Das große Interview

Wie ist es, eine Kennedy zu sein?

Politik
23.01.2022 06:00

Die neue US-Botschafterin in Wien trägt einen großen Namen. In ihrem ersten Interview spricht die Witwe des Bruders von JFK, „Vicki“ Kennedy, mit Conny Bischofberger über den Familienclan, ihren verstorbenen Ehemann „Ted“, die Pläne für Österreich und den Konflikt in der Ukraine.

Im Dining-Room der US-amerikanischen Botschaft in der Wiener Boltzmanngasse ist alles vorbereitet. Victoria Reggie Kennedy strahlt über das ganze Gesicht, als sie den Raum betritt. Die 67-Jährige trägt ein dunkelblaues Sakko und eine farblich abgestimmte FFP2-Maske, die sie für ein Fotomotiv kurz abnimmt. Es zeigt sie vor einem ein mal zwei Meter großen orange-blauen Rothko. Das Interview ist auf 40 Minuten angesetzt, der Terminkalender der neuen Botschafterin ist dicht gedrängt. Zwei Wochen nach ihrer Ankunft in Wien hat sie bereits die gesamte Staatsspitze sowie Kardinal Christoph Schönborn und auch eine Reihe von Botschaftern anderer Staaten getroffen.

„Krone“: Ambassador Kennedy, wie kam es, dass Sie Botschafterin geworden sind? Haben Sie sich für die Position beworben oder wurde Sie Ihnen angeboten?
Victoria Reggie Kennedy: Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, als Präsident Biden mich im späten Frühling des vergangenen Jahres gefragt hat, ob ich seine Repräsentantin für dieses wunderschöne Land werden möchte. Ich habe auf der Stelle Ja gesagt. Dann musste das natürlich vom Senat noch bestätigt werden.

Es gibt das Gerücht, dass Ihnen Deutschland lieber gewesen wäre.
Dort lebt meine Tochter, deshalb gab es dieses Gerücht vermutlich. Es gibt immer Gerüchte. Aber das ist nicht die Art und Weise, wie solche Dinge funktionieren. Nein, es ist wie gesagt eine Freude und Ehre für mich, hier zu sein. Ich fühle mich so freundlich aufgenommen, von jedem, den ich bisher getroffen habe.

Werden Sie Ihre Tochter bald besuchen?
Meine Tochter, mein Schwiegersohn und meine Enkeltochter waren letzte Woche schon auf Besuch. Sie haben mich begleitet, als ich dem Bundespräsidenten mein Beglaubigungsschreiben überreicht habe. Das war sehr besonders. Es ist schön, dass wir jetzt in derselben Zeitzone sind und jederzeit telefonieren können, ohne nachzudenken, ob der andere vielleicht schon schläft.

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Ich kenne Joe Biden seit 30 Jahren und habe ihn natürlich auch im Wahlkampf unterstützt.

Victoria Reggie Kennedy

Sie sind sehr eng mit der Biden-Familie. Wie muss man sich dieses Verhältnis vorstellen?
Ich kenne Joe Biden seit 30 Jahren und habe ihn natürlich auch im Wahlkampf unterstützt. Ich glaube an ihn. Er hat herausragende Führungsqualitäten. Joe hat auch mit meinem Mann zusammengearbeitet. Auch die First Lady kenne ich gut und unsere Kinder kennen sich ebenfalls. Wir sind also seit Langem befreundet.

Die Einschätzung seines ersten Jahres fiel nicht gerade schmeichelhaft aus. Wie schätzen Sie es ein?
Ich finde, es war ein herausragendes erstes Jahr. Ein Jahr voller großer Erfolge. Er hat von Anfang an klargestellt, dass er in der internationalen Politik auf Diplomatie setzen wird, und das hat er zweifellos getan. Die USA stärken die Zusammenarbeit mit ihren Partnern und Verbündeten in Europa und auf der ganzen Welt, mit denen wir gemeinsame Werte teilen. Innenpolitisch hat sich President Biden auf die Infrastruktur und auf die Bekämpfung der Pandemie konzentriert, auch das mit großem Erfolg. Ich bin sehr stolz darauf, dass er unser Präsident ist.

