Professor erklärt

Griechen nach Euro zu glücklich, “das zeigt Suizidrate”

Ausland
16.05.2011 12:57
Eine stellenweise etwas ungewöhnliche Analyse, wie es zur Staatskrise in Griechenland gekommen ist, lieferte am Montag ein Finanzprofessor und Mitarbeiter der griechischen Eurobank bei einem Vortrag in Wien. Die Griechen seien nach dem Euro-Beitritt "überdurchschnittlich glücklich" gewesen. Sie konsumierten fleißig, importierten mehr, als sie exportierten und machten jährlich 3,1 Prozent des BIP Schulden. Als Argument zieht Gikas Hardouvelis dabei auch die Selbstmordrate Griechenlands heran. Die sei mit 2,8 Freitoden je 100.000 Einwohner weit unter dem EU-Schnitt.

Die Wirtschaft des Landes wuchs deutlich schneller als der EU-Schnitt, der Anteil des privaten Konsums am BIP lag zugleich mit 73 Prozent weit höher als in anderen EU-Staaten, rechnete Hardouvelis, der auch Professor an der Universität von Piräus ist, am Montag in seinem Vortrag am Joint Vienna Institute vor.

Der Konsum von Haushalten und Staat machte 2001 bis 2008 rund 90 Prozent des BIP aus - mehr als in den USA. Aber die Wirtschaft sei nicht konkurrenzfähig gewesen. Die Schattenwirtschaft kam auf ein Viertel des BIP. In einem Weltbank-Ranking, das sich mit dem Thema beschäftigt, wie leicht in verschiedenen Ländern Geschäfte eröffnet werden können, kam Griechenland nur auf Platz 109 von 183 Staaten. Das wirkte sich neben den Defiziten bei Leistungsbilanz und Staatshaushalt in einer deutlich über dem EU-Schnitt liegenden Inflationsrate aus, so Hardouvelis.

Angesichts dieser Ereignisse stünden die griechischen Banken aber sehr gut da. Sie hätten weder aufgeblähte Kredite noch toxische Papiere im Portfolio: "Sie sind Opfer des Staatssektors."

Langer und steiniger Weg für Griechenland
Der Finanzprofessor zweifelt daran, dass Griechenland schon 2012 wieder das Vertrauen der Märkte haben wird. Der Privatsektor müsse wohl auf einen Teil seiner Forderungen verzichten. Eine Auflösung der Eurozone komme für ihn aber nicht in Frage, dazu sei "zu viel politisches Kapital investiert worden". Und eine Stärkung der Eurozone in Richtung Transferunion sei wohl ebenfalls nicht realistisch. "Ein Risiko für Griechenland" sei derzeit angesichts steigender Inflation die Europäische Zentralbank, meint Hardouvelis.

Denn die Währungshüter könnten irgendwann sagen "vergesst die Südländer" und nicht nur die Zinsen deutlich erhöhen, sondern auch nicht mehr als Geldgeber am Markt aktiv sein. Deutsche Banken reduzierten zuletzt ihre Abhängigkeit von der EZB drastisch, das könnte den Druck auf Institute in Irland und Griechenland steigern.

Bank-Austria-Chef rechnet mit längeren Kreditlaufzeiten
Österreichische Stimmen rechnen derzeit mit einer "Soft-Umschuldung" Griechenlands, genauer gesagt mit einer Verlängerung der Kreditlaufzeiten. Bank-Austria-Chef Willibald Cernko meinte am Wochenende, "an substanziellen Fristerstreckungen von Rückzahlungen wird nichts vorbeiführen". Cernko geht auch davon aus, dass von einer solchen Erstreckung auch private Zeichner von Anleihen betroffen sein würden.

Die Griechen müssten aber auch selber ihren Beitrag leisten. Cernko hält zusätzlich tiefgreifende Hilfen und Anreize zur Verbesserung der Wirtschaftsstrukturen für nötig, die über das reine Restrukturieren von Krediten hinaus gehe - eine Art "Marshall-Plan" für Griechenland.

Wifo-Chef hält Schulden-"Haircut" für notwendig
Wifo-Chef Karl Aiginger sprach am Montag gegenüber Radio Ö1 von drei Säulen, auf denen eine Strategie zur Lösung der Probleme Griechenlands ruhen müsse. Erstens müsse Griechenland seine Hausaufgaben machen, also sparen, zweitens müsse ein Schuldennachlass kommen und drittens ein Investitionsprogramm. Den Schuldenlass sieht auch Aiginger zunächst in Form einer Streckung der Rückzahlungsfristen kommen. Letztendlich helfe aber nur, wenn ein Teil der Schulden auch tatsächlich gestrichen werde. Was im Finanzssprech "Haircut" genannt wird, sei noch immer besser als ein Konkurs Griechenlands, denn dann verlören die Gläubiger, und das sind großteils Banken, wohl ihr gesamtes Geld.

Finanzieren könnte man eine weitere Unterstützung für Griechenland über eine Finanztransaktionssteuer in Europa, meint Aiginger. Nicht zahlen lassen dürfe man aber die Konsumenten und die Unternehmer. Griechenlands Politik müsse jetzt die Steuerschlupflöcher stopfen und anschließend, wie zugesichert, Privatisierungen vornehmen. Danach seien Investitionen nötig, denn wenn die wieder fließen, werde es wieder aufwärts gehen. Auch sollten die Vermögenden zur Kasse gebeten und darauf geachtet werden, dass von sämtlichen Gewerbezweigen Steuern eingehoben werden.

EU-Finanzminister beraten, auch Nationalrat debattiert
Montag und Dienstag dieser Woche beraten die Euro- und EU-Finanzminister im Zuge des Beschlusses der Portugal-Hilfe erneut über das Thema Griechenland. Es wird erwartet, dass man allmählich eine Umschuldung diskutiert. In Österreich werden die Beiträge zum Euro-Rettungsschirm bei den Nationalratssitzungen am Dienstag und Mittwoch Thema sein, unter anderem wird die aktuelle Europastunde am Dienstag vom BZÖ unter das Thema "Umdenken in der Griechenland-Hilfe" gestellt. Von einem "Zahlungsstopp an marode Länder" ist die Rede. Auch die FPÖ wendet sich gegen die "Unterstützung von EU-Pleitestaaten" und richtet eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Werner Faymann, der weitere Zahlungen stoppen solle.

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