Ideen für die Zukunft

So verändern Wiener Unternehmen die Landwirtschaft

Klima
12.10.2021 06:00

Die Zukunft gestalten wir: Die „Krone“ widmet sich jetzt intensiv der Frage, wie wir unsere Zukunft besser gestalten können. Heute werfen wir dazu einen Blick auf Start-ups und junge Unternehmen aus Wien, die mit ihren Ideen die Landwirtschaft verändern (wollen).

So konnten unter dem Motto „Innovation in der Landwirtschaft“ allein in Wien neue Unternehmen aus dem Boden sprießen, die bereits an der Umsetzung ihres Beitrags zu einer besseren Zukunft arbeiten. Andere wiederum schlagen jetzt als Start-ups in der Bundeshauptstadt ihre ersten zarten Wurzeln.

Insbesondere Bakterien und Pilze haben ein großes Potenzial unsere Nahrungsmittelerzeugung nachhaltiger zu machen, ist der Geschäftsführer von Evologic, Wieland Reichelt, überzeugt. Sein in Wien-Liesing angesiedeltes Unternehmen (ein aus der Forschungsgruppe Bioprozesstechnik an der TU Wien entwachsenes Spinoff, also auf Deutsch ein Ableger), hat es sich zu Aufgabe gemacht, industrielle Herstellungsverfahren für Bakterien und Pilze zu entwickeln.

Einsatz von chemischen Mitteln reduzieren
Das Ziel: „Die Pilze und Bakterien, an denen wir arbeiten, werden es dem Bauern ermöglichen, den Einsatz von chemischen Herbiziden, Insektiziden aber auch Düngemitteln zu reduzieren“, sagt Reichelt. Denn Bauern würden sich hohem Preisdruck in Verbindung mit einem zunehmenden Anspruch auf nachhaltige Produktionsmethoden ausgesetzt sehen, gibt Reichelt zu bedenken. Evologic adressiere hier „einerseits den wirtschaftlichen Aspekt, andererseits aber auch den praktischen in dem wir z.B. die Haltbarkeit der Produkte verlängern.“

Welche Auswirkungen hat das auf Landwirte, Tier, Konsumenten? Segen und Fluch der chemischen Pestizide/Düngemittel ist deren Stabilität. Das mache zwar laut Reichelt einerseits die Anwendung leicht für den Landwirt, sorge aber auch dafür, dass Rückstände für lange Zeitraum in unserer Umwelt bleiben. Weshalb Zulassungen für eine Vielzahl von diesen Produkten europaweit nicht mehr verlängert werden. „Biologische Einsatzmittel sind hingegen recht sensibel, Bakterien oder Pilze verlieren schnell an Viabilität, wenn die Umweltbedingungen nicht passen“, erklärt der Evologic-Geschäftsführer.

Auch Konsumenten profitieren langfristig
„Unsere Arbeit wird dem Bauern neue Werkzeuge an die Hand geben um z.B. verbotene Chemikalien zu ersetzen und grundlegend nachhaltiger zu produzieren. Aber auch Konsumenten werden langfristig davon profitieren, dass sich weniger Rückstände auf unseren Lebensmitteln befinden und das Ökosystem etwas weniger durch uns alle belastet wird“, ist Reichelt überzeugt. Um das zu erreichen, würde Evologic „gerne schneller wachsen, sind aber insbesondere durch Platz und Strom limitiert. In den letzten fünf Jahren sind wir im Schnitt einmal pro Jahr umgezogen“.

Ein Start-up aus Wien, das ebenfalls großes Potenzial hat, die Landwirtschaft - und zugleich auch die Bauwirtschaft - nachhaltig zu verändern, ist Hempstatic. Das Unternehmen mit Sitz in Wien-Neubau stellt Dämmstoffe aus regionalen nachhaltigen Ressourcen her. Hauptbestandteile: Qualitativ hochwertige Agrarrückstände aus dem Hanfanbau. Es sind Materialien mit „kreislauffähigem Materialverhalten“, die also nach ihrer Nutzungsdauer entweder wiederverwendet oder wiederverwertet werden, erklärt Geschäftsführerin Elena Yaneva.

