„Krone“-Interview

Bernhard Speer: „Ich will mit dem Song berühren“

Musik
09.09.2021 06:00

Wie Kumpel Christopher Seiler befindet sich auch Bernhard Speer auf Solopfaden. Mit der Single „Weg vo do“ greift der Künstler auf ein persönliches und emotionales Thema zurück und zeigt völlig neue Facetten von sich und seiner musikalischen Vision. Im großen „Krone“-Talk sprach Speer auch über die zwei großen Seiler-und-Speer-Konzerte, seinen geplanten Late-Night-Talk und wieso man am stillen Örtchen oft die besten Ideen hat.

(Bild: kmm)

So ein schweißtreibendes „Wohnzimmer-Konzert“ wie gestern Abend wird es von Seiler und Speer in Zukunft wohl eher nicht mehr oft geben. Die Wiener Szene kochte bei nur rund 300 Begeisterten über und lieferte für die treuesten und innigsten Fans einen Vorgeschmack für die doppelte Rückkehr auf die ganz großen Bühnen - nämlich diesen Samstag, 11. September, beim Nova Rock Encore in Wiener Neustadt und am 19. September als Headliner beim renommierten Wiener Donauinselfest. Nach den Monaten voller Lockdowns und Restriktionen ist es auch für die zwei Austropop-Helden alles andere als ein Normalzustand. „Ich bin generell sehr aufgeregt, aber die zwei Gigs werden besonders arg“, freut sich Bernhard Speer auf die Shows, „ich weiß jetzt noch nicht, ob ich mir vorher vier Spritzer reinhauen muss oder gar keinen. Der Moment wird einem erst so richtig gewahr, wenn man auf der Bühne steht und die Leute einem entgegengrölen. Wir werden das schon schupfen.“

Kein Abwarten mehr möglich
Davon kann man ausgehen, doch abseits der großen Bandmaschinerie haben sich die beiden Buddys in letzter Zeit um eigene Projekte gekümmert. So zeigt sich Christopher Seiler Ende Juli mit seiner Single „Lights Down“ in einem neuen, orchestral-bombastischen Soundgewand, doch auch Speer hat die Lockdowns dazu genutzt, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Wobei da schon fast ein Jahr vergehen musste, bis es wirklich so weit war. „Ich bin erst zu Silvester in die Gänge gekommen. Ich habe mich und mein Tun hinterfragt. Konzerte wurden bereits mehrmals abgesagt und verschoben, die Inzidenzzahlen stiegen, andere Virusmutationen grassierten. Was macht man da? Nur mehr abwarten geht auch nicht.“ Die ersten neun Covid-Monate betrachtete Speer von einer gemütlichen Seite. „Wenn man als Künstler dauernd nur unterwegs ist und Termine hat, ist so eine Zwangspause sehr angenehm. Ich habe mich ein bisschen gehen lassen, aber das geht nicht lange gut.“

Die erste Solo-Single „Weg vo do“ hat mit den klamaukigen Hits seiner Hauptbands nichts zu tun. Es ist ein sehr intimer und berührender Song über das Loslassen eines geliebten Menschen und das Weglaufen, das ein Teil der Problembewältigung sein kann. „Der Song ist mir ein besonderes Anliegen. Ich musste ihn selbst singen, weil es um eine Person geht, die mir nahesteht. Ich habe das schon oft erlebt und werde es leider noch öfters erleben, dass jemand Geliebtes geht. Es geht im Großen und Ganzen darum, sich von einem Menschen zu verabschieden und den letzten Weg mit ihm zu gehen. Es klingt immer so klischeehaft, aber Musik ist für mich eine Therapie. Nicht nur meine eigene, sondern auch die, die ich als Fan höre.“ Das Video wurde zu Teilen bei Sonnenuntergang auf dem Hubschrauberlandeplatz des ÖAMTC in Erdberg gedreht, wo wir auch unser Gespräch führen. „Ich will mit dem Song und dem Video berühren. Bei einer kleinen internen Video-Release-Party habe ich den Track meinen engsten Leuten vorgestellt und dabei flossen die Tränen.“

