Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock warnt vor einer „Kriminalitäts-Pandemie“, die sich parallel zur Corona-Krise aufgebaut habe. So nahm etwa der illegale Medikamentenhandel stark zu, die Cyberkriminalität sei in den zwei Jahren geradezu „explodiert“, sagte er nach einem Arbeitsgespräch mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Freitag in Wien. „Täter haben weltweit in Windeseile die coronabedingten Verwundbarkeiten unserer Gesellschaften ausgenutzt“, so Stock.
Bereits Anfang 2020, ganz zu Beginn der Pandemie, hätten Täter sehr schnell den Bedarf gesehen und mit im Internet gehandelten Medikamenten oder gefälschten Impfstoffen „große Kasse gemacht“, betonte Stock. Auch sexueller Missbrauch von Kindern und das Teilen von Tatortfotos bis hin zu Livestreaming sei „in vielen unserer Mitgliedsstaaten während dieser Zeit dramatisch angestiegen“.
Globalisierung und Digitalisierung haben die Polizeiarbeit verändert, ohne digitale Vernetzung über Landesgrenzen geht es nicht mehr. Heimische Polizisten setzten im vergangenen Jahr rund 32 Millionen Fahndungsanfragen nach Personen und 900.000 Anfragen zu Autos ab. Dazu kamen 7,4 Millionen Anfragen nach gestohlenen Dokumenten, berichtete Innenminister Karner.
Interpol-Schlag gegen Schlepperring
Beim seit 2020 laufenden Projekt „Silk Road“ des Bundeskriminalamts wird mit den EU-Ländern Ungarn und Bulgarien sowie Staaten wie der Türkei oder Pakistan unter der Führung von Interpol gegen Schlepperei und Menschenhandel vorgegangen. 2021 wurde mit den türkischen Behörden ein iranischer Täterkreis ausgehoben, der „hunderte Afghanen“ aus der Türkei nach Österreich geschleppt habe, vorwiegend in Kastenwagen.
Migranten seien dabei von den Schleppern immer wieder in Lebensgefahr gebracht worden, so Karner. „Allein hier gab es mehr als zehn Festnahmen.“ Bisher wurden binnen drei Jahren mehr als 270 Schlepper bei „Silk Road“ identifiziert, ein großer Teil auch festgenommen. Die Kommunikation der Ermittler läuft dabei über das besonders sichere Interpol-System. Ohne diese Kommunikationswege und Datenbanken wären solche Polizeierfolge im Kampf gegen die organisierten Schlepper nicht möglich, wurde betont.
Interpol wird 100 - Generalversammlung in Wien
Im nächsten Jahr wird die internationale Polizeiorganisation Interpol 100 Jahre alt - ihre „Wiege“ stand in Wien, als sich im September 1923 Polizeichefs aus aller Welt trafen und die Vorgängerorganisation „Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission“ gründeten. Die Generalversammlung der Organisation mit 195 Mitgliedstaaten zum „100er“ soll ebenfalls in Wien stattfinden. Innenminister Karner freute sich auf „über 1000 hochrangige Gäste“.
Teilnehmer aus allen Mitgliedsländern der Organisation mit Hauptsitz im französischen Lyon werden zur Versammlung Ende Oktober/Anfang November 2023 erwartet. Sie soll im Vienna International Center ausgerichtet werden. Dabei werde es „wichtige Weichenstellungen“ geben, kündigte Generalsekretär Stock an. So soll etwa die Öffentlichkeitsarbeit verbessert werden, denn bisher sei das Image von Interpol hauptsächlich „von Hollywood-Klassikern bestimmt“.
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