Wie gut kennen Sie Österreich?
Ich war schon als junge Studentin, gemeinsam mit meinem Bruder, das erste Mal hier und habe mich sofort in die Menschen und in die Landschaft verliebt. Ich kenne natürlich auch die Geschichte Ihres Landes und die langjährigen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. In Salzburg war ich auch, aber ich freue mich sehr, auch die anderen Bundesländer kennenzulernen. Ich bin in Amerika auf dem Land aufgewachsen und habe deshalb eine besondere Beziehung zu Regionen und den Menschen, die dort leben.

Und Sie sind ein Opernfan.
Stimmt. Mein verstorbener Mann hat bei „La Bohème“ um meine Hand angehalten … Ich mag übrigens auch den österreichischen Kaffee und das Wiener Schnitzel, noch lieber als den Kaiserschmarren.

Sie und Arnold Schwarzenegger haben etwas gemeinsam. Sie sind beide als „Außenseiter“ zur Kennedy-Familie gestoßen. Wie nahe stehen Sie den Kennedys heute?
Oh, das ist meine Familie. Eine sehr große Familie, die den Dienst an der Gesellschaft als ihre große Aufgabe sieht und seit Generationen in einer sehr schönen Art und Weise weiterführt.

Gibt es noch immer ein Familienoberhaupt?
Aus der Generation meines Mannes ist heute leider niemand mehr am Leben. In der jungen Generation gibt es jede Menge Nachfolgerinnen und Nachfolger, die Familie ist jetzt viel breiter aufgestellt. Aber das, was alle zusammenhält, das gibt es weiterhin.

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Es gibt sicher an die 100 Kennedys. Ich hatte einmal einen Kalender, aber ich musste aufhören damit. Die Geburtenrate ist einfach zu hoch.

Victoria Reggie Kennedy

Wie groß ist der Clan?
Es gibt sicher an die 100 Kennedys. Ich hatte einmal einen elektronischen Kalender, in den ich mir alle Geburtstage und Hochzeitstage eingetragen habe. Das war ein ziemlich großes Unterfangen. Bei 135 Eintragungen musste ich damit aufhören. Ich habe es dann an die einzelnen Familien ausgelagert, die Geburtenrate war einfach zu hoch. - Lacht.

Sie tragen einen sehr großen, historischen Namen. Wie ist es, eine Kennedy zu sein?
Das ist eine interessante Frage, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich glaube, man steht immer für sich selbst. Dein Ruf und deine eigene harte Arbeit sind das Wichtigste. Aber ja, ich bin natürlich sehr stolz auf den Namen „Kennedy“, ich habe großen Respekt vor dem, was die Kennedys für die amerikanische Gesellschaft geleistet haben. Letztendlich geht es aber darum, was ich aus dem Namen mache, um die Verantwortung, die ich für mich selbst übernehme.

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Ich kenne niemanden, der sich nicht genau daran erinnert, wo er gewesen ist, als John F. Kennedy gestorben ist.

Victoria Reggie Kennedy

Als John F. Kennedy ermordet wurde, waren Sie noch klein. Erinnern Sie sich an den Tag?
Ja, natürlich! Ich kenne niemanden in meinem Alter, in meinem Land, ja sogar in den meisten Gegenden der Welt, der sich nicht genau daran erinnert, wo er gewesen ist, als John F. Kennedy gestorben ist. Ich war in der vierten Klasse Volksschule. Unser Direktor hat über die Lautsprecher verkündet, dass der Präsident angeschossen wurde. Ich war so traurig. Wir haben für ihn gebetet. Sie haben uns dann nach Hause geschickt. Mein Vater ist dem Präsidenten sehr nahegestanden, meine Eltern waren auf dem Begräbnis. Es war eine sehr große Trauer.

