Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!
’68 - Give One Take One
Auch wenn die meisten von uns das Jahr 1968 nur mehr aus Erzählungen oder frühen Kindheitserinnerungen kennen - die Magie der Hochzeit der Hippie-Bewegung können sich auch jüngere Semester nicht entziehen. Etwa das rotzige Atlanta-Garage-Rock-Duo ’68, das sich musikalisch aber doch ganz anderes orientiert. Rotzige Attitüde, Früh-90er-Grunge-Chic und eineinhalb Beine in den ausgelatschten Pfaden von den White Stripes oder Royal Blood kann man Josh Scogin und Nikko Yamada attestieren. Breitbeinige Rock-Ästhetik und Punk-Geschrei vermischen sich mit ausgedehnteren, kühlen Momenten und geben eine gute Rock’n’Roll-Mischung wieder. Damit sollte ein Sprung aus dem Underground gelingen - verdient wäre es. 7/10 Kronen
The Antlers - Green To Gold
Mit einem neuen Album der Antlers konnte man so auch nicht mehr rechnen. Peter Silberman, der die Combo 2006 in New York erst als Soloprojekt zur Transformation seiner Gefühle und Sorgen gründete und dann immer mehr zu einer echten Band formte, hatte sieben lange Jahre so gut wie nichts von sich hören lassen, aber Corona holt die Energie von allen in den Vordergrund. „Green To Gold“ ist eine vertonte Elegie. Ein Mahlstrom voll zarter und akzentuierter Klänge, die stets im Slow-Tempo-Bereich bleiben. Wie Schlaflieder für Erwachsene, was auf Langstrecke doch auch etwas mühsam werden kann. Silberman scheint aber seinen inneren Frieden gefunden zu haben und das ist schön. Ein bisschen mehr Abwechslung darf’s am nächsten Werk aber doch sein. 6,5/10 Kronen
As Everything Unfolds - Within Each Lies The Other
Frauenpower am Mikro ist im breiten Segment des Hardcore/Metalcore schon seit Jahren salonfähig, doch langsam gehen der Szene die wirklich herausragenden Projekte verlustig. Die Briten von As Everything Unfolds, mit ihrer EP „Closure“ vor drei Jahren im Netz durchgestartet, bringt trotz der Stimmstärke von Charlie Rolfe überhaupt nichts Neues in den Vordergrund. 08/15-Riffs mit biederen Breakdowns, das Wechselspiel aus aggressivem Geshoute und weinerlichen Clean-Vocals, dazu noch das Songwriting, das gerne Post-Hardcore wäre, aber eigentlich nur von Größen der 00er-Jahre stiehlt. „Within Each Lies The Other“ ist Stangenware im klassischen Sinne und an Gleichförmigkeit nicht zu überbieten. 4,5/10 Kronen
Celestial Sanctuary - Soul Diminished
Als „The New Wave Of British Death Metal“ werden Celestial Sanctuary von ihrem Label angekündigt und ohne ihnen Talent und Gespür für den Klang nehmen zu wollen - mit solchen Vorschusslorbeeren kann man eigentlich nur baden gehen. Das Mid-Tempo-Gebolze erinnert natürlich an die unschlagbaren Landsmänner von Bolt Thrower und auch Obituary lassen sich bei solchen Vergleichen immer gerne und zurecht in den Topf werfen. Dazu noch eine Brise Cannibal-Corpse-Riffing und fertig ist das Soundgebräu, das uns die Buben mit „Soul Diminished“ vorlegen. Freilich, das hat alles Hand und Fuß und schraubt ordentlich in den Nackenwirbeln, aber bleiben wir doch bitte realistisch - von den Originalen ist man noch meilenweit entfernt. 6,5/10 Kronen
Christopher - My Blood
Mit der Single „Against All Odds“ wurde der Däne Christopher vor genau zehn Jahren in seiner Heimat zu einem Teenager-Wunder und Superstar. Der breitenwirksame Durchbruch im internationalen Markt gelang aber denn nie so wirklich, was mitunter sicher daran liegt, dass sein glattgebügelter Pop in den melancholischen Momenten zu sehr an Coldplay und in den exaltierten an Boyband-Chic á la One Direction erinnert. „My Blood“ soll ihn nur „offen und schonungslos ehrlich“ wie nie zeigen und wenn davon die Rede ist, dann passt man als Hörer lieber besser auf. So auch hier, denn „My Blood“ exerziert natürlich die großspurige Pop-Kunst von A bis Z - aber eben mit internationaler Pomp-Produktion und nicht durch innere Erkenntnis. Naja. 6/10 Kronen
Citizen - Life In Your Glass World
Einfach mal die Arme ausschütteln, die Mundwinkel hochziehen, tanzen und Spaß haben. Ja, das haben wir teilweise so gut wie verlernt, was aber sehr schade ist. Wie schön das Leben sein kann, daran erinnern uns Citizen auf „Life In Your Glass World“. Mit einem Dancefloor-Track wie „I Want To Kill You“ konnte man als Fan der Band wirklich nicht rechnen, doch auch auf Gesamtstrecke wird schnell klar - das auf ein Trio geschrumpfte Gespann aus Ohio hat in diesen schweren Zeiten einfach Lust auf Auflockerung. Und das tut gut, zumal sich langsam auch endlich die Sonne ihren Weg durch das Wolkendickicht bahnt. Sehr kurzweiliges, feines Indiepop-Vergnügen. 7/10 Kronen
