Alles wird teurer

Geldsorgen: „Mein Kind geniert sich für mich“

Steiermark
14.02.2022 06:00

Auf nichts wartet sie so hart wie auf den 12. des Monats. Da wird ihr Geld überwiesen. Sie kann Lebensmittel kaufen und das Nötigste. Lang hält sie nicht mehr durch, sagt eine Mutter aus der Steiermark, „und jetzt wird auch alles noch teurer“. Nach einem Grazer Pensionisten das nächste Einzelschicksal.

Sie möchte uns gern mit einem Lächeln begrüßen - stattdessen presst sie den Mund fest zusammen. Sie geniert sich, sie hat vorne nur noch zwei Zähne. „Die sind mir krankheitsbedingt ausgefallen“, murmelt sie. Man kann sich vorstellen, was das in einer Gesellschaft heißt, die nur nach Äußerlichkeiten geht. „Da wird man gleich als asozial abgestempelt.“ Den Selbstbehalt für die Brücke kann sie nicht aufbringen.

Ihren Namen will sie nicht genannt haben, ihr Gesicht nicht zeigen. Sie schämt sich für ihre Situation. „Früher hab ich in der Behindertenbetreuung gearbeitet, Mitleid gehabt mit denen, die zu wenig Geld hatten. Jetzt bin ich selbst so ein Fall.“

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Früher hab ich in der Behindertenbetreuung gearbeitet, Mitleid gehabt mit denen, die zu wenig Geld hatten. Jetzt bin ich selbst so ein Fall.

Die Steirerin

Die Frau ist noch jung, gerade einmal 40. Ihre Sorgen sind fast gleich alt. „Den Herzfehler hab ich seit der Kindheit“, schildert sie, eine künstliche Herzklappe zeugt davon. Skoliose (Deformierung der Wirbelsäule), Arthritis, diese Diagnosen kamen dazu, als das kleinste Kind der Alleinerzieherin zwei Jahre alt war.

Manche Tage übersteht sie nur mit Morphium
Heute hat sie an manchen Tagen solche Schmerzen, „dass ich ihn nur mit Morphium überstehe“. Es hilft, wenn der Chiropraktiker Wunder wirkt - das tut er für 80 Euro in der Stunde; eine Summe, die die Frau nur alle heiligen Zeiten aufbringt. Gearbeitet hat sie trotzdem - bis sie Corona-bedingt eingespart wurde.

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Manchmal möchte man alles hinschmeißen und die Chance auf einen Neuanfang kriegen.

Die von Geldsorgen gebeutelte Mutter

Das Teenagerkind ist völlig überfordert mit der ganzen Lage, Covid, der chronische Geldmangel, Schulprobleme, „geniert sich auch für unser Leben - und für mich“. Das Kind frisst alles in sich hinein. Seelisch und körperlich - damit fehlen auch die sparsam kalkulierten Lebensmittel.

Auf 50 Quadratmetern wohnen sie zu dritt - eine größere Wohnung scheiterte bislang an der Kaution. 14 Euro bleiben nach Abzug der Fixkosten jedem der drei am Tag. „Eh viel“, ätzen da vielleicht erbärmliche Mitmenschen, die dem Nächsten die Sorgen noch zu neidig sind.

Dass das nicht „nur“ für Lebensmittel ist, sondern auch für Kleidung, Schulsachen, alles, was man im Leben braucht, wird gerne übersehen. Auto gibt es sowieso keines, auch keinen Geschirrspüler, „aber ich bin Luxus eh nicht gewohnt“. Die alte Waschmaschine tut ihren Dienst nur noch aus Gefälligkeit; wenn sie aufgibt, muss im Spülbecken gewaschen werden.

„Manchmal möchte man alles hinschmeißen und die Chance auf einen Neuanfang kriegen“, sinniert die Frau. „Überall steht man an, hat nur Probleme. Alle zerren an einem herum.“ Wenn es ganz schlimm wird, weint sie leise in sich hinein statt laut heraus, damit die Kinder das nicht auch noch mitkriegen. Und träumt sich weit weg, an einen Strand, ans Meer. In einen Urlaub, in dem sie mit ihren Kindern noch nie war. 

Wie geht es den Steirern mit der Preisexplosion im Alltag? Die „Krone“ beleuchtet in nächster Zeit weitere Einzelschicksale.

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