Gebeutelte Kommunen

„Gemeinden brauchen gewisse Spielräume“

Vorarlberg
16.02.2021 06:30

Die Krise macht auch vor den Gemeinden nicht Halt: Fehlende Ertragsanteile, weniger Kommunalsteuern, keine Tourismusabgaben oder Gästetaxen. Nicht leicht hatten es Bürgermeistern und Finanzchefs in den vergangenen Wochen bei der Budgeterstellung 2021.

Seit 2013 ist Andrea Kaufmann Bürgermeisterin in Dornbirn, seit 2019 Chefin des Gemeindeverband. In dieser Funktion verhandelt sie auch über finanzielle Hilfe für krisengebeutelte Vorarlberger Kommunen.

Frau Kaufmann, wie ist denn die finanzielle Lage der Vorarlberger Gemeinden?

2020 war ein extremes Jahr. Es hat sich abgezeichnet, dass die Finanzen nicht nur beim Bund, sondern auch in den Ländern und Gemeinden extrem einbrechen werden. Inzwischen ist fix, dass 40 Millionen Euro alleine an Ertragsanteilen fehlen. Aber auch die Kommunalsteuern sind weniger geworden, in vielen Tourismusgemeinden fehlen die Gästetaxe und die Tourismusabgaben.

Wie hilfreich waren die Finanzpakete von Land und Bund

Das Land hat über den Sommer ein kleines Familienpaket geschnürt. Unter anderem wurden Elternbeiträge-Entfälle ausgeglichen. Insgesamt sind den Gemeinden 3,5 Millionen Euro zu Gute gekommen. Der Bund hat eine Investitionsmilliarde zur Verfügung gestellt, die vor allem jenen Gemeinden hilft, die investieren können. Einige Kommunen, die vor der Entscheidung gestanden sind, beispielsweise eine Schule zu erweitern oder kleinere Sanierungen vorzunehmen, haben sich dafür entschieden, zu investieren.

Ganz zufrieden sind Sie aber nicht?

Positiv ist auf jeden Fall, dass die Förderungen bis Ende 2021 abgeholt werden können - und dass andere Fördertöpfe nicht tangiert werden. Das Land kann also trotzdem die normalen Förderhöhen zusagen. Aber: Diese Investitionsmilliarde hatte natürlich keine Wirkung auf die laufenden Einnahmen-Einbrüche.

Wie wurden diese abgefedert?

Im November wurde das zweite Landespaket inklusive Musikschullehrerreform, Strukturfondsaufstockung und Sozialfondsdeckelung verhandelt. Das Land hat eine Soforthilfe von rund 10 Millionen Euro zugesagt. Die Summe wurde auf die drei Kategorien Ertragsanteileentfall, Kommunalsteuerentfall und Entfall bei Tourismusabgaben/Gästetaxe aufgeteilt.

Es gab noch ein zweites Hilfspaket des Bundes?

Ja, das ist eine echte Entlastung, denn die vom österreichischen Gemeindebund verhandelten 400 Millionen Ertragsanteileaufstockung oder Rückerstattung bringen immerhin 18,5 Millionen nach Vorarlberg. Die erst ab 2023 rückzahlbaren Sonder-Vorschüsse mit rund 46 Millionen Euro für Vorarlberg helfen bei der Liquidität massiv. Und auch in Sachen Planungssicherheit gibt es Einnahmegarantien.

Wie sehen diese aus?

2021 sollen die Ertragsanteile mindestens 12,5 Prozent über 2020 liegen. Das ist ein sehr niedriges Niveau, aber immerhin. 2022 gibt es ein Prozent Steigerung, 2023 eineinhalb Prozent und ab 2024 bis 2026 je zwei Prozent. Normalerweise steigen die Ertragsanteile viel höher. Bei einer guten konjunkturellen Lage, sind es bis zu acht Prozent.

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2020 haben wir 7,5 Prozent verloren. Das verkraften wir nicht mehrere Jahre hintereinander. Dann sind die Gemeinden tot.

Andrea Kaufmann

Was passiert, wenn die Konjunktur anzieht?

Dann haben die Gemeinden höhere Steigerungen. Aber durch die Einnahmengarantie muss niemand befürchten, dass die Ertragsanteile weniger werden. 2020 haben wir 7,5 Prozent verloren. Das verkraften wir nicht mehrere Jahre hintereinander. Dann sind die Gemeinden tot.

Gibt es Kommunen, die vor dem Bankrott stehen?

Die gibt es in Vorarlberg Gott sei Dank nicht. Durch die verschiedenen Finanzausgleichssysteme und den Strukturfonds haben wir ein sehr solidarisches Ausgleichssystem. Eine reine Wohngemeinde mit ein paar hundert Einwohnern hat einfach höhere Fördersätze.

Dornbirn investiert trotz Krise einiges in Bauprojekte - immer unter der Prämisse, die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze zu erhalten. Wie sinnvoll ist das?

Das ist immer die Diskussion, ob antizyklische Investitionen Sinn machen. Von Seiten des Gemeindeverbandes haben wir eher dazu animiert, zu investieren - und vor allem die bereits genannten Fördergelder beim Bund abzuholen. Das wäre ja fatal, wenn man das nicht tun würde. Es geht um heimische Wirtschaftsbetriebe, die auch ausgelastet sein sollten. Ich glaube, es ist schon richtig, dass man solange es verkraftbar ist, trotz allem versucht zu investieren.

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Es kann nicht sein, dass die Gemeinden aus dem letzten Loch pfeifen, während alle anderen Wirtschaftsbetriebe Hilfspakete bekommen.

Andrea Kaufmann

Die Rechnung zahlt am Ende immer der Steuerzahler. Sind vielen Hilfen des Bundes nicht ein Umschichten der Schulden?

Natürlich ist es ein Verschieben, aber es kann auch nicht sein, dass die Gemeinden aus dem letzten Loch pfeifen, während alle anderen Wirtschaftsbetriebe Hilfspakete bekommen. Vom Gemeindebund waren wir lange Zeit sehr zurückhaltend, weil wir gesagt haben: Irgendwo muss das Geld herkommen. Aber die Gemeinden sollten halbwegs handlungsfähig bleiben und gewisse Spielräume haben. Nicht zuletzt, um die heimische Wirtschaft am Laufen zu halten.

Trauen Sie sich eine Prognose zu, wie sich die Lage der Gemeinden entwickeln wird?

Die Einnahmen durch die Kommunalsteuer sind überhaupt nicht abschätzbar. Kurzarbeit wird verlängert. Das ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gut, für die Gemeinden nicht, weil keine Kommunalsteuer gezahlt wird. Hat ein großer Arbeitgeber 400 Mitarbeiter in Kurzarbeit, bricht im Verhältnis zum Budget ein Riesenblock weg. Die Tourismusgemeinden haben im jetzigen Winter Probleme, im Sommer hat es dort noch ganz gut ausgesehen. Vielen Kommunen fehlen Mieteinnahmen, Vereine sind nicht tätig, Sporthallen leer. Das Jahr wird spannend. Wir müssen alle schauen, wie wir über die Runden kommen.

Das Interview führte Sonja Schlingensiepen

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