Clark - Playground In A Lake
Auch mal schön, wenn in Zeiten der grassierenden Corona-Pandemie das Überthema eines Albums ein gänzlich anderes ist. So wie im Falle des Briten Christopher Clark, der „Playground In A Lake“ als „eine Geschichte über den echten Klimawandel, aber in mythologischen Worten erzählt“ erklärt. So esoterisch war der kundige Produzent aus London noch selten am Werk, denn in den insgesamt 16 Songs mäandert er geschickt zwischen 70s-Krautrock und Synthie-Spuren und futuristischen, nicht näher erklärbaren Klanggebilden. Für die Unschuld der Kindheit sorgt die Stimme des erst Zwölfjährigen Nathaniel Timoney und Grizzly-Bear-Mitglied Oliver Coates arbeitete aktiv an den Instrumentals mit. Für den gewöhnlichen Hörer ist „Playground In A Lake“ möglicherweise zu Ambient-lastig und abgedreht, doch das war auch das Ziel Clarks. Interessante Sache. 6,5/10 Kronen
Cloudelvis - Pull It EP
Im Internetzeitalter kann man offen zur Schau gestellte Anonymität gar nicht hoch genug schätzen. Hinter Cloudelvis stecken angeblich drei hierzulande verdiente Musiker aus unterschiedlichen Genres, die mit ihrer ersten EP „Pull It“ ein sehr interessantes Soundgebräu aus Tame-Impala-Elektronik, Bilderbuch-Klangwärme und Liebe zum Art-Pop kredenzen. Das klingt mal gediegen ruhig, dann wieder eruptiv, aber vor allem immer sehr träumerisch und einnehmend. Da wächst etwas ganz Interessantes und Eigenständiges heran, das man am liebsten sofort auf der Bühne sehen möchte. Spannend! Ohne Bewertung
Cryptosis - Bionic Swarm
Manchmal muss man eben einen ordentlichen Reboot machen, wenn sonst alles stehengeblieben ist oder redundant zu werden droht. Die Holländer Distillator sind mit ihrer Band irgendwann am Maximum angekommen und mussten sich neu erfinden, um nicht auf der Stelle zu treten. Also flugs Name auf Cryptosis geändert, dem Thrash Metal das Herkömmliche genommen und durch mehr Technik aufgewertet und mit „Bionic Swarm“ ein Album kreiert, das - zu einer leider sehr ungünstigen Zeit - versucht, das ersehnte Karriereglück zu bringen. Angesichts des durchaus starken Songmaterials ist den Herren alles Gute zu wünschen, denn auch wenn man nicht an die Klasse der stilähnlichen Vektor heranreicht, ist das fein produzierte Riff-Gekloppe tatsächlich ein Quantensprung im Vergleich zur eigenen Vergangenheit. Die Änderung war die richtige Entscheidung. 7/10 Kronen
D’Artagnan - Feuer und Flamme
Freilich, an guter Laune soll es an diesen Tagen möglichst nicht fehlen, aber ein bisschen Anspruch und ernstzunehmender Humor sollten schon dahinterstecken. D’Artagnan ist eine Band wie Trollfest, Korpiklaani oder Feuerschwanz, man liebt sie oder hasst sie, es gibt kein Dazwischen. Ich bin eindeutig in Team zwei verhaftet, denn das Degenschwingen, Metkrugschunkeln und Mistgabel-Wedeln mit Popschlagermelodien aus der allerübelsten Retorte werde ich nie ohne Brechreiz überstehen. In Deutschland wird das Werk die Charts aufrollen und das ist mit Sicherheit auch verdient. Hilft nur alles nichts, wenn man käsige Songstrukturen und Klabautermanngehabe so gar nicht aushält. 4/10 Kronen
Death From Above 1979 - Is 4 Lovers
Das kanadische Indie-Rock-Duo Death From Above 1979 zeigt uns schon seit geraumer Zeit vor, was ausschließlich mit Stimme, Schlagzeug und Bass alles möglich ist. Ihr aufgrund der leidigen Pandemie leider medial untergegangenes Neuwerk „Is 4 Lovers“, das erste Album seit vier langen Jahren übrigens, ist ein Festschmaus für Fans der Nordamerika-Combo, denn Jesse F. Keeler und Sebastian Grainger zeigen sich hier von ihrer experimentellsten und noisigsten Seite. Viel Distortion, knallende Bass-Lines, hie und da elektronische Einsprengsel und in einem Song wie „Mean Streets“ darf sogar ein zartes Piano in den Krachbrei vordringen. Mehr Punk, mehr Fuzz und mehr politische Botschaften. Welcome back guys - das hier ist wirklich gelungen! 7,5/10 Kronen
Decline Of The I - Johannes
