Lokalaugenschein

Semmering: Der Glanz alter Zeiten kommt zurück

Steiermark
29.08.2021 07:00

Lange hat der Semmering mit seinen Villen und Grandhotels geschlummert. Nun ist die große Auferstehung so nahe wie noch nie. Ein Lokalaugenschein.

In dem verfallenen Hallenbad schwamm Sigmund Freud Längen. Vor dem vergilbten Spiegel puderte Alma Mahler ihre Nase. Im prächtigen Saal aßen Stefan Zweig und Gerhart Hauptmann zu Abend. Und im Salon plauschte Arthur Schnitzler mit Kollegen.

Dass diese Berühmtheiten der Wiener Moderne im legendären Südbahnhotel am Semmering nächtigten, ist belegt. Der Rest ist natürlich Vermutung. Nachdem die Semmering-Bahn als erste Gebirgseisenbahn der Welt 1854 fertig gestellt wurde, entdeckte das Wiener Bürgertum um 1900 den quasi über Nacht entstandenen Kurort für sich.

Wolfgang Kos setzt sich seit den 80er-Jahren mit der Gegend auseinander. Kürzlich hat er sein neues Buch „Der Semmering“ veröffentlicht. Was ist passiert in den letzten hundert Jahren? Wie wurde der exzentrischste Urlaubsort der Monarchie zu einer Kolonie von Ruinen? „Zwei Drittel der Besucher und Eigentümer waren Juden“, erklärt er. „Als sie 1938 vertrieben wurden, starb die Seele des Semmerings.“ In den 60er-Jahren dann war der Berg genauso aus der Mode gekommen wie das Reisen mit der Bahn. „Es konnte ja jeder mit dem Auto an die Adria fahren.“

Neue Projekte beleben den Semmering
Mittlerweile sind alle drei Grandhotels – das Südbahnhotel, das Panhans und das Kurhaus – geschlossen. Aber die Renaissance hat bereits begonnen. Kürzlich hat der Grazer Hotelier Florian Weitzer das Kurhaus erworben und will es als Grand Semmering wieder auferstehen lassen. „Der Klimawandel kommt dem Ort zu Gute, weil man hier von den Hitzepolen Wien und Graz flüchten kann. Das Bahnfahren ist für die Jungen wieder attraktiv“, sagt Wolfgang Kos. Und wenn der Tunnel 2028 endlich durch ist, wird die Semmeringbahn eine große Attraktion werden.

Was hier alles möglich ist, hat Florian Krumpöck in den vergangenen sechs Jahren erlebt. 2015, im ersten Jahr für den Kultursommer Semmering, verkaufte der Intendant 4000 Karten. Heuer sind es 14.500. „Die Kultur ist die Keimzelle für die Region. 2015 war hier alles tot – anders kann man es nicht sagen“, erzählt er, in einem denkmalgeschützten Polstersessel im Südbahnhotel sitzend. Krumpöck, seines Zeichens Pianist, Dirigent und Schwärmer für die Wiener Moderne, will mit dem Kultursommer an goldene Zeiten anknüpfen.

Die Zukunft des Südbahnhotels sieht er als Kulturstätte. Ausstellungen, Lesungen, Konzerte – sogar das Kino im Keller will er wiederbeleben. „Ohne, dass der morbide Charme verloren geht.“ Damit das touristisch funktioniert, braucht es aber mehr Hotelbetten.

Skepsis nach Panhans-Übernahme durch Investor
Zum Beispiel im Panhans. Nicht ohne Skepsis der Einheimischen erstand 2012 ein ukrainischer Investor das Hotel. Es liegt noch fast auf der steirischen Seite des Semmerings. 2017 musste man schließen - „aus technischen Gründen“, sagt Geschäftsführer Nazar Nydza.

Seitdem wird renoviert. Die Fresken auf der Decke der Eingangshalle des Grandhotels erstrahlen im neuen Glanz, der zweistöckige Saal mit rundem Grundriss lässt den Glamour vergangener Zeiten erahnen. Aber die Betten in den Zimmern schlummern unter Plastikfolie. „Die Zahlen sagen, dass der Betrieb funktionieren kann“, sagt Nydza – aber nur mit einem modernen Zubau. „Wellnessbereich und Schwimmbad wären dann auf der anderen Straßenseite.“ Der Umwidmungsprozess soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Fremdeln die Steirer mit dem Berg?
Von steirischer Seite wurde der mondäne Kurort am Berg schon immer mit Skepsis beäugt. „Die Steirer fremdeln noch heute mit dem Semmering“, sagt Buchautor Kos. Anders sieht das Maria Fischer. Sie ist Vizebürgermeisterin von Spital am Semmering. Ende August hat es hier schon seit einer Woche um die zehn Grad. „Wenn oben viel los ist, ist unten viel los“ – solange sich keine „Spekulanten“ bedienen. Der Tourismus, vor allem im Winter, ist in der Gemeinde ein wichtiger Arbeitgeber. Und der Tunnel wird mehr Gäste bringen, ist sie überzeugt.

Buchtipp: „Der Semmering. Eine exzentrische Landschaft“ von Wolfgang Kos mit vielen alten Bildern ist bei Residenz erschienen (384 Seiten, 34 Euro).

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