Album „Imposter“

Dave Gahan huldigt seinen Kollegen und Idolen

Musik
11.11.2021 08:43

Schon vor der Pandemie hat sich Depeche-Mode-Frontmann Dave Gahan wieder mit seinen Soulsavers zusammengeschlossen und die dritte gemeinsame Platte gemacht. „Imposter“ besteht ausschließlich aus Cover-Versionen von Größen wie Bob Dylan, PJ Harvey, Neil Young oder Mark Lanegan, die sich der 59-Jährige mit seiner einzigartigen Stimme zu eigen macht. Im „Krone“-Interview erzählt er uns, wie es zu diesem feingliedrigen Werk gekommen ist.

(Bild: kmm)

Die Jubiläumsfeiern zum 40-Jährigen der ersten Depeche-Mode-Platte „Speak & Spell“ hätten wohl üppiger ausfallen sollen, als es aufgrund der leidigen Corona-Pandemie der Fall war. Für eine der weltgrößten Stadionbands ist es in Zeiten wie diesen unmöglich, mit einer üppigen und teuren Produktion um die Welt zu touren. Auch wenn sich immer mehr Konzerte und kleine Touren auftun, lässt sich eine Maschinerie wie jene von Depeche Mode natürlich nur dann tragen, wenn man wieder halbwegs sorgenfrei den ganzen Globus bereisen kann. Bis dahin wird - entgegen der Beteuerungen der Musiker - wohl an einer neuen Platte geschraubt oder man tobt sich halt anderweitig aus. Frontmann Dave Gahan hat sich im November 2019 schon vor dem Corona-Ausbruch mit seinem Soulsavers-Kompagnon Rich Machin zusammengetan, um ein neues gemeinsames Album zu produzieren.

Im Gegensatz zu den beiden Vorgängern „The Light The Dead See“ (2012) und „Angels & Ghosts“ (2015) handelt es sich dieses Mal aber nicht um Eigenkompositionen, sondern um Cover-Versionen von Künstlerinnen, die Dave und Rich auf die eine oder andere Weise beeinflusst und beeindruckt haben. Interessantes Detail dabei: gerade aus den 80ern, dem klassischen Jahrzehnt von Gahan und Depeche Mode, stammt kein einziger Track. Dafür veredelt der in New York wohnhafte Brite Songs von Mark Lanegan, Neil Young, PJ Harvey, Cat Power oder Bob Dylan mit seiner unvergleichbaren Stimme. Auf „Imposter“ interpretiert Gahan nicht nur seine Idole, er macht sich die Tracks zu eigen und beweist einmal mehr, dass er auch abseits der großen Weltbühnen mit Intimität glänzen kann. Die maritime Entspanntheit der Aufnahmen in Rick Rubins Shangri-La-Studios am Strand von Malibu hört man genauso heraus, wie die inbrünstige Leidenschaft, die Gahan in die Songs legt. Da lässt es sich gut und gerne noch etwas länger auf Depeche Mode warten…

„Krone“: Dave, du veröffentlichst mit den Soulsavers das Album „Imposter“, auf dem ihr insgesamt zwölf interessante und sehr diverse Cover-Versionen präsentiert. Wie kam das Projekt ins Rollen?
Dave Gahan:
Rich Machin, der Soulsavers-Chef, und ich haben Anfang 2019 erstmals darüber gesprochen. Wir wollten eigentlich ein Album mit eigenen Songs schreiben. Rich kam dann aber auf die Cover-Idee und so haben wir eine Liste zusammengestellt. Die Idee, dass Dave Gahan und die Soulsavers sich Sängerinnen und Songwriter aussuchen würde, die auf uns über all die Jahre einen großen Einfluss hatten, fand ich attraktiv. Die Liste war natürlich groß. (lacht) Mit manchen der Sänger und Songwriter haben sich die über die Jahre meine Wege gekreuzt. Wir haben hier Bob Dylan und Neil Young, Cat Power und PJ Harvey oder Mark Lanegan oder Gene Clark. Als wir die Liste auf 20 Songs herunterbrachen, habe ich daheim auf einem kleinen PA-System genauer in die Songs reingehört. Ganz für mich allein. Ich habe dann zu den Originalversionen gesungen und meine eigene Stimme dazu gefunden. Wir haben dann Gedanken zu den Arrangements, den Tempi und der Umsetzung ausgetauscht. Die Musiker der Soulsavers haben sich zusammengefunden und einmal lose an den Versionen gearbeitet.