Frankreich, was auch sonst? Bei manchen Bands braucht man wirklich nur ein paar Riffs oder Hooks, um geografisch ins Schwarze zu treffen. Decline Of The I machen Post-Black-Metal mit orthodoxen Touch, was sie auch deutlichsten von den heimischen Vorzeige-Bolzern Harakiri For The Sky unterscheidet, die ihr musikalisches Heil eher im rockigen Bereich verorten. Für die neue Reise hat Frontmann AK nicht nur seine Mannschaft getauscht, sondern auch den konzeptionellen Zugang in Richtung des dänischen Philosophen Kierkegaard verändert. Metal mit Anspruch schadet nie und das experimentell-aggressive instrumentale Wesen des Albums fordert und begeistert zugleich. Ein Parforceritt der akustischen Gewalt, der sich aber durchaus lohnt. 7,5/10 Kronen
Dntel - The Seas Trees See
Jimmy Tamborello hat heuer einiges vor und will gleich mit zwei Alben aufwarten. „The Seas Trees See“ ist das erste unter seinem Pseudonym Dntel und vermischt verquere Elektronik mit einer Art Acid-Folk zu einem gleichsam nostalgischen wie wärmenden Soundgemisch. In die etwas entrücktere Ambient-Spüarte ist Tamborello ja schon vor ein paar Jahren gewechselt, doch wer sich noch an seine eher eingängige Vergangenheit mit etwa The Postal Service erinnert, wird noch immer überrascht sein. Mit viel Liebe zum Teil setzt er Xylophone, Synthies oder ein Rhodes-Piano so zusammen, dass man einerseits die Wärme der 70er-Klänge mit der größtmöglichen Präzision aktueller Produktionen spüren kann. Musik für Mathematiker. 6,5/10 Kronen
Elda - Golden Bowl EP
Aufmerksame Konzertbesucher (ja, damals!) können sich vielleicht an eine markante Band aus dem Vorprogramm von Acts wie den Mighty Oaks, Jim Kroft oder den Intergalactic Lovers erinnern. Wer sich nun einprägsamen, aber gleichsam träumerischen und pathosfreien Indie-Pop zum Kopfnicken vergegenwärtigt, der ist bei Elda angelangt. „Golden Bowl“ ist die mittlerweile dritte EP des Zwei-Frauen-Gespanns Alessa Stupka und Leila Antary, das die angedeutete Tanzbarkeit ihrer Tracks immer im richtigen Moment mit etwas Progressivität oder Dissonanz zerstört - völlig beabsichtigt, wohlgemerkt! Die wiedergewonnene „Roughness“ der Tracks steht den beiden gut, auch wenn man sich am paralysierend-luziden Gestus des Vorgängers keinesfalls störte. Ohne Bewertung
Noga Erez - Kids
Ihr Debütalbum „Off The Radar“ war vor knapp vier Jahren zwar noch etwas identitätslos, aber ein willkommener Knall in einer an Gleichförmigkeit erstickenden Welt des weiblichen Electropop, die sich seither stark gewandelt hat. Noga Erez ist aus Israel und dort gibt es - die gute Impfstrategie ausgenommen - schon per se einiges zu kritisieren und anzuprangern. Dementsprechend wild mäandert sie auf ihrem Zweitwerk „Kids“ auch zwischen politischen Ungerechtigkeiten, Beziehungsproblemen, religiösem Fanatismus, Pharmazeutika-Problemen und Social-Media-Dringlichkeit hin und her. Die Vergleiche mit Björk sind hier längst nicht mehr zulässig, da ist Noga Kendrick Lamar längst näher. Der Bruch mit der eigenen Vergangenheit ist größer als gedacht und wird so manchen überraschen bis verstören - aber „Kids“ ist trotzdem grandioses und zeitgeistig relevantes Material zum Reinkippen. 7/10 Kronen
First Aid Kit - Who By Fire Live
Der Einfluss des im November 2016 verstorbenen großen Songwriters Leonard Cohen auf die Musikwelt war freilich ein gewaltiger. Die beiden Schwestern Johanna und Klara Söderberg waren von der Reibeisenstimme mit dem poetischen Gestus so inspiriert, dass sie im März 2017 im Dramaten-Theater in Stockholm an zwei Abenden 20 Songs mit einer achtköpfigen Band und Schauspielern aufführten. Mehr als nur eine Verbeugung vor dem großen Vorbild, bei der man für die nun erscheinende CD „Who By Fire“ nichts beschönigt und alles original gelassen hat. Eine gute Entscheidung, denn so spürt man die verletzliche Zerbrechlichkeit der einzelnen Songs noch viel stärker. Eine wirklich würdige Huldigung. Ohne Bewertung
Greenleaf - Echoes From A Mass
Die Schweden Greenleaf haben sich auch in Österreich schon des Öfteren die Ehre gegeben und blieben als zwanglose, angenehmer Stoner-Rock-Band in Erinnerung, die sich nicht zu sehr in bleierner Schwere suhlten, sondern ihren Kompositionen immer eine kräftige Dosis Leichtigkeit vermittelten. Das ist auch auf dem neuen Album „Echeos From A Mass“ nicht anders, auch wenn sich die Truppe inhaltlich mit den alltäglichen Problemen der Pandemie verbunden fühlen. Es geht um das Alleinsein in einer so vernetzten virtuellen Welt und das Gefühl, sich einer nicht enden wollenden Ohnmacht gegenüber zu befinden. Dass es dem Werk an Druck fehlt klingt nur im ersten Moment negativ und ist eigentlich ziemlich angenehm. Manchmal reicht eben auch eine Schulter, an die man sich anlehnen kann. 7/10 Kronen
