Buchungen kompliziert

Klimaschutz per Bahn scheitert oft am Ticketkauf

Web
06.07.2022 15:00

Die Verlagerung von Reisen vom Flugzeug auf die Bahn wäre dringend nötig, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. Dennoch steigen viele Menschen lieber in den Flieger als in den Zug. Der Grund liegt unter anderem am komplizierten Kauf internationaler Tickets, wie eine Studie der FH St. Pölten zeigt. Denn trotz Digitalisierung und globaler Vernetzung sind durchgängige Buchungen nicht immer möglich.

„Fehlende verbindliche Standards oder nationale Besonderheiten in der Tariflandschaft sind der Grund dafür. Für die Buchung internationaler Bahnfahrkarten sind in der derzeitigen Situation also Geduld, Fachwissen oder Hilfestellungen nötig. Darum bevorzugen Reisende trotz guter Verbindungen im Schienenverkehr oft doch aus Einfachheitsgründen das Flugzeug“, sagen die Studienautoren Thomas Preslmayr und Absolvent Thomas Stütz vom Department Bahntechnologie und Mobilität der FH St. Pölten.

Das Potenzial für mehr Fahrgäste in internationalen Zügen sei hoch: „Unsere Studie hat gezeigt, dass ein Drittel der Kunden und Kundinnen an der Buchung internationaler Bahntickets scheitert. Gegenüber heute könnten funktionierende Ticketingsysteme also ein Potenzial von bis zu 50 Prozent mehr internationalen Bahnfahrgästen gegenüber heute bedeuten“, so Preslmayr.

Lange Buchungsdauer, häufiger Abbruch
Für die Studie mussten 76 Probanden 46 europäische Reiserouten mehrfach buchen - mal mit der Bahn, mal mit dem Flieger. Die Wahl des verwendeten Ticketshops stand den Teilnehmern frei. 20 europäische Ticketshops wurden in der Studie getestet. Von 152 Buchungen scheiterten beim Flieger nur fünf am Buchungsprozess - bei der Bahn 50. Das bedeutet eine zehnmal höhere Misserfolgsquote bei Bahnbuchungen im Vergleich zu Flugbuchungen. Die größte Zahl der Flugbuchungen war in fünf bis zehn Minuten abgeschlossen, die größte Zahl der Bahnbuchungen nahm indes 15 bis 30 Minuten in Anspruch.

„Grundsätzlich gilt, dass alle Direktverbindungen ab Österreich oder auch Umsteigeverbindungen von Österreich nach Deutschland gut buchbar sind. Schwierigkeiten bereiteten Umsteigeverbindungen in alle anderen Länder. Eine Häufung von Buchungsproblemen ist zu Zielen nach Süd- bzw. Osteuropa zu sehen“, erläuterte Stütz.

Technische Harmonisierung und politische Vorgaben
Ein wesentlicher Grund für die schwere Buchbarkeit internationaler Bahnreisen ist laut den Studienautoren eine unvollständige technische Harmonisierung der Ticketsysteme: Teils veraltete Vertriebs- und Reservierungssysteme, unterschiedliche Tarifsystematiken und Tickets mit oder ohne Zugbindung erschwerten das länderübergreifende Buchen.

Abhilfe verspricht ein vom internationalen Eisenbahnverband UIC entwickelter gemeinsamer Standard, der grenzüberschreitende Bahnbuchungen erleichtern soll. Als eine der ersten Bahnen haben diesen die ÖBB implementiert. Damit lasse sich nun, so die FH St. Pölten, problemlos eine Fahrkarte von Wien nach Rom für eine Fahrt untertags mit Umsteigen in Venedig kaufen.

„Erste Verbesserungen sind also auf Schiene“, blickt Preslmayr grundsätzlich optimistisch in die Zukunft „Auch die Europäische Union hat die Dringlichkeit des Problems erkannt und arbeitet an einer umfassenden, europaweiten Lösung. Die derzeitigen Verbesserungen sind nämlich nach wie vor Flickwerk, weil die Umsetzung freiwillig ist.“

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