Mit „Pikant“ auf Tour

Ankathie Koi: „Die unzähmbare Wildsau ist noch da“

Musik
24.04.2024 09:00

Fünf Jahre nach dem letzten Album „Prominent Libido“ erfreut uns Ankathie Koi dieser Tage mit ihrem neuen Werk „Pikant“. Im „Krone“-Interview verrät sie, wie die Mutterschaft ihr Leben verändert hat, warum sie im Harlekin-Kostüm auftritt und weshalb sie nun vorwiegend auf Deutsch singt.

(Bild: kmm)

Wem in der heimischen Musiklandschaft eine kräftige Portion Offensive und Exaltiertheit fehlt, der hat sich bislang noch nicht gut genug umgesehen. Die eigentlich aus Bayern stammende Wahlwienerin Ankathie Koi ist wortwörtlich das, was man eine „verrückte Henne“ nennt und praktiziert ihre Musik gewohntermaßen mit dem Energieausstoß einer mittelgroßen Kleinstadt. Ihre Solo-Karriere dauert mittlerweile genau zehn Jahre und nun veröffentlicht sie - unbewusst zum Jubiläum – ihr drittes Studioalbum „Pikant“, das sich mit seiner Mischung aus 80er-Partyvibes, grenzenloser Elektronik und dem nötigen Gespür für eine memorable Pop-Melodie wieder einmal perfekt in den bald wieder wärmer werdenden Frühling hineinschmiegt. Wobei sich zumindest die musikalische Zugangsweise auf dem aktuellen Werk wieder etwas gestrafft hat, wie sie uns im „Krone“-Talk erzählt.

Alles auf null gestellt
„Die 80er-Einflüsse sind natürlich noch immer da, aber nicht mehr so ausufernd. Beim letzten Album ,Prominent Libido‘ habe ich mehr auf die Stimmen und die Klänge geachtet und zu wenig darauf, was mit den Songs eigentlich passiert. Das Album gefällt mir noch immer sehr gut, aber viele Nummern waren live irrsinnig schwierig umzusetzen. Ich wollte wieder Popsongs mit klarer Struktur schreiben, die sich in die Gehörgänge reinwühlen.“ Der Drang nach musikalischer Leichtigkeit kam Koi während der langwierigen Corona-Pandemie. Die Künstlerin erlitt 2019 ein temporäres Burn-Out und habe zu Beginn der Pandemie erst einmal „zwei Wochen durchgeschlafen. Danach wurden die Konzerte abgesagt und verschoben und wir mussten kreativ werden.“ Koi kaufte sich eine 1984er-Ibanez-Jazzgitarre und entdeckte eine gediegene, „fancy“ Seite an sich selbst.

„Wir hatten für das neue Album auch schon andere Arbeitstitel“, lacht sie, „der allererste war ,Wütend steht dir gut‘, aber so wütend bin ich ja gar nicht. Dann dachten wir an ,Soviel Drama (steht dir nicht)‘, weil wir eine Zeit lang sehr jazzige Kompositionen spielten. Am Ende sind wir bei ,Parapikant‘ angelangt, wo es in meinem Team Einwürfe gab, dass das zu sehr nach ,Akte X‘ klingen würde. Dabei ist das doch die beste Serie!“ Den endgültigen Titel „Pikant“ könnte man als perfekt für die Person Ankathie Koi als auch ihre Musik ansehen. „Pikant ist angenehm scharf, tut aber nicht weh“, lacht sie, „das ist wie ein guter Aufstrich, aber nicht das arge Chicken Tikka Masala mit fünf verschiedenen Chilisorten.“ Die Würze befindet sich bei Ankathie Koi in der hierzulande selten verwendeten offensiven Zurschaustellung von Körperlichkeit und Texten, die sich seit jeher freizügig um Sexualität drehen und dabei der Scheinprüderie den Spiegel vorhalten.

Sich das Thema zu eigen machen
Songs wie „Tiefer“, „Amour Fou“, das auf zwei Teile aufgesplittete „Du bist heiß“ oder „Baby Boy“ lassen wenig Fragen offen. In letzterem Song vermittelt die Sängerin die Botschaft, dass es auch für reifere Frauen okay ist, Toyboys zu haben. „Ich wurde in einem Interview tatsächlich gefragt, ob ich Angst vor negativem Feedback hätte. Es gibt gefühlt 80.000 Sugar-Daddy-Songs mit widerlichen Texten, wo sich nackte Mädels auf Autos räkeln und die Typen dazu unterirdische Texte rappen – und das läuft sogar tagtäglich im Radio. Ich wollte dieses Thema auch behandeln, aber auf schön, ästhetisch und cool. In meinen Songs gibt es immer Konsens zwischen zwei Parteien, während Frauen im Gangsterrap objektifiziert und abgewertet werden. Mein ,Baby Boy‘ wird von mir gut behandelt.“

