Von Hetz zur Hetze

Thomas Maurer brilliert in “Out of the dark”

Wien
02.03.2011 09:15
Die "nostalgische, kleine Zeitreise", das "nagelneue Best-of mit lauter altem Scheiß", in dem Thomas Maurer einen "Blick zurück auf 22 wunderbare, erfüllte Bühnenjahre im Dienste seiner geliebten Fans" wirft, hat sich am Dienstagabend bei der Premiere im neuen Wiener Stadtsaal als ein fulminanter, aktueller, Denk- und Lachmuskeln gleichermaßen herausfordernder Kabarettabend der Sonderklasse entpuppt. "Out of the dark" ist kein Aufwärmen alter Schmähs, sondern eine zunächst elegante, schließlich sogar brisante Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer ganzen Generation.

Kürzlich hat Alfred Dorfer mit "bisjetzt" ebenfalls den Versuch unternommen, aus Highlights alter Programme etwas eigenständiges Neues zu kreieren. Warum geht "Out of the dark" um so vieles besser auf? Zum Beispiel, weil der kleine Trailer aus Ausschnitten eigener Bühnenauftritte, mit dem sich Maurer  zu Beginn des Programms im Stadtsaal ins Jahr 1988 zurückspult, nur der Auftakt einer gründlichen multimedialen Vorarbeit ist. Nicht nur viele Kabarettkollegen, sondern sogar John Cleese und der Bundespräsident dienen als Laudatoren und wünschen dem "lieben Thomas" alles erdenklich Gute.

Während man bei Fischer noch rätselt, ob nicht doch die bewährten "Drübersprecher" von maschek mit im Spiel waren, hat sich die "Was gibt es Neues?"-Rateriege ebenso wie Barbara Rett, Autor Daniel Kehlmann und ZiB-Moderator Armin Wolf leibhaftig zum Drehen kleiner, brüllend komischer Hoppala-Szenen mit Maurer bereiterklärt, die Karriere-Ausrutscher des Kabarettisten belegen sollen.

Angeschlagener beweist Power und Punch
Denn, nächster Unterschied: "Out of the dark" verfügt über einen überzeugenden Plot. Der einstige Star wagt nach Alkohol-, Drogen- und Partnerschaftsproblemen einen Neuanfang. Statt weiter auf den Teufelspakt mit dem Boulevard zu setzen, der sogar seine Hämorrhoiden-OP mit einer Farbfoto-Strecke dokumentiert, stellt er sich in offener Gesprächstherapie seinen Fans und betreibt Vergangenheitsbewältigung: Reden wir darüber! Wobei das Reden natürlich auf Ausreden hinausläuft, die aber nicht nur geradezu paradigmatisch für das politische und soziale Klima in Österreich stehen, sondern auch eine Figur zeigen, die wirklich etwas will. Der Angeschlagene beweist Power und Punch.

Diese Energie ist auch die Grundlage einer beeindruckenden Wendung, die der zweistündige Abend (die minimalistische Regie stammt erneut von Petra Dobetsberger) nach der Pause erfährt. Maurer, der auch schauspielerisch gekonnte Sidesteps unternimmt zu Randfiguren wie einen stramm rechten Polizisten, seinen Therapeuten oder einen Loser, der im Seminar gelernt hat, zu seinen Fehlern zu stehen, lässt seine zentrale Figur immer mehr in Richtung eines populistischen Redners rutschen. Einer, der seine aus der "bildungsaffinen oberen Mittelschicht" rekrutierte Zuhörerschaft ("Sie sind das Salz der Erde!") mit pointierten, doch nicht ganz supersauberen Sagern gegen die "Modernisierungsverlierer" hetzt.

"Sicher kein Fehler, wenn man dabei ist"
Die mehrmals eingestreute Forderung nach einer "breit angelegten Bildungsoffensive, gegenfinanziert durch eine tiefgreifende Strukturreform" dient dabei als Running Gag, breit ausgespielte Haider-Nostalgie ("Wer von Haider auf Strache problemlos umsteigt, der tschechert auch Haushaltsreiniger, wenn ihm das Bier ausgeht.") als Überraschungseffekt. Nach mehreren Vorschlägen zu einer Wahlrechtsreform, die die Prolo-Wappler - etwa durch einen kleinen Grundlagentest an politischem Wissen oder eine Kopplung der Stimmabgabe ans Steueraufkommen - daran hindern soll, der FP zur Machtübernahme zu verhelfen, schafft er eine geniale Volte: Er verwendet nicht nur die Sprache der Hetzer, sondern ruft auch noch zu deren Wahl auf. Ziel ist die rechtzeitige Unterwanderung des Gegners. Oder, anders gesagt: "Wenn diese Bagage nochmal ans Ruder kommt, ist es sicher kein Fehler, wenn man dabei ist."

Im Hintergrund wechselt der Mega-Screen auf kitschigen Sonnenaufgang, Maurer greift zum Standmikro und hebt zu singen an. John Lennons "Imagine": "You may say, I'm a dreamer..." Ein ziemlich fieser Schluss eines sehr gelungenen, erfrischend bösen Programms. Vielleicht reicht's für Thomas Maurer diesmal noch nicht zur Absoluten. Aber der Propaganda-, Kabarett- und Kulturminister sollte in Reichweite sein.

(S E R V I CE - Thomas Maurer: "Out of the dark. Ein Blick zurück", Stadtsaal, Wien 6, Mariahilferstraße 81, Karten: 01/909-2244; Vorstellungen: 2.-5., 8.-12., 15.-19.3., 20 Uhr, http://www.stadtsaal.com; http://www.smaurer.at)

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