The Hirsch Effekt - Gregaer EP
Kenner dissonanter Materien wissen - die Deutschen von The Hirsch Effekt liefen schon immer etwas neben der Spur. Rein positiv gemeint natürlich, denn bei musikalischen Fertigkeiten und Experimentierfreude macht den Herren aus Hannover niemand was vor. Da ist freilich nur folgerichtig, dass man auf der EP „Gregaer“ noch einmal einen Schritt weitergeht und komplexe Kompositionen samt Orchesterhilfe im Klassikgewand präsentiert. Drei bekannte und ein taufrischer Song werden somit in ein ganz besonders Soundkleid gewandet, dass wohl für die Band selbst eine Sensation ist. Man muss schon in der richtigen Stimmung sein, um diesen Brocken richtig aufnehmen zu können, aber „Gregaer“ ist ein wirklich hochklassiges Werk Musik. Ohne Bewertung
Hound - I Know My Enemies
Auch du meine Güte, was ist das für ein Geseier? An die Stimme von Frontmann Wanja Neite kann man sich als altherkömmlicher Hard-Rock-Fan schnell stoßen, denn diese Mischung aus Gepresstem, nasaler Kopfstimme und fernöstlicher Theatralik muss man aushalten. Ähnlich wie bei Kind Diamond (sehr loser Vergleich, klar), passt das instrumentale Gerüst aber ohne Zweifel. Die teils an Led Zeppelin, teils an Deep Purple und teils an Cream orientierten Classic-Rock-Schlenker mit Jam-Session-Einlagen und viel Raum zum Atmen erfinden das Rad nicht neu, sorgen aber für Kurzweil und viel Freude. Auch wenn dieses bewusste Besinnen auf die „guten alten Tage“ schon etwas bemüht und kalkuliert wirkt. 5,5/10 Kronen
Ben Howard - Collections From The Whiteout
Wer sich heute noch nach den sanften Singer/Songwriter-Klängen mit Surfpop-Anleihen seiner Frühtage sehnt, der wird vom Londoner Ben Howard unter Garantie enttäuscht werden. Über die Jahre hat sich Howard sein ganz eigenes Soundbett zurechtgemacht und kennt auf dem neuesten Werk „Collections From The Whiteout“ so gut wie keine Grenzen mehr. Da eine sanfte Akustikgitarre, dort Synthies. Da die bewusste Rückbesinnung auf seine hemdsärmeligen Frühtage, dort die Abkehr zum zeitgemäßen Electro-Folk - all das in Szene gesetzt von Taylor-Swift-Produzent Aaron Dessner. Doch keine Angst - Songs wie „Rookery“ schlagen doch noch bewusst den Haken zur alten Zeit. Und versöhnen damit alle Lager Howards. Wer weiß, wohin die Reise weitergeht? 7/10 Kronen
Liberty C. - Free To Be Me
Auf Friedens- und Einigkeitskurs befindet sich die Grazer Künstlerin Katja Cruz und ihrem Künstlerpseudonym Libert C. „Free To Be Me“ ist Mantra und Überzeugung zugleich, denn darauf preist die Steirerin mit R&B-Touch und Leidenschaft im Gesang die schönen Seiten des Lebens. Daran ist gerade in diesen Zeiten nichts falsch, zumal sich die positiven Botschaften in den Songs wie Füllhörner über unterschiedliche Bereiche ergießen. Manchmal über Familie und Freunde, dann über die Welt als Ganzes und - nicht zu vergessen - natürlich auch für sich selbst. Mit „I Win This Game“ hat Cruz einen Song gegen Frauengewalt kreiert und Justizministerin Zadić gewidmet. Aufregung oder große Überraschungen darf man sich nicht erwarten, doch Freunde des Gediegenen kommen garantiert auf ihre Kosten. 6/10 Kronen
Loney Dear - A Lantern And A Bell
Mit seinem nachdenklichen Indiepop hat sich Emil Svenängen aka Loney Dear einst einen Namen beim US-Grungelabel Sub Pop gemacht und die Aufmerksamkeit von Peter Gabriel zugezogen. Die Genesis-Legende hat den heute 42-Jährigen verpflichtet und lässt ihm - glücklicherweise - freie Hand bei seiner musikalischen Gestaltung. So ist „A Lantern And A Bell“ erstmals überhaupt eine Vereinfachung seiner Kunst und zelebriert eine maritim angehauchte Rückbesinnung auf das Wesentliche, wo neben Falsett-Timbre, zartem Kontrabass und angehauchtem Piano fast kein Platz für anderes ist. Wer mit dermaßen viel Fragilität zurechtkommt, dem sei dieses Werk streng empfohlen. Auch wenn Gabriels Mutmaßung, Loney Dear wäre Europas Antwort auf Brian Wilson doch etwas sehr euphorisch erscheint. 7/10 Kronen
Manslaughter 777 - World Vision Perfect Harmony
