Beton raus aus Städten

Forscher: „Holzbau kann die Klimakrise stoppen“

Steiermark
06.05.2022 06:01

Hans Joachim Schellnhuber gilt als Koryphäe unter den Klimaforschern. Er gründete das weltbekannte Potsdam-Institut, er berät führende Politiker und Religionsvertreter wie die EU-Spitzen, den Papst, die Weltbank und verschiedenste Regierungen. Heute, Freitag, spricht er ab 9 Uhr beim 8. Energiecamp in Murau (Sie können online via energiecamp.at live dabei sein), die „Krone“ bat ihn vorab zum Interview.

„Krone“:Herr Professor Schellnhuber, Sie sprechen heute beim Energiecamp in Murau. Wie wichtig sind solche Initiativen?
Hans Joachim Schellnhuber:
Die Themen Nachhaltigkeit, Energiewende, Klima- und Naturschutz sind in Zeiten wie diesen wichtiger denn je. Am Ende des Tages müssen zwei Ebenen zusammenkommen: die große Politik, die die Gesetze und Rahmenbedingungen schafft, und die vielen lokalen, regionalen Initiativen, die zeigen, wie man’s besser macht, mit weniger Naturzerstörung hin zu einem nachhaltigeren Leben.

Uns allen ist die weltweite Klimakrise bekannt. Warum tun wir trotzdem dagegen so wenig?
Diese Frage stelle ich mir seit 40 Jahren. Die Menschheit ist gut, auf schnelle Veränderungen zu reagieren. Langfristige Strategien zu entwickeln, damit haben wir ein großes Problem. Ein Beispiel ist die allgemeine Schulpflicht. Gäbe es sie nicht, würden die meisten ihre Kinder nicht hinschicken. Obwohl alle wissen, wie wichtig Bildung ist. Uns in den nächsten zehn Jahren einzuschränken, Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen, damit die Situation in 50 Jahren vielleicht besser ist, das ist ein ethischer Akt. Ansonsten fährt das Klimasystem gegen die Wand.

Wie sind Sie als Physiker und Mathematiker eigentlich zur Klimaforschung gekommen?
Über wissenschaftliche Neugier. Durch Simulationen und Modelle bin ich auf dieses große Menschheitsproblem gestoßen.

Sie sind seit Längerem ein Verfechter von Bauen mit Holz. Warum?
Mobilität, Schwerindustrie – solche Themen waren immer präsent. Vor sieben, acht Jahren ist mir aber klar geworden: In der gebauten Umwelt wird die Klimaschlacht entschieden. 40 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen entstehen durch Errichtung und Betrieb von Gebäuden sowie der Infrastruktur. Der Gebäudesektor ist der Elefant im Klimaraum. Das Fliegen ist zum Vergleich nur für zwei Prozent verantwortlich. Allein die Zementproduktion verursacht acht Prozent.

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In der gebauten Umwelt wird die Klimaschlacht entschieden. 40 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen entstehen durch Errichtung und Betrieb von Gebäuden sowie der Infrastruktur,

Hans Joachim Schellnhuber

Was muss sich wie verändern?
Die Rückkehr zum Holzbau ist der wichtigste Beitrag gegen die Erderwärmung. Wenn wir die Waldzerstörung stoppen, großflächig aufforsten und mit Holz statt Beton bauen, wird der Bausektor vom Klimasünder zum Klimahelden. Der Klimaschutz wird vor allem beim Bauen in den Städten entschieden.

Was sind die größte Vorteile beim Holzbau?
Damit bauen wir nicht klimaneutral, sondern sogar klimapositiv. Weil durch die Fotosynthese CO2 gespeichert wird. Zudem ist Holz viel ästhetischer als Beton, auch das Wohnklima ist besser. Das ergibt eine Win-Win-Win-Situation.

Aber haben wir dafür genug Material in den steirischen Wäldern?
Wenn wir die Klimaerhitzung nicht durch Nutzung des Waldes abmildern, müssen wir künftig über keine Funktion des Waldes mehr diskutieren. Denn dann werden sich Ökosysteme komplett ändern, was die Lebensgrundlagen der Menschen gefährdet.

Selbst Hochhäuser könnten aus Holz gebaut werden?
Ja, auch 30 Stockwerke sind mittlerweile kein Problem. Die Revolution in der Bau-Branche hat längst begonnen. Und es führt kein Weg vorbei: Wir müssen den Beton weg aus unseren Städten bekommen.

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Es führt kein Weg vorbei: Wir müssen den Beton weg aus unseren Städten bekommen.

Hans Joachim Schellnhuber

Welche Forderung haben Sie an die Politik?
Sie muss die Rahmenbedingungen für ein klima- und menschenfreundliches Bauen schaffen. Ein Beispiel: Verbrennen Sie Holz im Kamin, sind sieben Prozent Steuer fällig, verwenden Sie Holz beim Bauen sind es noch 19 Prozent.

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