Sie haben später seinen Bruder „Ted“ Kennedy geheiratet …
Ich fühle mich noch immer als glücklichste Frau auf der Welt. Sogar heute noch, 13 Jahre nach seinem Tod.

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Ich fühle mich noch immer als glücklichste Frau auf der Welt. Sogar heute noch, 13 Jahre nach seinem Tod.

Victoria Reggie Kennedy

Ihr Mann war in einen Unfall verwickelt, bei dem eine junge Frau ums Leben gekommen ist. Fällt es Ihnen schwer, darüber zu sprechen?
Mein Mann hat nach diesem Unfall gesagt, dass er jeden Tag seines Lebens damit leben muss. Und das hat er gemacht.

Glauben Sie, er hätte Präsident werden können, wenn dieser Unfall nicht passiert wäre?
Ich möchte dieses tragische Ereignis ehrlich gesagt nicht mit Politik in Verbindung bringen. Er war jedenfalls ein exzellenter Senator. Auch Historiker haben ihn objektiv als einen der besten Senatoren in der Geschichte der Vereinigten Staaten eingeschätzt. Er war ein Gewinn für unser Land und ein Gewinn für die ganze Welt. Ich bin sehr stolz auf das Vermächtnis, das er hinterlassen hat.

Ich habe gelesen, dass Sie es waren, die ihren Mann nach Eskapaden wieder auf den richtigen Weg geführt hat. Stimmt das?
Ich finde das sehr lustig. Ich habe das natürlich auch gelesen. Und ich kann nur sagen, mein Mann war schon ein unglaublich guter Senator, bevor wir uns kennengelernt haben. Was er in mir gefunden hat, war Lebensglück. Ich glaube, dass Ted ein glücklicher Mensch war. Vielleicht ist es das, was die Menschen gesehen haben.

Sie haben als Anwältin gearbeitet und die Interessenvertretung „Common Sense about Kids and Guns“ gegründet - das ist etwas, was wir uns in Europa gar nicht vorstellen können, Kinder und Schusswaffen …
Ich weiß. Kinder und Jugendliche sind mir sehr wichtig. Als Botschafterin interessiere ich mich für den persönlichen Austausch zwischen jungen Menschen in Österreich und jungen Menschen in den USA. Unsere Länder können einander noch näher rücken, wenn die jüngere Generation zusammenwächst. Das ist etwas, das mir sehr am Herzen liegt. Ich werde mit verschiedenen Vereinen und Organisationen zusammenarbeiten, auch mit dem Jugendparlament.

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Ich bin in einer Familie aufgewachsen, der es wichtig war, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Der es aber auch wichtig war, dass Kinder etwas erreichen.

Victoria Reggie Kennedy

Wie sind Sie selbst politisch sozialisiert worden?
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, der es wichtig war, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Der es aber auch wichtig war, dass Kinder etwas erreichen. Die daran geglaubt hat, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ich habe die juridische Fakultät absolviert, ich war als Anwältin tätig, meine Karriere hat mir immer sehr viel bedeutet. Auch die Kirche, der ich angehöre, war mir sehr wichtig. Mit der Initiative „Common Sense about Kids and Guns“ wollte ich mit Waffenbesitzern eine gemeinsame Plattform finden, um Kinder vor herumliegenden Schusswaffen zu schützen. Das haben wir zwischen Gruppen geschafft, die normalerweise nicht zusammenkommen, der gemeinsame Nenner war der Schutz der Kinder. Ich habe auch im Kulturbereich gearbeitet: Darstellende Kunst, Musik, Tanz, Theater.