Wenn sich zwei profunde Stil- und Schubladenverweigerer wie Lee Buford von The Body und Zac Jones von Braveyoung zum gemeinsamen Musizieren zusammenfinden kann man auf jeden Fall damit rechnen, dass hier wenig bis nichts nach Schema F passiert. Den Fokus legen die beiden Underground-Musiker auf perkussiv-rhythmische Elemente mit einer kifferartigen Ambient-Atmosphäre, was trotz breiter Erwartungshaltung doch etwas überraschend kommt. Die UK-Dance-Szene nimmt hier einen sehr wichtigen Raum ein, Jungle- und Dub-Einflüsse lockern das bunte Treiben zusätzlich auf. Auf „World Vision Perfect Harmony“ (was für ein schöner Titel) scheint die Zeit vor knapp 30 Jahren stehen geblieben zu sein, ohne aber in nostalgischer Verklärung zu stecken. 7,5/10 Kronen
Memoriam - To The End
Das Leben kann man manchmal hart sein. Auch für gestandene Musiker, die eigentlich nichts mehr erschüttern sollte. Doch der Schatten von Bolt Thrower wird auf ewig so groß sein, dass sich Sänger Karl Willetts mit seiner Quasi-Nachfolgecombo Memoriam nie daraus befreien wird können. Den schleppenden UK-Death-Metal mit stimmlich und rifftechnisch schwerer Asphyx-Schlagseite zelebrieren die kundigen Birminghamer auf „To The End“ schon zum vierten Mal im Langspielformat, aber auch wenn das alles sehr solide und herzhaft klingt, fehlt es einfach am gewissen Etwas. Das mag puristisch und nach „früher war alles besser“ klingen, ist in diesem Fall aber einfach wahr. „To The End“ ist solider, bleischwerer Death Metal, aber zu wenig eigenständig, um vollständig aus den Fängen der omnipräsenten Legende entfliehen zu können. Eigentlich schade. 7/10 Kronen
Peach Tree Rascals - Camp Nowhere EP
Via TikTok startete das kalifornische Kollektiv Peach Tree Rascals vor drei Jahren mit der Single „Mariposa“ durch und seither wartet man zurecht gespannt immer wieder auf neue Songs. Das Quintett verweigert sich in seinen Kompositionen zwar herkömmlichen Schubladen, schafft es mit einer beeindruckenden Leichtigkeit für leichtfüßige Sommerstimmung zu sorgen, die wir alle gerade so extrem dringend benötigen. Irgendwo zwischen Jazz, Funk und Hip-Hop - zwischen Kendrick Lamar, Frank Ocean und den Beatles mäandern die acht feinen Songs auf „Camp Nowhere“, die mit dem Titel auf die erzwungene Isolation in der Pandemie anspielen, die uns hoffentlich über das Leben reflektieren lassen. Vielleicht die schönste Musik dieser Woche. Ohne Bewertung
Hannah Peel - Fir Wave
Mit ihrer Band The Magnetic North orientierte sich Hannah Peel eher im Post-Rock-Bereich, als Solokünstlerin zeigt die kreative Nordirin ihre Stärken eher im elektronischen Ambient verhaftet. Das Liebhaberlabel KPM gab Peel die Erlaubnis, sich an den elektronischen Spielereien der 70er-Produkte von Delia Derbyshire zu versuchen und hat bei der 35-jährigen Britin ungeahnte Energien freigesetzt. So vermengt sie die Traditionen von damals mit ihrer modernen Interpretation des Sounds und neuen digitalen Instrumenten- und Aufnahmemöglichkeiten, um eine eklektische Brücke über mehrere Jahrzehnte zu schlagen. Dass sie dem mächtigen Jon Hopkins dabei manchmal sehr nahekommt, ist nur ein Beweis für die Richtigkeit des Vorhabens. Herrliche Klangkaskaden. 7,5/10 Kronen
Suzi Quatro - The Devil In Me
70. Geburtstag, eine fette Dokumentation über ihre legendäre Karriere und eine große Tour, die dann pandemiebedingt ins Wasser fiel - für die Rocklegende Suzi Quatro war 2020 trotz allem ein sehr fruchtbares Jahr. Das neue Studioalbum ging sich aber nicht mehr wie erhofft im gleichen Jahr aus. „The Devil In Me“ erscheint nun, wohl mit der langgehegten Hoffnung wieder touren zu können, aber die Rückbesinnung auf ihre 70er-Wurzeln wissen auch ohne Liveaktivitäten durchaus zu überzeugen. Der Titeltrack oder Songs wie „Get Outta Jail“ oder das smoothe „Love’s Gone Bad“ zeigen Quatro gereift, was ihr gut zu Gesicht steht. Nichts ist schlimmer, als gezwungen auf Mitt-20erin machen zu müssen. Im Direktvergleich schlägt sie die Waliserin Bonnie Tyler allein schon durch ihre Authentizität und die echte Liebe zum Rock’n’Roll. Einzeln vorhandene Filler fallen nicht so schwer ins Gewicht wie anfangs befürchtet. Ein sehr würdiges Alterswerk. 7/10 Kronen
The Quill - Earthrise
