Baby starb nach Geburt

Gutachten falsch: Hebamme zu Unrecht angeklagt

Steiermark
08.07.2025 20:00

Ein Baby verstarb nach Geburt im DKH Schladming, bei vier weiteren Neugeborenen gab es zwischen 2010 und 2014 schwere Komplikationen. Ein Sachverständiger attestierte in einem Gutachten einer anwesenden Hebamme völliges Versagen – zu Unrecht! Dafür muss er nun zahlen.

Dieser für alle Beteiligten unglaublich dramatische Fall, der im Jahr 2020 am Landesgericht für Strafsachen in Leoben verhandelt wurde, ging unter die Haut: Drei Hebammen und ein Gynäkologe des DKH Schladming mussten sich damals vor Strafrichter Roman Weiß verantworten, weil es bei fünf Geburten zwischen 2010 und 2014 zu schwerwiegenden Folgen kam, wobei ein neugeborenes Mädchen nach einigen Tagen sogar starb, andere Kinder andauernde Beeinträchtigungen davongetragen hätten. Vorgeworfen wurde den Hebammen vor allem, dass sie Fachärzte nicht oder zu spät zu Hilfe gerufen hätten. 

Basis für die Anklage der Staatsanwaltschaft Leoben war das Gutachten eines Sachverständigen für Gynäkologie und Geburtshilfe. Schon damals lehnte Anwältin Judith Kolb, welche eine Hebamme vertrat, den Gutachter ab.

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Ich brauche kein Sachverständiger zu sein, um zu wissen, dass das Wahnsinn ist! Von einer Verurteilung sind wir weit, weit, weit weg.

Richter Roman Weiß bei der Hauptverhandlung im Jahr 2020

Denn seine Expertise beinhaltete wertende und vorverurteilende Aussagen ihrer Mandantin gegenüber – zum Beispiel, dass sie grob fahrlässig gehandelt hätte, sie zweifelsfrei alleine am Tod des Babys schuld sei und sie fachlich komplett versagt habe – was der gutachterlichen Pflicht zur Objektivität absolut widerspricht. Dennoch hielt die Staatsanwaltschaft daran fest. Richter Roman Weiß war es schlussendlich, der aufgrund der fragwürdigen und der Emotion entsprungenen Feststellungen einen anderen Gutachter für den traurigen Fall beauftragte.

Der neu bestellte Sachverständige stellte Mängel im anklagerelevanten Gutachten fest. Und attestierte, dass die Hebammen und der Arzt stets „innerhalb der therapeutischen Bandbreite gearbeitet hätten“. Bezüglich des verstorbenen Kindes stand für ihn fest: „Der dramatische Fall war keine Schlamperei, sondern hätte auch in einem Universitätsklinikum noch schlechter ausgehen können.“

Für Richter Roman Weiß war klar, dass den Angeklagten nichts anzulasten gewesen war, es sich um tragische, schicksalhafte Geburtsverläufe gehandelt hatte. Vielmehr kritisierte er einen Bescheid des Amts der steiermärkischen Landesregierung. Dieser besagte unter anderem, dass ein Facharzt in Bereitschaft innerhalb von 30 Minuten im DKH und er dann in weiteren 20 Minuten bei der Geburt sein könne. Weiß damals: „Ich brauche kein Sachverständiger zu sein, um zu wissen, dass das Wahnsinn ist! Von einer Verurteilung sind wir weit, weit, weit weg.“ Die Angeklagten wurden freigesprochen.

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Nach jahrelangem Kampf konnte für meine Mandantin endlich eine Aufklärung erfolgen.

Anwältin Judith Kolb

Die Hebamme, vertreten von Judith Kolb, hat sich durchgerungen, den Sachverständigen zivil zu verklagen, auf dessen Basis die Anklage erfolgte. „Hätte er richtig begutachtet, wäre es nie zu einer Anklage gekommen“, sagt Kolb. Das schriftliche Werk des Mannes wurde von einem weiteren Gutachter unter die Lupe genommen. Der – wie bereits sein Vorgänger – darauf hinweist: „Die Aussage, dass die Hebamme ,zweifelsfrei am Tod des Kindes allein verantwortlich‘ gewesen sei, ist nicht richtig.“ Auch sei die Aussage, dass das Verhalten der Frau „zweifelsfrei grob fahrlässig“ gewesen sei, nicht richtig.  Der Prozess ist mittlerweile durchgefochten und hat mit einem Vergleich inklusive Schadenersatzzahlungen für die Frau geendet.

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