„Mit der Fähigkeit, die wesentlichen Bestandteile, die zur Herstellung benötigt werden, regional anschaffen zu können, eröffnen sich neue lokale/regionale Lieferketten“, sagt Yaneva. Die erste Produktlinie ist den Bereichen Akustik und Schallschutz im Innenraum gewidmet, nächster Meilenstein für die Zukunft sei es, das Angebot auch um Wärmedämmstoffe zu erweitern. Wie verändert Hempstatic dabei die Landwirtschaft? „In der Landwirtschaft könnte die Idee zur Wiederbelebung der Hanfanbau- und Verarbeitungsinfrastruktur beitragen“, so die Unternehmerin. Das Hauptargument für Hanf: Es erfordert keine chemische Behandlung beim Anbau, entspricht somit „echter Bioanbauweise“, betont Yaneva.

Innovation für Bau- und Landwirtschaft
Hanf gehöre zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen überhaupt und wird meistens für Lebensmittel oder medizinische Anwendungen angebaut. „Nicht alle wissen, dass man die Hanfschäben wegen ihren einzigartigen bauphysikalischen Eigenschaften sehr gut in der Baubranche einsetzen kann“, erklärt die Hempstatic-Geschäftsführerin. Hanfschäben sind, unabhängig vom Anbauzweck, ein Nebenprodukt der Hanfstängel bei der Ernte. Sie besitzen höchst interessante Stoffeigenschaften und sind Hempstatic zufolge „die perfekten Bioaggregate für unsere Rezepturen“. Bonus: Die Hanfpflanze bindet während ihrem Wachstum CO2 in sich, bei der Verarbeitung bleibt dieses CO2 drinnen, und somit ist es gut und nachhaltig für die Umwelt.

In Wien-Neubau hofft man jedenfalls, dass mit größerer Nachfrage nach regionalem Hanf auch die veraltete, regionale Infrastruktur verbessert wird. Yaneva: „Um Hanfanbau für die Landwirte attraktiv zu machen, braucht es konkrete Verbesserungen bei der Liefer- und aber auch der Verarbeitungskette und klar gesetzte realistischen Ziele“. Das Wiener Unternehmen arbeitet mit den Profis von Hanfland, einem Lebensmittelhanferzeuger aus Niederösterreich, zusammen. „Sie bereichern uns mit ihren wertvollen Erfahrungen und verschaffen uns eine aktuelle Marktübersicht aus erster Hand“, wofür man sehr dankbar sei.

Das Wiener Start-up ist überzeugt vom großen Potenzial seiner Idee auch in Österreich. Denn Hanf sei in der Baubranche „global wachsend, die US-amerikanischen und französischen modernen Spinoffs sind ein guter Beweis dafür“. Dass es damit parallel zur Bauwirtschaft auch noch zur Innovation in der Landwirtschaft beiträgt, macht Hempstatic natürlich in zweifacher Hinsicht interessant. Und es gibt noch viele weitere, spannende Unternehmen aus Wien, die dazu beitragen (wollen), unsere Zukunft besser - und vor allem nachhaltiger - zu gestalten.

Gurkenhauptstadt und Paradeiserkaiser
Wussten Sie übrigens mit Blick auf die Landwirtschaft, dass Wien österreichweite „Gurkenhauptstadt und sogar Paradeiserkaiser“ ist (siehe auch Grafik unten). Das geht aus den jüngsten Statistiken der Stadt Wien, „Wien in Zahlen 2021“, hervor. Demnach führt, kaum zu glauben, Wien österreichweit bei der Produktion einiger Gemüsesorten.

Anders hingegen die Situation bei den landwirtschaftlichen Nutztieren: Der Viehbestand in Wien geht stetig zurück. Wurden 1960 noch 2962 Rinder und 13018 Schweine gezählt, sind es heute nur noch ein paar Hundert Tiere.

Gemeinsam mit Ihnen, liebe Leser, will die „Krone“ unsere Heimat Österreich für alle nachhaltiger gestalten - alle Storys zum Thema finden Sie auf krone.at/zukunft.

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