Die musikalische Ausrichtung von The Quill hat sich schon beim letzten Album „Born From Fire“ zu drehen begonnen, doch auf „Earthrise“, dem mittlerweile neunten Studiowerk, schließen die Schweden ihre Metamorphose endgültig ab. Wo früher noch glattgebügelter, breitbeiniger Hard Rock regierte ist mittlerweile eine kräftige Psychedelic-Kante mit allerlei Stoner-Rock-Zutaten zu erkennen. Die damit einhergehende Gesellschaftskritik, die sich vom Cover-Artwork bis hinein in die Texte zieht ist sehr angenehm, weil deutlich spannender als das übliche Kiffer-Herumhängen-Brimborium der Wüstensoundszene. Dass die Hochzeit dieses Genres schon etwas zurückliegt, macht die Sache nur noch sympathischer - weil Trendreiterei offenbar kein Kriterium war. 7,5/10 Kronen
Real Estate - Half A Human EP
Mit „The Main Thing“ gelang den amerikanischen Indie-Emorockern Real Estate letztes Jahr ein durchaus adäquates Album, das zwar nicht an die Großtaten der Frühzeit heranreichte, aber durchaus „competitive“ war. Einige Songs aus den Sessions wurden für das Album gar nicht verwendet und wohl aus der grassierenden Pandemie-Langeweile heraus nun für die vorliegende EP „Half A Human“ zusammengestückelt. So wurden die bereits existierenden Songkonstrukte via Dropbox, E-Mail und allerlei anderem technischem Fern-Firlefanz so lange hin- und hergeschickt und bearbeitet, bis daraus ein feines kleines Werk entstand, das überhaupt nicht nach aussortiertem Material klingt. Manche können’s halt eben. Real Estate gehören definitiv zu jenen. Ohne Bewertung
Esther Rose - How Many Times
Wenn Jack White sich für sie verbürgt und auch schon mit ihr zusammengearbeitet hat, dann ist die Qualitätskontrolle schon einmal bestanden. Esther Rose legt mit „How Many Times“ ihr bereits drittes Album vor und man wünscht ihr von ganzem Herzen, dass es auch in Europa langsam einmal zum breitflächigen Durchbruch reicht. Dem Songwriting für dieses Werk lagen drei Umzüge, eine Pandemie und eine gescheiterte Beziehung zugrunde. Genug Themen für eine Songwriterin, um daraus ein abendfüllendes Klangprogramm zu stricken. Diese Bodenständigkeit und Ehrlichkeit, die sich durch Songs wie „Keeps Me Running“, „My Bad Mood“ oder „Without You“ zieht, machen „How Many Times“ zu einem Country-Album, das den Indie-Style der Vergangenheit bewusst versteckt. Für diesen Moment und dieses Werk eine goldrichtige Entscheidung. Jack-White-approved außerdem! 7/10 Kronen
Sanguisugabogg - Tortured Whole
Death Metal ist freilich auch Geschmackssache, aber mir mundet er am besten, wenn er stumpf, roh und einnehmend ist. All das passiert auf dem Debütalbum der krude Sanguisugabogg benannten Härtner aus Columbus in Ohio, die Brutal Death Metal so dermaßen abschlachtend und, ähm, ja, brutal praktizieren, wie es vor 20 Jahren in der Szene Trend war. Die Blut-und-Beuschel-Texte in unzweideutig benannten Songs wie „Gored In The Chest“, „Dragged By A Truck“ oder „Dick Filet“ vermitteln eindeutig, in welch abstrusen Splatter-Humorgebieten die vier jungen Freaks unterwegs ist. Das ist ein Festmahl für Genre-Aficionados und begeistert schlichtweg mit seiner offen zur Schau gestellten Kompromisslosigkeit. Knüppel aus dem Sack! 7,5/10 Kronen
Serpentwithfeet - Deacon
Niemand vermischte Soul, Experimentelles, R&B, Barock-Pop und Avantgarde so geschickt zu einem Album als Josiah Wise aka Serpentwithfeet vor drei Jahren auf seinem Debüt „Soil“. Druck und Vorschusslorbeeren hielten sich für „Deacon“ also schon länger die Waage. Die nur scheinbar unvereinbaren Pole Queerness und Gottesfürchtigkeit versammelt er hier zumeist in gospelhaften, vor klanglicher Wärme und technisierter Schönheit herausragenden Nummern, die den Ü-30er noch authentischer und emotionaler zeigen als wir es schon gewohnt sind. Schwarze Liebe, schwule Liebe, Selbstliebe. Das alles ausstaffiert mit fein ausgewählten Features von Sampha, Lil Silva und Nao - eine echte Perle im zarten Pop-Segment, die diese einzigartige Karriere noch weiter nach oben treibt. 8/10 Kronen
John Smith - The Fray
Ihr fühlt euch schlecht, weil die Pandemie für Langeweile sorgt und der Winter sich heuer nicht und nicht verziehen möchte? Welche Luxusprobleme! John Smith und seine Freunde verloren im Frühling 2020 ihr ungeborenes Kind und bei seiner Mutter wurde Krebs diagnostiziert. Der Songwriter machte das Beste aus der mehr als prekären Lage und kanalisierte seinen Schmerz auf Papier und Gitarrensaiten. Nach und nach hat sich der einstige Session-Musiker mit der Honigstimme „The Fray“ zurechtgezimmert und alle Schmerzen, Ängste und Sorgen in berührende, manchmal sehr pathetische Songs verwandelt. Dass Trauer und Schwere eine gewichtige Rolle spielen würden, war angesichts seines Schockjahres klar, aber das Album kann auch ohne Mitleid genossen werden. Schöne Musik für weniger schöne Stunden. 7/10 Kronen
