Symbiotische WG

Fledermaus wohnt in fleischfressender Pflanze

Wissenschaft
27.01.2011 15:43
Die Hardwick-Wollfledermaus (Kerivoula hardwickii) auf Borneo hat sich eine ungewöhnliche Behausung ausgesucht. Sie verbringt den Tagesschlaf in einer fleischfressenden Pflanze. Im Gegenzug - quasi als Miete - nutzt das Flattertier seine Behausung auf der indonesischen Insel auch noch als Toilette. Das ist kein Hinweis auf groben Undank, im Gegenteil: Im Kot finden sich für die fleischfressende Kannenpflanze nützliche Stickstoffverbindungen.

Dieses zeitweise Zusammenleben zum gegenseitigen Nutzen beschreibt eine Gruppe um Ulmar Grafe und Caroline Schöner von der Universität Würzburg. Ihre Untersuchung ist in den "Biology Letters" der britischen Royal Society sowie auf der Website der Uni nachzulesen. Eines der dort beschriebenen Ergebnisse: Bis zu 33,8 Prozent des Stickstoffs in den Blättern stammen ursprünglich von der Fledermaus. Die fleischfressende Kannenpflanze (Nepenthes rafflesian) braucht den Stickstoff unter anderem als Baustein für das Grün ihrer Blätter.

Kannenpflanzen haben einige Blätter zu einer Art Krug mit Deckel umgebildet. Auf dem rutschigen oberen Rand dieser Kanne landen Insekten - und fallen oft ins Innere. Dort, am Grund der Kanne, verenden sie in einem Verdauungssaft. Aus den so aufgelösten Opfern zieht die Pflanze Substanzen, an denen es ihr auf nährstoffarmen Boden mangelt, etwa Stickstoff. Die Forscher fanden bei ihrer Arbeit jedoch häufig Fledermäuse in der Kanne - die Tiere klammerten sich oberhalb des Flüssigkeitsspiegels fest.

Auch Mütter mit Nachwuchs schlafen in Pflanze
17 mit einem Sender markierte Flattertiere übernachteten ausschließlich in den Kannen. Dabei hätte es in der Umgebung durchaus andere Unterkünfte gegeben - zum Beispiel eingerollte Blätter oder Baumhöhlen. In zwei Fällen fanden sich Mütter mit ihrem Nachwuchs in der Pflanzenkanne. Wären die Tiere in die Kanne gerutscht, hätte das nicht zwangsläufig ihr Ende bedeutet: Die pflanzliche Verdauung ist weniger aggressiv und daher langsamer als die tierische. Eine Analyse der Blattzusammensetzung ergab, dass bewohnte Kannen einen großen Anteil von Stickstoff tierischer Herkunft hatten.

Dies alles lasse auf eine Partnerschaft zum gegenseitigen Nutzen schließen, erläutern die Autoren um Grafe. Die Fledermäuse haben tagsüber einen sicheren Unterschlupf, die Pflanzen erhalten dafür den Stickstoff. Davon profitiere das Tier aber womöglich mehr als die Pflanze. Denn auf den ersten Blick ist die Kannenpflanze nicht auf den Kot der Fledermäuse angewiesen – schließlich fängt sie ja Insekten. Allerdings nicht sehr viele, denn: "Die Kannen von Nepenthes rafflesiana sind ziemlich schlechte Fallen", erklärt Ulmar Grafe. Sie bilden nämlich im Vergleich zu anderen Arten sehr wenig Verdauungsflüssigkeit und kaum Duftstoffe, die Insekten anlocken.

Kannenpflanze als Schlafplatz-Notlösung?
Solchen Hinweisen auf eine mögliche Co-Evolution von Fledermäusen und Kannenpflanzen wollen die Würzburger Forscher weiter nachgehen. "Vermutlich haben zuerst die Fledermäuse die Kannen aufgesucht – als Notlösung, denn Schlafplätze sind begrenzt im Regenwald", so Grafe. Durch den Kot der Tiere waren die Pflanzen möglicherweise nicht mehr so stark auf Insekten angewiesen. Das könnte die geringere Produktion von Duftstoffen und Verdauungssaft erklären.

Als nächstes wollen die Biologen untersuchen, wie die Fledermäuse ihre Schlafkannen im dichten Gestrüpp des Regenwalds finden. Außerdem interessieren sie sich für die Frage, ob auch andere Nepenthes-Arten auf den Kot kleiner Säugetiere spezialisiert sind.

Foto: Michael Schöner/Universität Würzburg

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele