Herausfordernde Reise

Ja zu einem Weg, der viele Steine bereithält

Vorarlberg
25.12.2020 06:30

Ein Kind wird erwartet. Damit beginnt für die Eltern eine Zeit der Neugier und der Ungewissheit, eine Zeit mit Hochs und Tiefs. Im Falle der Familie Bösch aus Lustenau war die Reise besonders herausfordernd.

Kerstin und Christian Bösch haben Berg- und Talfahrten der Gefühle hinter sich. Und sie sagen immer wieder „Ja“ zu dem, was ihren Lebensweg bestimmt.

Rückblick: Die junge Familie wohnt in Lustenau, erfreut sich an ihrer putzmunteren Tochter Michelle und wartet auf die Geburt des zweiten Kindes. Am 13. Juli 2009 erblickt Joana das Licht der Welt. Die Freude über den Familienzuwachs wird sehr schnell getrübt. Das Baby zeige eine blaue Hautfärbung und halte die Körpertemperatur nicht, erfährt Kerstin Bösch. Abends erreicht den stolzen Papa die Hiobsbotschaft: Die Ärzte vermuten, dass das Neugeborene einen Herzfehler hat. Der Winzling ist bereits zur Weiterbehandlung nach Feldkirch gebracht worden.

Der erwartete Glückstag war zu einem Schicksalstag geworden. Wie schwerkrank Joana wirklich war, wurde erst nach umfangreichen Untersuchungen sichtbar. Dazu war das Baby am zweiten Lebenstag in die Uniklinik Innsbruck gebracht worden. „Das Auf und Ab der Gefühle in solch einer Situation ist unbeschreiblich“, sagt Kerstin Bosch über den Moment, in dem ihr klar wurde: Mein Baby ist nicht gesund. Aber - da war immer noch die Hoffnung, dass es nicht so schlimm sein könnte. Bis die Lustenauer vom Facharzt eine Diagnose hörten, die ihre Welt bis in die Grundfesten erschütterte: Die Verbindung vom Herzen zur Lungenschlagader fehlte. Und in der Herzscheidewand hatte Joana ein Loch. In diesen Stunden sagten die Eltern „Ja“ zu dem unbekannten Weg, der vor ihnen lag. Fest stand bald, dass dem Baby nur eine Operation am offenen Herzen helfen konnte.

Bangen um das Leben der kleinen Tochter

Der Zustand von Joana verschlechterte sich binnen einer Woche so stark, dass dem Paar nahegelegt wurde, das Baby nottaufen zu lassen. „Es war schwer, zuzustimmen. Da ist uns richtig bewusst geworden, dass wir unser Mädchen verlieren könnten“, blickt Kerstin Bösch zurück. Die Kleine wurde ins deutsche Kinder-Herzzentrum nach Köln geflogen. Tagelang bangten die Eltern dort um das Joanas Leben. Doch Joana bewies, dass sie trotz ihres kranken Herzens eine Kämpferin ist. Sie entwickelte sich gut - und nach zwei Wochen ging es zurück nach Vorarlberg. Seitdem hat die heute 12-Jährige unter anderem drei Operationen am offenen Herzen sowie sieben Herzkatheterisierungen überstanden.

Das tapfere Mädchen lernt an der Sportmittelschule in Bregenz, ist lebhaft, sportlich - ein Energiebündel. Ausgestanden sind die Ängste um das Leben von Joana aber noch lange nicht. Es braucht immer wieder Zeit und Geld, um die Gesundheit der kleinen Kämpferin zu erhalten. Das weiß die Mutter, ebenso, dass weitere Operationen programmiert sind.

Oft war das Paar am Ende der Kräfte, sorgte sich um die Existenz der Familie. Halbjährliche Fahrten nach Innsbruck zu Untersuchungen, die Übernachtungen dort - das kostet. Bei aller Sparsamkeit blieb da oft nichts übrig. Gemeinsam schafften sie es immer wieder - irgendwie. Hinzu kam, dass die Wohnung in Lustenau ungünstig für die Genesung des kranken Kindes war. Durch Zufall gelang es dem Paar, ein kleines Reihenhaus in Fußach zu kaufen. Natürlich wieder mit der Angst, dass da Monat um Monat Kreditraten zu zahlen sind. Die Familie hielt zusammen, die Eltern arbeiteten viel. „Hilfe erhielten wir etwa vom Verein ’Stunde des Herzens’, dessen Mitglieder in erster Linie für Familien mit kranken und behinderten Kindern einstehen. Obmann Joe Fritsche hat uns in vielen Gesprächen Kraft gegeben, zudem wurden wir auch finanziell unterstützt.“

Hiobsbotschaften und ein großer Lichtblick

Eines der schwierigsten Jahre war 2014: Kerstins Schwiegermutter war Opfer eines Verkehrsunfalls geworden, dessen Folgen sie stark beeinträchtigten. Die Familie half und unterstützte, bis die Schwerstkranke 2016 verstarb. Die nächsten Hiobsbotschaften: Joana musste erneut operiert werden. Das Auto, dringend notwendig für die Fahrten nach Innsbruck, gab den Geist auf. Die Wohnung wurde durch einen Wasserrohrbruch überschwemmt. Ungezählt sind die Tränen, die die junge Mutter heimlich vergossen hat, um dann wieder stark sein zu können. Kraft geben ihr die Gedanken an ihren verstorbenen Großvater. „Opa ist alles für mich gewesen. Ich bitte ihn immer, mich zu stärken“, sagt die 40-Jährige. Und: „Wir haben liebe Freunde, die uns unterstützt haben und dies noch tun.“

Der Lichtblick 2014: Kerstin Bösch war schwanger. Die Familie hatte sich bewusst für das dritte Kind entschieden. Die Eltern waren sicher, dass ihnen und ihren Töchtern ein Baby gut tun würde. Die kleine Lianne kam gesund zur Welt und war von Anfang an ein Sonnenschein.

„Das Leben ist, wie es eben ist“

Vater und Mutter haben ihren Weg angenommen, sind stolz auf die sensible, starke Michelle, die Kämpferin Joana und die fröhliche Lianne. Die drei Mädchen geben den Eltern unendlich viel zurück an Liebe und Vertrauen. „Das Leben mit dem kranken Kind hat uns alle umgekrempelt. Werte wie Bescheidenheit und Glück haben an Bedeutung gewonnen.“

Kerstin Bösch ist lauter geworden, hat gelernt, wie eine Löwin um das Wohl ihrer Töchter zu kämpfen. Dazu will sie anderen Mut machen, etwas weitergeben von dem, was ihre Familie gelernt und erfahren hat. Deshalb entschied sie sich, bei „Stunde des Herzens“ mitzuarbeiten. Sie näht Kopfbedeckungen für krebskranke Kinder, gibt Kraft in Gesprächen.

Kerstin Bösch hat „Ja“ gesagt zu dem Weg, von dem sie nicht wusste, wie viele Steine dieser für sie und ihre Lieben bereit hält. Sie jammert nicht, sondern sagt: „Das Leben ist, wie es eben ist.“

Heidrun Joachim

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