Dr. Lonnie Smith & Iggy Pop - Breathe
Den Alten die Macht! Zumindest, wenn sie es mit so viel Verve, Esprit und Leidenschaft machen wie Jazz-Hammondorgel-Legende Dr. Lonnie Smith und Punk-Urgestein Iggy Pop. Dieses so ungleich wirkende Duo passt auf „Breathe“ perfekt zueinander, denn die Vermischung aus smoothem Lounge-Jazz mit Anspruch und Iggy Pops Crooner-Stimme (ja, der gute Mann hat ja schon mal ein Jazzalbum im New-Orleans-Mantel veröffentlicht) passt nahezu perfekt zueinander. Der Groove-Jazz mit Liebe zum Funk und Bop wird von Pops Anwesenheit bei den Cover-Versionen „Why Can’t We Live Together“ (bekannt durch Sade) und „Sunshine Superman“ (Donovan) ummantelt. Ein interessantes, irgendwie irres, aber auch hochqualitatives Vergnügen zweier absoluter Legenden. 7/10 Kronen
Tomahawk - Tonic Immobility
Mike Patton hat einfach immer das richtige Timing. Sei es mit der temporären Faith-No-More-Reunion vor wenigen Jahren, mit kruden Künstlerprojekten zwischen Klassik und Orchester, mit dem Wiederaufbereiten eines astreinen 80er-Thrash-Bretts oder, wie in diesem Fall, mit dem ersten Tomahawk-Album seit acht Jahren zum 20. Bandgeburtstag. Die Noise-Rock-All-Star-Band mit Mitgliedern von Mr. Bungle, Fantomas, Helmet und The Jesus Lizard setzt auf „Tonic Immobility“ genau dort fort, wo man bei „Oddfellows“ aufgehört hat: experimentelle Liebe zum Krach mit partiellen Heavy-Metal-Ausritten und einem untrüglichen Gespür für knackigen Rock. Dazwischen geben Songs wie „Predators And Scavengers“ oder „Tattoo Zero“ genug Platz, um zwischen der Verschrobenheit der Melvins und der hymnischen Kompositionskunst von Alice In Chains zu wandeln. Natürlich immer mit der Spur Wahnsinn und Dissonanz, ohne die es bei Patton nie geht. 7,5/10 Kronen
Tortusa - Bre
Die norwegische Kühle schwingt unentwegt mit, wenn der US-stämmige John Derek Bishop aka Tortusa seine elektronischen aufgeladenen Jazzstücke von „Bre“ breitenwirksam feilbietet. Drei Jahre lang arbeitete er an dem Werk und ließ sich von der Natur inspirieren. Als es noch möglich war, nahm er gleichermaßen in Kalifornien, Italien als auch auf 1000 Meter Seehöhe in den norwegischen Bergen auf. Sampler, Loop-Stations und Modularsynthesizer verwendete der 35-Jährige dafür, der unverkennbar Inspirationen von Nils Frahm und Flying Lotus für sein eigenes Wirken herauszog. Die Sample-geschwängerten Kompositionen erinnern ein ums andere Mal an die kruden Soundlandschaften von Brian Eno, Cluster oder Harmonia und das sind keinesfalls üble Referenzen. Einfach fallen lassen und genießen - es lohnt sich! 7/10 Kronen
Tune-Yards - Sketchy
Merrill Garbus ist eine der ganz besonders experimentellen Künstlerinnen. Seit mittlerweile 15 Jahren verfolgt sie, nun schon ein paar Jahre mit Kollege Nathaniel Brenner, eine klangliche Vision, die sich aus Indie-Sounds, Experimental-Klängen, jazzig angehauchten 60s Soul und avantgardistischen Pop-Anklängen zusammensetzt. Ähnlich wie die Dirty Projectors gehen die abstrusen Klangreisen manchmal eine Spur zu weit, aber auch bei „Sketchy“ gilt, wie auch sonst, wer sich darin fallen lassen kann und viel Toleranz mitbringt, der wird belohnt. Von den partiell vorhandenen funky Drum-Beats sollte man sich nicht täuschen lassen, denn die vor drei Jahren angeschnittene Nachvollziehbarkeit ist hier nicht mehr wirklich vorhanden. Selbstzweifel und persönliche Unsicherheiten klangen aber auch selten so abdreht und konfus. Speziell! 7/10 Kronen
Sara Watkins - Under The Pepper Tree
Die ganz Jungen werden sich in dieser Rubrik wohl seltener tummeln, wohl aber immer wieder Eltern, die Musik als elementares Erziehungsstilmittel betrachten. Da sollte man diese Woche unbedingt zur US-Songwriterin Sara Watkins greifen. Das Nickel-Creek-Bandmitglied hat sich schon vor fünf Jahren solo versucht und setzt seine Reise nun mit einem Kinderalbum fort. „Under The Pepper Tree“ versammelt 15 Songs aus diversen Filmklassikern und der eigenen Kreativschatulle zu einem emotional-gemütlichen Stelldichein, das bewusst cinematisch klingt und das Kopfkino der Filmklassiker aus längst vergangenen Tagen hervorruft. Ein echtes Familienwerk mit Hauptaugenmerk auf die Bambinos, das in Zeiten wie diesen auch einmal eine knappe Stunde Abwechslung bringt. Schöne Idee. Ohne Bewertung
