Bewohnern von Pflegeheimen mitteilen, dass sie zu einem Termin gehen oder mit Übungen beginnen sollen.

In den Vorarlberger Pflegeheimen fehlen derzeit rund 150 Arbeitskräfte. Würde der Einsatz von Robotern helfen?
Im Moment würde das nichts ändern. Ein Roboter kann unterstützen, ersetzt aber kein Personal und gleicht schon gar keinen Fachkräftemangel aus.

In welchen Heimen sind Lio & Co tätig und wie sind die Erfahrungen?
Die Pflegeroboter werden in Schaffhausen und in Konstanz getestet. Was den Einsatz im Pflegebereich betrifft, sind sie eigentlich unpraktisch, verfügen aber nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Senioren über hohe Sympathiewerte. Genau da wird man ansetzen und weitere Schritte in Richtung Beschäftigung und Aktivierung planen.

Gibt es auch Heime in Vorarlberg, in denen Roboter eingesetzt werden?
Mir ist nichts bekannt. Meiner Meinung nach ist es aber auch noch zu früh für solche Einsätze. Im Moment sammeln die Zuständigen der FH erste Erfahrungen, schauen, welche Hürden sich auftun.

Welche Probleme gab es denn bisher?
Bei ihren ersten Einsätzen haben die Roboter noch keine Wäschewagen erkannt und wollte diese einfach umfahren. Wenn die Beleuchtungsverhältnisse nicht passen oder die WLAN-Abdeckung zu gering ist, kann es sein, dass die Roboter plötzlich ihren Dienst beenden.

Wann wird Lio technisch in der Lage sein, Pflegeleistungen zu übernehmen?
Niemand hat sich getraut, einen Zeitpunkt zu nennen. Und natürlich wird daran gedacht, dass eines Tages weiterreichende Fähigkeiten zum Einsatz kommen sollen. Es wurde auch berichtet, dass die Entwicklung in China schon viel weiter fortgeschritten ist. Ich sehe aber nicht nur datenrechtliche, sondern auch ethische Grenzen. Weitere Diskussionen wird es bei den Haftungsfragen geben. In Europa gibt es so viele Sicherheitsvorschriften, dass dem Patienten nichts passieren darf. Und was passiert, wenn der Roboter einen Fehler macht? Wer haftet? Der Programmierer? Das Heim?

Bis Lio im Ländle arbeitet, werden also noch ein paar Jahre ins Land ziehen?
Es mag für Fortschritt und Innovation hinderlich sein - mich freut es aber, wenn all die wesentlichen Aspekte und ethischen Fragen einen hohen Stellenwert haben.

Welche ethischen Bedenken haben Sie?
Es geht schlicht und einfach um die Tatsache, dass eine Maschine jemanden, der geistig nicht mehr ganz auf der Höhe ist vorgaukelt, ein Lebewesen zu sein. Ist das in Ordnung, wenn eine Maschine mit Demenzpatienten interagiert und Gefühle hervorruft?

Zitat Icon

Einige – das hat eine Umfrage gezeigt – würden sich lieber von einem Roboter als von einem anderen Menschen waschen lassen, weil sie sich dann weniger schämen würden.

Dr. Christian Bernhard

Wie ist denn Ihre Meinung dazu?
Zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand die ganzen ethischen Aspekte und Fragen abschließend klären. Ich denke, dass man den Einsatz auf die jeweils Betroffenen abstimmen sollte. Ich persönlich finde Lio in der Interaktion ganz putzig. Bei meinem Vater wüsste ich, dass er sicher auch gerne einen solchen Roboter hätte, weil er Neuen gegenüber immer sehr aufgeschlossen ist. Einige - das hat eine Umfrage gezeigt - würden sich lieber von einem Roboter als von einem anderen Menschen waschen lassen, weil sie sich dann weniger schämen würden.

Sie zählen also eher zu den Befürwortern von Robotereinsätzen?
Nicht unbedingt, denn ich weiß auch, dass eine Maschine den menschlichen Kontakt nicht ersetzen kann. Viele haben Bedenken und wollen nicht von einem Roboter gepflegt werden. Derzeit scheint mir der Einsatz vernünftig. Ich bin aber auch der Meinung, dass bei allen Neuerung - seien es Roboter oder Apps - auch die Ethikkommissionen der Länder einbezogen werden sollten. In Vorarlberg wird es im kommenden Jahr auch eine solche Veranstaltung mit der FH Vorarlberg in Dornbirn geben.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Vorarlberg Wetter
1° / 13°
bedeckt
1° / 16°
bedeckt
2° / 15°
bedeckt
3° / 17°
bedeckt



Kostenlose Spiele