Wir waren dann in Rick Rubins Shangri-La-Studios in Malibu, wo alle Musiker mit mir zusammenfanden, um die Songs als Band zu performen. Ricks Studio war gerade frei, weil er dort vier Wochen lang nichts zu tun hatte und ich entschied mich, dieses Album selbst zu finanzieren und die Studiozeit zu buchen. Alle beteiligten Musiker waren dabei und blieben für knapp einen Monat dort. Wir haben jeden Tag einen Song aufgenommen und alles im Bandkorsett gemacht. Ich habe live gesungen und die Band hat daneben alles eingespielt. Die Zeit im Studio hat sich natürlich und gut angefühlt. Wir haben etwa 15 Songs aufgenommen und mittendrin sind wir draufgekommen, dass der richtige Songablauf stimmen muss. Ich habe dann recht schnell entschieden, welche Tracks es schlussendlich aufs Album schaffen würden.

Ohne zu wissen, welche drei Songs du gestrichen hast, wirken die übriggebliebenen allesamt sehr poetisch, intim und emotional. Waren das die Grundpfeiler für „Imposter“?
Die Songs hatten alle einen besonderen Einfluss auf mich. Manche schon früher, andere später und alle auf unterschiedliche Art und Weise. Wir haben die Songs sehr vorsichtig gewählt, denn es war wichtig, dass die Stimme, die ich für jeden Song anwende, meine Position im Leben gut widerspiegelt. Ich musste mich entweder mit dem originalen Klang der Stimme oder dem Sentiment im Text oder der Melodie identifizieren können. Die Songs drehen sich um Vergebung, Wiedergutmachung, Zusammenhalt und Einsamkeit. „Smile“ wurde von unterschiedlichen Autoren geschrieben, aber vor allem von Charlie Chaplin. Er ist der ultimative „Imposter“, Hochstapler. Wir alle waren immer sehr bewegt von seiner Perfomance, seinem Ausdruck, seiner Verkleidung und seiner Fähigkeit, uns zum Lachen, zum Tanzen, zum Weinen und zum Staunen zu bringen. Die Magie war nicht in seiner Stimme, sie lag in seiner Körpersprache. In diesem Fall war sie in seiner lyrischen Sprache. Dann gibt es Leute wie Elvis Presley, die in ihrem Leben keinen einzigen Song schrieben, aber zu ihren Songs wurden. Keiner hat hinterfragt, ob Elvis die Songs selbst schrieb oder nicht. Es ist Elvis, und wir glauben ihm. Die größte Herausforderung war es, all diese großartigen Künstlerinnen und Künstler so klingen zu lassen, als ob sie zu mir gehören. Als ob ihre Songs genau auf mich passen. Deshalb auch „Imposter“.

Fühlst du dich als Hochstapler, weil du dich also dieser großen Songs bedienst und sie dir zu eigen machst?
Das ist der wortwörtliche Sinn dahinter, aber da gibt es noch viel mehr abstrakte Interpretationen. Ich fühle mich sehr wohl, wenn ich Songs von anderen Songwritern performe. Ich mache das auch schon seit vielen Jahren. Auf der Bühne fühlt es sich so an, als wären all die Songs zur gleichen Zeit im gleichen Raum. Man kreiert ein Gefühl einer ganz speziellen Reise. Wenn ich ein Album schreibe, habe ich dieses Gefühl auch. Ich will, dass die Leute diesen Weg mit mir gehen. Dass sie vielleicht manche ihrer eigenen Dämonen durch meine Interpretation dieser Songs bekämpfen können. Durch meine Stimme und meinen Glauben in diese Songs. Ich werfe mich voll und ganz in diese Lieder.