Die Familie bleibt
Musikalisch als auch inhaltlich ist der Sound auf „Weg vo do“ eine klare Abkehr von Seiler und Speer. Band und Umfeld für das neue Projekt Herr Speer rekrutieren sich aber schon vom „großen Erfolgsbruder“. „Die Familie bleibt immer dieselbe. Daniel Fellner hat wieder produziert, seine Freundin Lisa singt neben mir die schöne Stimme und mein Cousin ist am Bass zu hören. Einen Banjo-Spieler habe ich leider nicht gefunden, weshalb ich in die ,Klangfarbe‘ fahren, mir eines kaufen und es mir selbst beibringen musste.“ Trotz all der ernsthaften Hintergründe bleibt bei Speer genug Spaß für den humoristischen Aspekt. „Das Riff des Songs entstand tatsächlich am Heisl“, lacht er, „bei mir daheim steht in jeder Ecke eine Gitarre herum, eben auch am Klo.“ Erzwingen lässt sich die Kreativität aber nicht. „Mich muss schon die Muse küssen. Manchmal kann man es aber forcieren, wenn man sich ein Glas Wein einschenkt und dann gemütlich zur Gitarre oder zum Piano geht. Da entstehen immer wieder sehr schöne Sachen.“

Angst vor übertriebener Schwermütigkeit müssen die Speer-Fans keine haben, denn die Ausrichtung seines Soloprojekts lässt viel Raum offen. „Ich habe schon einige weitere Songs in petto und es wird nicht immer so schwer und ernst weitergehen. Warten wir mal ab.“ Ein Album ist zum jetzigen Zeitpunkt ebenso wenig eingeplant wie Livekonzerte im Solo-Rahmen - vorstellbar ist für Speer aber beides. „Ich will mir nur keinen Druck machen. Für das erste Album hast du ein Leben lang Zeit. Entwickeln wir einmal einen Song nach dem anderen und dann ergibt sich sicher was.“ Nach dieser Verfahrensweise haben einst auch Seiler und Speer begonnen, bis die Musikindustrie aufgrund des Riesenerfolgs aufs Gaspedal drückte. „Ich will die Songs keinesfalls schlechtreden, aber wir wurden schon mal so gestresst, dass dann tolle Singles zu hören sind und so einiges Halbherziges dazukam. Das wird es bei Herr Speer nicht geben.“

Mit sich im Reinen
Sich und seine Mitstreiter sieht der Niederösterreicher als „Gentleman’s Club“. „Viele glauben jetzt, der Speerli ist erwachsen geworden und glaubt, er kann auf Gentleman machen“, lacht der Künstler, „erwachsen bin ich nicht geworden. Es gibt jetzt einfach eine Facette mehr von mir, aber das Ganze ist überhaupt nicht so genau durchdacht.“ Bernhard Speer und Christopher Seiler haben sich ihre jeweiligen Soloideen bewusst nicht aktiv zugänglich gemacht. „Das würde für mich ein bisschen wie nach Rechenschaft ablegen klingen und das wollten wir nicht. Natürlich interessieren wir uns für unsere Nummern, aber da macht jetzt jeder das, was er für richtig hält.“ Allzu persönlich sollen weiter Songs vom Herrn Speer nicht ausfallen. „Es muss sich jeder damit identifizieren können. Die Geschichte mit meinem Unfall habe ich so oft reflektiert, dass ich und meine Leute damit im Reinen sind. Man muss gewisse Dinge im Leben besser machen und das habe ich mir, meiner Familie und meinen Kindern mittlerweile stark bewiesen.“

Anstatt sich von den Dämonen der Vergangenheit einzulullen, sieht Bernhard Speer lieber in die Zukunft. Nach dem ersten Solosong, anstehenden Livekonzerten mit Seiler und Speer und der fix abgedrehten fünften Staffel von „Horvathslos“ plant der umtriebige Musiker nun auch ein Late-Night-Format, das bestenfalls schon diesen Spätherbst starten soll. „Bei mir daheim gab es einen freien Raum, den ich während der Corona-Monate umgebaut habe. Es gibt eine Bühne, tolles Licht und einen Schreibtisch. Jimmy Fallon und James Corden haben mich schon immer fasziniert und ich will mit Gästen reden und musikalische Einlagen einflechten. Das können Künstler und Politiker sein, aber auch ein verrückter Käseverkäufer aus der Steiermark. Ich bin aus tiefstem Herzen Musiker, aber die Unterhaltung liegt mir sehr stark am Herzen.“ Die Gästeanfragen sind raus, die Pilotfolge quasi abgedreht. Bleibt nur die Frage, wo man das Format sehen wird? „Am liebsten wäre mir Amazon. Die stehen für Qualität und man kann zeitunabhängig streamen. Wenn’s keiner will, dann hauen wir es halt auf YouTube raus.“ Und das nächste Seiler-und-Speer-Album sollte ja auch bald gemacht werden…

Seiler und Speer live
Vorher sind Seiler und Speer aber noch am 11. September beim Nova Rock Encore im Stadion Wiener Neustadt (Tickets unter www.oeticket.com) und am 19. September auf dem Donauinselfest in Wien zu Gast. Soits lebn!

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