Die 100 Prozent für Karl Nehammer beim ÖVP-Parteitag sind auch als eine trotzige Demonstration der Gekränkten zu verstehen. Seit Beginn der Korruptionsermittlungen spielt die Kanzlerpartei die Rolle der verfolgten Unschuld. Der einstige Publikumsliebling Sebastian Kurz beherrschte die Opfer-Show nahezu perfekt. Bei einem Mannsbild wie Karl Nehammer wirkt die Heulsusen-Nummer allerdings unpassend.
Mit der an Eindeutigkeit nicht überbietbaren Wahl zum Parteichef sollte Karl Nehammer nun endlich mit so viel Selbstbewusstsein ausgestattet sein, um mit Kritik als Lernender ohne Wehleidigkeit umgehen zu können. Anders werden Verbesserungen im Land keinesfalls zu schaffen sein.
Das allgemeine Unbehagen mit der politischen Kultur im Land kommt nicht aus dem Nichts. Wenn jetzt viel von einer Zeitenwende die Rede ist, dann wäre für den neuen starken Mann an der Spitze von Regierung und ÖVP jetzt der ideale Zeitpunkt für einen Kulturwandel in der Innenpolitik.
In einem kleinen Land, in dem Vorteile, Aufträge und Jobs nach jeweiligem Parteimilieu zu ergattern sind, wuchert eine Günstlingswirtschaft wie Nachtschattengewächse im schwülen Tropenklima. Vielen ist das so sehr zur Gewohnheit geworden, dass es ihnen nicht einmal mehr auffällt. In einem ersten Schritt muss ein Bewusstsein geschaffen werden, dass das nicht zur Normalität gehören darf.
Politik soll nicht Spaß machen, weil man es sich da richten kann, sondern weil man da etwas zum Positiven verändern kann.
Das ist naiv. Schon klar.
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