„A Man Needs A Maid“ von Neil Young ist ein besonders gutes Beispiel. Speziell natürlich auch deine Version von „Strange Religion“. Immerhin war Mark Lanegan jener Musiker, der vor dir als Sänger mit den Soulsavers zusammenarbeitete.
Es zeigt einfach sehr gut, wie gut tiefgründige und weitreichende Beziehungen zusammenarbeiten und -wachsen. Lanegans Stimme ist unglaublich. „Strange Religion“ ist ein Höhepunkt seines Albums „Bubblegum“ und PJ Harvey, die ich hier auch personifiziere, singt auf „Bubblegum“ eine Menge Backing Vocals. Über die Jahre haben wir alle eine Verbindung zueinander kreiert. Marks Stimme ist sehr selbstbewusst und er ist ein unglaublicher Sänger. Ich stelle ihn auf eine Stufe mit Johnny Cash, Neil Young oder Bob Dylan.

Für Metallicas „Blacklist“ hast du auch „Nothing Else Matters“ gecovert. War der Song ein Thema für „Imposter“?
Das Album war schon vor der Pandemie fertig und die Idee für „Nothing Else Matters“ wurde erst währenddessen an mich herangetragen. Auf unserer Liste hatten wir dafür den Song „Mother Of Earth“ des Gun Club. Für die Jeffrey-Lee-Pierce-Sessions habe ich den Song gesungen, aber der wird dann erst irgendwann 2022 herauskommen. Das Kuriose war, dass wir diesen Song für „Imposter“ überlegt haben, ihn dann doch nicht nahmen, er mir aber von anderer Seite wieder zugetragen wurde. Es gibt überall Querverbindungen und Querverstrebungen. Man muss einfach nur aus seiner Komfortzone heraustreten und diese Chancen annehmen. Die meisten fragen mich immer, wann ich endlich damit anfange ein neues Depeche-Mode-Album aufzunehmen. Natürlich könnte ich das, aber an diesem Punkt in meinem Leben strecke ich mich lieber in andere Richtungen aus. „Imposter“ war so eine Richtung. Eine neue Möglichkeit einer Musik, auf die ich irrsinnig stolz bin und die mich aus der Komfortzone riss. Es hat sich einfach von vorne bis hinten richtig angefühlt.

Ein Album wie „Imposter“ mit den Soulsavers zu machen bedeutet im Umkehrschluss ja auch nicht, dass du die Hände von der großen Maschinerie Depeche Mode nehmen musst…
Natürlich nicht. In einem anderen Interview wurde ich gefragt, wie ich von dieser intimen und persönlichen Platte, in der ich so viel Herz und Seele in Songs anderer stecke, zurück zu Depeche Mode gehen könnte. Aber warum sollte das nicht einfach so gehen? (lacht) Ich fühle keine Restriktionen und habe das Glück, dass ich in alle Richtungen schwimmen kann, ohne mich limitieren zu müssen.

Eine Bühne und Tour wie sie bei Depeche Mode für gewöhnlich üblich sind, lässt die Lage noch nicht zu. Vermisst du diese Gigantomanie schon etwas?
Wir alle müssen derzeit akzeptieren, dass wir gewisse Dinge in unserem Leben anders tun und anlegen müssen. Man muss sich der jeweiligen Situation anpassen. Mit „Imposter“ wollen wir ein paar Konzerte aufführen, aber immer, wenn wir uns was überlegt haben, gab es neue Hürden, die unsere Pläne vernichteten. Also denken wir wieder von vorne und das machen wir jetzt wieder. Es wird Shows geben, aber wir müssen schauen, wie es wirklich aussieht. Von Mitte November bis Ende Dezember wollen wir etwas zusammenstellen, das „Imposter“ auf einzigartige Art und Weise live widerspiegelt. Wichtig für mich ist, dass dieselben Musiker, die das Album gefertigt haben, mit mir auf der Bühne stehen werden.

War es eigentlich Absicht, dass sich keine einzige Coverversion der 80er-Jahre auf dem Album befindet? Das definierende Jahrzehnt für Depeche Mode und deine spätere Karriere.
Wirklich? Wann kam „The Desperate Kingdom Of Love“ von PJ Harvey raus?

Das muss 2004 gewesen sein.
Ach tatsächlich? (lacht) Ich dachte, der Track wäre schon viel älter. Es war jedenfalls kein Vorsatz, es ist einfach so passiert. Die Songs, die ihr auf dem Album hört, sind völlig natürlich darauf eingeprasselt.

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