Für Koi waren die letzten Jahre auch mit persönlicher Veränderung verbunden. Vor drei Jahren wurde sie Mutter ihrer Tochter Olivia und stellte damit ihr gewohntes Leben deutlich um. „Die Tourneen 2018 und 2019 waren nicht nur hart, weil wir viel spielten und ich nebenbei arbeitete“, erinnert sie sich gut daran zurück, „sondern, weil wir wirklich hart unterwegs waren. Bei einer Tour hätten wir eigentlich überhaupt kein Hotelzimmer gebraucht, weil ich die nie von innen sah. Gesund war es nicht, aber lustig.“ Koi steht in einer zunehmend genormten Gesellschaft offensiv für den Exzess und die Zügellosigkeit – ohne dabei auf Verantwortung zu vergessen. „Heute muss ich ja nicht nur auf das Kind aufpassen, sondern auch auf mich selbst, damit ich auf das Kind aufpassen kann. Die ,unzähmbare Wildsau‘ gibt es aber schon noch. Sie fliegt jetzt halt nicht mehr bis frühmorgens durch die Lokale, sondern geht um 1.30 Uhr ins Bett, damit sie wenigstens ihre fünfeinhalb Stunden Schlaf kriegt. Ich gehe noch immer nicht als erste aus dem Backstage raus, aber auch nicht mehr als letzte.“

Hedonismus und Mutterrolle
Den Rock’n’Roll und die Mutterschaft unter einen Hut zu bringen bedurfte einer gewissen Adaptierung, die für Koi interessante Erkenntnisse nach sich zog. „Ich bin doch nicht so die supercoole Mama, als die ich mich immer gesehen habe. Am Spielplatz bin ich eher streng, während mein Mann Dominik oder andere Mütter mit ihren Kindern ziemlich tiefenentspannt sind. Auf der Bühne hatte ich noch nie Angst, deshalb sind meine Shows auch energetisch bis zum Umfallen. Mein Hedonismus hat immer zu viel guter Kunst und zu einer gewissen Kompromisslosigkeit geführt. Ob etwas gut ankommt oder nicht, war mir immer egal – ich ziehe mein Ding durch. In der Mutterrolle haben sich aber plötzlich Ängste aufgetan und jetzt bin ich noch in der Findungsphase zwischen Mama-Rockstar und Mama-Hubschrauber.“ Um dieses nebulöse Dasein zu verbildlichen, inszeniert sich Koi auf „Pikant“ in einem Harlekin-Kostüm, das sie dem Berliner Staatsballett entlehnt hat.

„Auch wenn im Pressetext Horrorclown steht und ich das so lustig fand, dass ich es drinnen gelassen habe: Der Harlekin hilft mir, um zwischen den Welten zu schweben. Außerdem fühle ich mich darin wohl, weil es viel bequemer ist als die Latexkostüme, die ich früher auf der Bühne getragen habe. Ich hatte Korsagen, da konnte ich mich nicht einmal mehr bücken. Die Musik ist ein Job, der Schweiß und Tränen mit sich bringt.“ Eine elementare Wandlung hat Ankathie Koi auch textlich vollzogen. Erstmals singt sie vornehmlich auf Deutsch und verwendet englische Begriffe nur mehr, wenn sie Teil des Alltagsgebrauchs sind oder den Reim vollenden. „Es war gar nicht so leicht, Ankathie Koi vom Englischen ins Deutsche zu holen. Ich mag Einfaches, aber nichts Banales. Ich mag Kitsch, aber kein Klischee. Die deutsche Sprache erlaubt es mir, manche Stellen auszusingen und das Konsonantenreiche ist sehr hart und perkussiv. So wirkt alles ein bisschen aggressiver und das passt teilweise sehr gut zu den Themen.“

Genetische Tauschgeschäfte
Begonnen hat die deutschsprachige Reise mit dem Song „Du bist heiß“, in der Single „Tiefer“ wird Koi dann auch wieder gewohnt expliziter. „Ich bin sehr gerne direkt, ohne zu direkt zu sein. Ich wollte in ,Tiefer‘ ganz banal eine Szene beschreiben, wie ich mir vorstelle, als Frau einen Mann zu penetrieren. Man sollte den Song auf sexueller und emotionaler Ebene lesen können. Ich glaube ja auch, dass es ganz viele Männer interessieren würde, für einen Tag eine Frau zu sein. Dieser genetische Wechsel sollte eigentlich in unserer DNA verankert sein, weil er wahrscheinlich das gegenseitige Verständnis immens fördern würde.“ Auf ihrer anstehenden Tour lädt die frischgebackene Mama wieder in eine Welt der Ausschweifung und des Eskapismus. Ein Gegenpol zu den nicht enden wollenden gesellschaftlichen Problemen und Schwierigkeiten der Gegenwart. „Ich wollte mich mit dem Album selbst von der Schwere der letzten Jahre befreien. Ich habe wieder Lust auf Disco.“

Live in ganz Österreich
Mit „Pikant“ geht Ankathie Koi jetzt auch auf große Österreich-Tour. Am 27. April ist sie im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses zu Gast, am 16. Mai im Festspielhaus St. Pölten, am 29. Mai in der ARGE Salzburg, am 30. Mai im Harder Kammgarn, am 31. Mai im Kino Ebensee, am 6. Juni im Linzer Posthof und am 20. Juli auf der Donaubühne in Tulln. Unter www.spoon-agency.at finden Sie alle Termine, Informationen und Kartenverkaufsmodalitäten für die Konzerte.

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