Ihre Großeltern kamen aus dem Libanon. Haben Sie dadurch ein größeres Verständnis für Migration?
Ja, unbedingt. Das ist es auch, was die USA ausmacht. Wir sind ein Schmelztiegel der Nationen, unser Land hat Menschen aus anderen Ländern aufgenommen, daraus sind die Vereinigten Staaten entstanden. Eine Erfolgsgeschichte.

Die Ära Trump hat die Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt verändert. Es scheint so, als ob er seine Rückkehr in die Politik vorbereitet. Halten Sie das für möglich?
Präsident Biden war jetzt ein Jahr im Amt, ich konzentriere mich auf ihn und sein Programm.

Sie wollen die Frage zu Trump nicht beantworten?
Ich möchte keine Frage zu einer Präsidentschaftswahl in der Zukunft beantworten.

Wir hört sich der Name Trump für Sie an?
Er ist ein ehemaliger Präsident.

Hat er dem Ansehen der USA geschadet?
Diplomatisches Schweigen. Sie lächelt die Frage weg.

Die ganze Welt blickt derzeit auf die Ukraine. Ihr Außenminister war in Kiew und Genf. Fürchten Sie auch einen Krieg?
Ich möchte zuerst unsere dezidierte Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine unterstreichen. Diplomatie ist der einzige verantwortungsvolle Weg, um diese von Russland verursachte Krise zu lösen. Wir bleiben in enger und ständiger Kommunikation mit unseren Verbündeten und Partnern und unser Leitprinzip lautet: Nichts über Europa ohne Europa, nichts über die Ukraine ohne die Ukraine. Ich halte es also mit Außenminister Blinken, der sagte: „Es ist unsere große Hoffnung, dass wir die Lage auf einem diplomatischen und friedlichen Weg halten können.“

Haben Sie, als Sie beim Bundespräsidenten waren, eigentlich auch seinen Hund getroffen?
Nein, aber ich freue mich schon sehr darauf, „Juli“ bald kennenzulernen. Wie Sie wissen, ist mein Hund „Captain Courageous“ im November gestorben. Wir haben ihn „Cappy“ genannt.

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Mein Hund „Cappy“ war der Bruder von Obamas Hund. Er ist im November gestorben. Vielleicht wird mein nächster Hund sogar ein österreichischer Hund.

Victoria Reggie Kennedy

Der Bruder von Obamas Hund, richtig?
Genau. Es war das Geschenk meines verstorbenen Mannes und mir an Barack Obama, als er Präsident wurde. Obama hatte seinen beiden Töchtern ja im Fernsehen versprochen, dass sie einen Welpen bekommen würden. Wir haben „Bos“ ersten Geburtstag mit Barack Obama gemeinsam gefeiert. Der Chefkoch des Weißen Hauses hat eine Geburtstagstorte für „Bo“ gemacht. Es gibt ein Foto, wo ein Hund, von dem jeder dachte, dass es „Bo“ sei, auf den Tisch springt und die Torte frisst. Das war „Cappy“. Deshalb war es die letzte Geburtstagsparty, zu der er eingeladen wurde. - Lacht.

Werden Sie sich wieder einen Hund zulegen?
Ich hoffe es. Ich liebe Hunde. Vielleicht wird es sogar ein österreichischer Hund.

Zur Person: Sie ist die Witwe von Edward "Ted" Kennedy

Geboren am 26. Februar 1954 in Crowley, Louisiana (USA). Ihr Vater war Richter und Banker, ihre Mutter engagierte sich für die Demokraten. Die Großeltern stammen aus dem Libanon und waren Mitglieder der syrisch-maronitischen Kirche. Victoria Anne Reggie, wie sie vor der Hochzeit mit dem jüngeren Bruder von John F. Kennedy, Senator Edward Kennedy, hieß, arbeitete als Staranwältin und engagierte sich gegen Waffengewalt an Kindern und für Frauenrechte. 1997 machte Ted (gestorben 2009) sie zu seiner Beraterin. Aus ihrer ersten Ehe stammen zwei erwachsene Kinder.

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