Auf Stimmenfang

War Kickl die richtige Wahl? Die FPÖ am Scheideweg

Politik
22.08.2021 13:00

2017 war für die FPÖ alles himmelbau. In der Nationalratswahl wurde sie von fast 1,32 Millionen Menschen gewählt und zur Regierungspartei. 2019 gab es nur knapp über 770.000 Stimmen. Man verlor rund 550.000 Wähler! Von EU-ropa über die Steiermark und Vorarlberg bis nach Wien gab es weitere Wahldebakel. 2021 steht die Partei am Scheideweg zwischen Wiederaufschwung und Verbleib als mittelkleine Opposition.

1. Die Misere begann mit dem Ibiza-Auftritt von Heinz-Christian Strache. Danach folgte die Affäre rund um üppige Spesengelder für ihn. Abgewanderte Wähler empfanden das als Lebensstil eines Großfürsten, der aus Parteiförderungen mit dem Geldbörserl des Steuerzahlers finanziert wurde. Ach ja, und Strache wollte die „Krone“ kapern, um statt unabhängigen Journalisten willige Parteischreiberlinge einzusetzen.

2. Doch auch nach Straches Rauswurf und wüsten Klagsdrohungen - was wurde aus dem Streit um Hunderttausende Euro für Facebookseite und Spesenersatz? -, war Norbert Hofer bloß eine Übergangslösung. Nahezu vom ersten Tag seiner Amtszeit als Parteichef an hat sich die Doppelspitze mit Herbert Kickl als Klubobmann im Nationalrat nicht bewährt. Die Debatte, wer der bessere Chef wäre, war ständig da. So gesehen war der Rückzug Hofers sicher besser als gar keine Lösung.

3. Doch bringt Kickl der FPÖ wirklich den Erfolg zurück? Das können natürlich nicht kicklsche Fans beurteilen. Die beklatschen sowieso johlend alles, was er sagt. Es geht vielmehr um zwei Zielgruppen: 258.000 Wähler, die 2019 zur ÖVP von Sebastian Kurz abmarschierten. Hinzu kommen 235.000 Österreicher, die lieber Nichtwähler wurden als nochmals für die FPÖ zu sein.

4. Wer freilich vor nicht allzu langer Zeit FPÖ gewählt hat, kann zurückgeholt werden. Eh klar, aber wie? Kickl steht anders als Hofer für Fundamentalopposition. Was immer die Regierung tut, wird mit dem sprachlichen Dreschflegel kritisiert: Kurz & Co. würden wahnwitzig und demokratiezerstörend handeln. Der Bundespräsident wird gar als Klimadiktator bezeichnet, was immer das genau sein mag.

5. Funktioniert die Strategie der FPÖ, einfach jedem die mieseste Politik und bösesten Absichten zu unterstellen, der nicht bei drei auf den Bäumen ist? Müsste die Partei nicht stattdessen vermitteln, von A wie Außenpolitik - Stichwort Afghanistan -, B wie Bildung, C wie Coronapandemie bis Z wie Zuwanderung wirklich kompetenter zu sein? Wenn hartgesottene Stammwähler voller Rachegedanken an der ÖVP sich an Beschimpfungen aufgeilen, verschrecken nicht rechtsrechte Kampfslogans wie „Impfpropaganda“ und „Ausländer raus!“ gemäßigte Wechselwähler?

6. Nein. Mittelfristig genügt es problemorientiert zu sein, ohne machbare Lösungen anzubieten. Dazu ein Beispiel: Gesunder Hausverstand und Bewegung an der frischen Luft als Ideen zur Pandemiebekämpfung - so eine Presseaussendung der FPÖ - sind ein inhaltliches Armutszeugnis. Wer das für ausreichend hält, müsste ein echter Coronaleugner sein. Fanatiker und Verschwörungstheoretiker freilich nimmt die FPÖ bloß im Vorbeigehen mit. Ohne dass die Betroffenen merken, reines Stimmvieh zu sein.

7. Aussichtsreicher für die FPÖ ist das Fischen im Teich jener, die die Coronapolitik der Regierung für fehlerhaft und widersprüchlich und so weiter und so fort halten. Da ist was dran. Der Vorwurf „Das ist ein Problem!“ findet unter verängstigten und verunsicherten Leuten breite Zustimmung. Weil in schwierigen Zeiten wie diesen oft keiner weiß, was am besten ist, lassen Politiker der FPÖ allzu konkrete Lösungsvorschläge lieber ganz weg. Der Haken ist, dass sich Kickl mit all dem als möglicher Regierungspartner ins Abseits stellt und womöglich seine Parteileute in Sippenhaft mitnimmt.

8. Die nächste Wahl findet am 26. September statt. Da wählen die Oberösterreicher ihren Landtag. Die FPÖ wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nach einem Rekordergebnis von 30 Prozent im Jahr 2015 - zahlreiche Stimmen und Mandate verlieren. Das wissen sowohl der Landes- als auch sein Bundesparteichef. Doch können beide, Manfred Haimbuchner und Kickl, damit gut leben.

9. Weil nämlich im Vorjahr in Wien die Blauen bei fast gleicher Ausgangslage mehr als gevierteilt wurden. Rechnerisch vom Wahlergebnis her im wörtlichen Sinn. Diesmal wird es nach allen Umfragen nicht annähernd so schlimm kommen. Also werden Haimbuchner, Kickl & Co. versuchen, die Begrenzung ihrer Verluste als Riesenerfolg zu verkaufen.

10. Der Elchtest für die FPÖ jedoch beginnt am Tag nach dem Wahltag. Es entscheidet sich, ob man die Regierungsverhandlungen gewinnt oder kläglich scheitert. Bleiben die oberösterreichischen Freiheitlichen im Bundesland Partner der Landeshauptmannpartei ÖVP? Oder entscheidet sich Thomas Stelzer für eine Zusammenarbeit mit SPÖ oder Grünen, weil er mit Kickl nicht einmal indirekt etwas zu tun haben will?

Herbert Kickl, Bundesparteiobmann der FPÖ, ist am Montag Gast in den traditionellen Sommergesprächen des ORF mit den Chefs der Parlamentsparteien. Deren Auftritte bei Lou Lorenz-Dittlbacher werden anschließend immer von Peter Filzmaier in der „ZiB 2“ analysiert. Parallel zu den Gesprächen gibt es wie jeden Sommer eine fünfteilige „Krone“-Serie zur Lage der jeweiligen Partei.

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