Wheel - Resident Human
Progressive mag man, oder nicht. Das ist hier so einfach wie selten anderswo, denn nur wer sich mit viel Geduld und Ruhe auf die ausladenden Kompositionen beruft und schon leichte Erektionsansätze verspürt, wenn eine Dissonanz wieder einmal über die andere bricht, findet beim finnisch-britischen Gespann Wheel sein Seelenheil. Wenn all diese Voraussetzungen aber gegeben sind, dann Hut ab! Was die Truppe auf dem Zweitwerk „Resident Human“ an Ideen in den Klangkochtopf wirft, müsste etablierten Oldies wie Dream Theater die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Das konzeptionell angehauchte Werk über die Entfremdung zwischen den Menschen ist Tool noch näher als am Debüt und lässt sich für seine Ausführungen alle Zeit der Welt. Sehr monumental! 7/10 Kronen
Johan G. Winther - The Rupturing Sowle
Den hier vorliegenden Schweden kann man getrost als bunten Hund bezeichnen. Man kennt John G. Winther von der Rockband Scraps Of Tape, von den wesentlicheren aggressiveren Black-Metal-Hardcore-Rabauken Blessings oder von den gediegenen Post-Rockern Barrens. Für sein Solodebüt schlich sich Winther noch vor dem Lockdown in eine kleine Hütte in den schwedischen Wäldern, um ein instrumentales Ambient-Album á la Burzum zu fertigen. Mit dem kruden Rechtsextremisten hat Winther freilich nur die Klänge gemein, aber was naturbelassene Atmosphäre und melancholische Schönheit angeht, ist „The Rupturing Sowle“ den Geistesblitzen des umstrittenen Norwegers nicht allzu fern. Ein wunderschönes Album zur Alltagsflucht und Reise in imaginäre Waldwelten. 7,5/10 Kronen
Xiu Xiu - Oh No
Xiu Xiu-Frontmann Jamie Stewart ist kein leichter Charakter. Nicht nur, dass ihm Lockdown und Isolation aufs Gemüt schlug, der stets am Rande von Depressionen wandelte Indie-Musiker hat sich in den letzten Jahren auch von einigen toxischen Freundschaften befreit und diese Großmenge an Reinemachten und Schmerz nun in sein zwölftes Album „Oh No“ kanalisiert. So nah wird der kalifornische Düsterpriester seinem Idol David Lynch wohl nie mehr kommen, denn die Songs sind von einer ungemein enervierenden Schwere, die man auch einem leidenden Nick Cave attestieren würde. Auf dem Duettalbum bittet er Freunde und Weggefährten von Owen Pallett und Sharon Von Etten über Deb Demure bis hin zu Greg Saunier und Chelsea Wolfe zur musikalischen Koexistenz. Bitte nur anstreamen, wenn ihr psychisch stabil seid! 7,5/10 Kronen
Neil Young - Young Shakespeare
Es vergeht wirklich kaum ein Monat, wo uns der - übrigens frisch gegen Corona-geimpfte - Neil Young nicht einen frischen Blick in sein schier unerschöpfliches Archiv gewährt. Dieses Mal reisen wir ganze 50 Jahre zurück in der Zeit. 1971, die Hippie-Unschuld ist verloren, von den Tücken der Gegenwart aber noch nicht einmal ein zarter Geruch zu verspüren. Am 26. Jänner startet Young im Shakespeare Theatre in Stratford, Connecticut mit „Tell Me Why“ in die Show und bekommt donnernden Applaus. Es folgen u.a. „Old Man“, „The Needle And The Damage Done“, „Cowgirl In The Sand“ oder das opulente Abschlusswerk „Sugar Mountain“. Unglaublich, was für ein famoses Konzert Young im zarten Alter von 25 gab. Und nach diesem Genuss bleibt noch die Frage, was hat der gute Kerl noch so alles in seinem Archiv versteckt? Irre! Ohne Bewertung
Young Mountain - Infraröd
Im hohen Norden leidet es sich noch immer am besten. Die Schweden von Young Mountain machen auf „Infraröd“ noch nicht einmal den Anschein, als würden sie zu viel Zeit mit guter Laune vergeuden, denn in der guten halben Stunde Tonkunst legt sich die schwere Elegie des Post Rock mit dem introvertierten Ansatz von Shoegaze ins Bett, um daraus eine Art Post-Black-Metal-Kind zu erzeugen, für das die Bezeichnung „Dur“ von der Musik so weit entfernt ist wie der Inselstaat Vanuatu von Skandinavien. So als würde sich Alcest mit einer Früh-90er-Sub-Pop-Band vermischen und Deafheaven auch im Proberaum stehen. Wer sich davon angesprochen und nicht abgeschreckt fühlt, der weiß sowieso Bescheid. 7/10 Kronen
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