Trotz scharfer Kritik

Wien hält an neuem System für Lehrerzuteilung fest

Wien
22.06.2021 14:18

Dass durch eine Systemumstellung viele Schulen ab Herbst mit weniger Lehrerposten dastehen als bisher, hatte - wie berichtet - für viel Unmut gesorgt. Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) will aber trotz breiter Kritik am neuen System für die Pflichtschulen festhalten, wie er am Dienstag bei einer Pressekonferenz betonte. Bildungsdirektor Heinrich Himmer will mit jenen Schulen, für die der Umstieg Kürzungen bringt, nach Lösungen zu suchen. Die Oppositionsparteien sprachen von „Kürzungen ohne Not“, „Bildungsraub“, „untragbaren Verhältnissen“ und einem „rot-pinken Bildungskahlschlag“.

Bereits in der Vorwoche hatten Vertreter von Ganztagsschulen gewarnt, dass durch die Systemumstellung der für diese Schulform typische Wechsel von Unterricht und Betreuung nur noch eingeschränkt möglich wäre. Außerdem würden weniger Lehrer zu weniger pädagogischem Angebot wie Schülerparlament, Schulchor oder klassenbezogenen Angeboten wie Skitagen oder Theaterbesuchen führen.

Auch die Lehrervertretung hatte Kritik geübt: Viele Direktoren hätten in Erwartung von mehr Posten pädagogische Projekte geplant, die nun abgeblasen werden müssten. Einzelne Schulen machten mit offenen Briefen auf die negativen Folgen der Umstellung aufmerksam. In der Offenen Volksschule Zennerstraße in Penzing etwa warnt man davor, dass dort „nach 25 Jahren erfolgreicher pädagogischer Arbeit“ die Führung von Mehrstufenklassen nicht mehr möglich sein wird.

Wiederkehr will „einfacheres, gerechteres System“
Bei Reformen gebe es immer auch ein paar Punkte, wo es wehtut. Der Wechsel zu einem „einfacheren, gerechteren und transparenteren“ System sei aber notwendig, rückte Wiederkehr am Dienstag aus, um nach dem Aufschrei wieder für Ruhe zu sorgen. Zuletzt sei das System der Lehrerzuteilung so kompliziert gewesen, dass es selbst für sie schwer nachvollziehbar gewesen sei, betonten Wiederkehr und Himmer. Das neue System sieht nun vor, dass Schulen ein Basiskontingent erhalten, das auf der Zahl der Klassen und einem Zuschlag pro Schüler beruht.

Bei diesem Kontingent könnten die Schulleiter viel freier als bisher entscheiden, was mit dem Geld passiere, argumentierte Himmer. Dazu kommen vom Bund vorgegebene Mittel (etwa für Deutschförderklassen), außerdem eine Art Mini-Chancenindex, der mehr Stellen für Schulen vorsieht, an denen es besonders viele Schüler mit Förderbedarf gibt. Außerdem gibt es Mittel für von Experten der Bildungsdirektion definierte pädagogische Projekte, etwa Schulschwimmen oder muttersprachlichen Unterricht.

Laut Himmer bekommen 100 der 500 Schulen weniger Ressourcen, weil es dort im Herbst weniger Klassen geben wird. Insgesamt steigt bei den Mittelschulen rund die Hälfte der Schulen mit mehr Posten aus, die andere Hälfte mit weniger. Ähnlich ist das Verhältnis bei den Volksschulen. „Wir können niemandem mehr geben, ohne jemand anderem etwas wegzunehmen“, so Himmer. Insgesamt gebe es allerdings nicht weniger Ressourcen im System, sondern mehr, betonte Wiederkehr.

Inklusionsklassen als besondere Herausforderung
Besondere Herausforderungen gab es dabei bei den Inklusionsklassen, wo es gesetzlich nun nicht mehr möglich sei, ein Kind mit sozialpädagogischem Förderbedarf doppelt zu zählen und so die Klassen klein zu halten. Bei den Mehrstufenklassen wiederum, in denen Kinder verschiedener Altersstufen gemeinsam lernen, habe man für einheitliche Voraussetzungen sorgen müssen. Denn neben jenen Standorten, die für diese Modell extra Mittel bekommen haben, gebe es auch andere, die keine zusätzlichen Posten oder sogar weniger bekommen haben.

Das Ziel der Reform sei freilich nicht, gute bestehende Angebote zu zerstören, betonte Himmer. Die Bildungsdirektion werde sich deshalb mit allen Schulen, an denen die neue Ressourcenzuteilung Probleme erzeuge, zusammensetzen und alternative Möglichkeiten suchen.

Scharfe Kritik von FPÖ, Grünen und ÖVP
Die Wiener Grünen orten unterdessen in einer Aussendung „Kürzungen ohne Not“ und warfen den NEOS „Bildungsraub“ vor. Man würde unzählige Rückmeldungen erhalten, wonach Brennpunktschulen trotz ihrer besonderen Bedürfnisse von ebenso starken Kürzungen betroffen seien wie andere Standorte. Kritik kam auch vom Bildungssprecher der Wiener ÖVP, Harald Zierfuß. „Obwohl der Bund der Stadt mehr Lehrkräfte bezahlt als jemals zuvor, haben fast alle Schulen weniger Mittel als vorher. Das passt ganz grundlegend nicht zusammen!“, so Zierfuß, der von „Chaos und untragbaren Zuständen“ sprach.

SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler sieht den Bildungsminister in der Verantwortung: „Wer einen Personalmangel begegnen will, muss das auch mit mehr Personal tun. Die Herausforderungen an den Schulen werden seit Jahren - gerade im städtischen Raum - immer größer. Das erfordert natürlich mehr Lehrerinnen und Lehrer. Das liegt aber klar im Verantwortungsbereich des Bundes. Seit Jahren unternimmt der Bildungsminister hier allerdings nichts“, so Vorderwinkler. Einen „rot-pinken Bildungskahlschlag“ ortet der Bildungssprecher der Wiener FPÖ Maximilian Krauss. Die NEOS seien „von Bildungsfreunden zu Bildungsfeinden geworden und lassen zigtausende Schüler und Lehrer im Stich“, so Krauss, der den sofortigen Rücktritt von Wiederkehr und Himmer forderte.

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