POMMERS FEIERABEND

Österreichs nächster Polit-TikTok-Superstar

Einen schönen Dienstagabend.

Wir Journalisten sind genauso, wie Filme uns immer darstellen: Kettenrauchende, unrasierte Whiskey-Trinker mit Hüten, die in Rostlauben von der Redaktion in die Bar fahren. Und als solcher kam ich gestern erst zu nachtschlafender Zeit nach Hause, also etwas nach 22 Uhr, um gerade noch zu sehen, wie Armin Wolf im Fernsehen zu Bumm-Bumm-Musik im Sitzen mit den Armen in der Gegend herumfuchtelte. Die von „Dancing Stars“ werden auch immer fauler, dachte ich, lag aber falsch, denn der ORF-Anchorman bewarb lediglich den neuen TikTok-Auftritt der Sendung. TikTok ist bei den Jungen der neue geile Scheiß, und alleine an dieser Formulierung erkennen Sie, dass ich längst nicht mehr zur Zielgruppe gehöre. Für alle, die das Portal nicht kennen: Auf einer App werden kurze Videos präsentiert, die keinen Sinn ergeben und sich von der Lebenszeit der Beobachter ernähren. Ich habe das selbst einmal ausprobiert. Meine ersten drei angebotenen Filmchen waren: Ein älterer Herr, der sich selbst mit Käsescheiben belegt. Ein anderer Mann, der das Wort Nutella rülpst. Und eine Frau, die eine Wiese föhnt. Zugegeben, das war nicht so meins, als Wiener verblüffen einen solche Szenen auch nicht weiter.

Aber viele Politiker lieben TikTok und das durchwegs junge Publikum dort. Sebastian Kurz etwa ist vertreten, für einen Schattenkanzler überraschend gut ausgeleuchtet. In einem Video wird er gefragt: „Was ist Ihr Lieblingsessen?“ Und so erfahren wir, dass Kurz eigentlich alles gerne isst, quer durch, sagt er, und endlich lernen wir jemanden kennen, der auch bei Kuttelsuppe mit Herz nicht das Gesicht verzieht, oder bei peruanischem Meerschweinchen mit Soßenmischung. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat ebenfalls ein Profil, er erklärt: „Ich habe dieselben Maße wie Mike Tyson. Nur anders verteilt.“ Der Vergleich überrascht wenig. Dass auch Politiker einem gerne ein Ohr abkauen, ist bekannt. Selbst dieses Video ist putzig: Ex-FPÖ-Chef Norbert Hofer kuschelt mit einem Huhn (lebend, nicht gebacken).

Trotzdem werden viele Charaktere der österreichischen Innenpolitik schmerzlich vermisst. Etwa Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka als Comedy-TikToker, der auf der Straße wahllos Passanten anschreit. Ein Hit wären auch Marathonvideos von Arbeitsminister Martin Kocher, die zeigen, wie er vor seiner politischen Glaubwürdigkeit davonläuft - oder zu ihr hin, ich will hier nicht immer nur gemein sein. Es gibt keine Notwendigkeit mehr, aber Videos von Heinz Faßmann und Herbert Kickl bei gemeinsamen Pressekonferenzen könnte ich mir stundenlang anschauen. Politisch ist also noch Luft nach oben, was jetzt keine Anspielung auf das Faßmann-Kickl-Beispiel sein sollte, gemeint ist natürlich die Videoplattform.

Auf krone.at und in der Wien-„Krone“ berichten wir über eine Spinnenplage in einem Wiener Gemeindebau, der von außen durch die Spinnweben aussieht wie ein riesiges Halloween-Horrorhaus. Noch gruseliger geht es aber in dem Bau zu, in dem Peter Pilz wohnt. Das müssen Sie sich vorstellen: In einem generalstabsmäßig geplanten Coup haben unbekannte Täter sein Postfach aufgebrochen. Pilz wittert eine Verschwörung, in den sozialen Medien werden hochrangige Politiker verdächtigt. Aber ich kann beruhigen, viele der Genannten haben noch nie einen Gemeindebau von innen gesehen.

Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.

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