Ludwig bei MA 48

„Orange steht Ihnen gut, Herr Bürgermeister“

Wien
20.09.2020 06:00

Diesen Mitarbeiter der Müllabfuhr kennen wir doch! Bilder, die die Welt noch nicht gesehen hat: Der Wiener Bürgermeister schlüpft für die „Krone“ einen Tag in das Arbeitsgewand der MA 48.

So schlecht kann es den Beinen gar nicht gehen, dass Oswald „Ossi“ Preinl seinen Jungs am Mittwoch keine Jause richtet. Für jeden eine Tasse Kaffee und etwas Süßes, aufgestellt auf einem kleinen Tisch im Vorgarten. Man sieht es ihm an, jeder Schritt eine Qual, aber wenn einer Zucker will, geht „Ossi“ rein und holt ihn. Oswald Preinl ist 77 Jahre alt und lebt seit 77 Jahren im Haus Brunnenhof 19. Der Pensionist macht keinen Hehl daraus, er ist Wähler der SPÖ.

Oswalds Jungs, das sind die Männer von der Müllabfuhr. Andreas Scholz, Christoph Schiller, Karl Fiedler. Und ein Neuer. Wie die anderen ganz in Orange: Kappe, Shirt, Hose, Schürze, alles grell wie ein Kürbis, nur die Schuhe sind schwarz und schwer, damit die Reifen des Müllwagens keine Zehen zerquetschen. Der Neue muss sich nicht vorstellen. Es ist Michael Ludwig. Kein Namensvetter des Bürgermeisters, sondern der echte. Es ist schnell erklärt, wieso der Stadtchef Mülltonnen durch die Straßen rollt. Die „Krone“ ermöglicht allen Spitzenkandidaten einen Tag in jenen Jobs, die sie sich als Kinder erträumt haben.

„Das hat mir immer schon gefallen“
Und das ist ausgerechnet die Müllabfuhr? „Ich finde es beeindruckend, was die MA 48 leistet. Das hat mir immer schon gefallen, dass es Menschen gibt, die Wien zu einer der saubersten Städte weltweit machen“, sagt Michael Ludwig. Eh klar, ein Wahlkampf-Schmäh, seht her, wie bodenständig ich bin. Wer interessiert sich schon für die Müllabfuhr? Wer so denkt, sollte einmal eine Tour mitmachen. Es gibt viele, Junge, Alte, Kinder; sie stehen hinter ihren Gartenzäunen oder schauen aus den Fenstern, sie winken und sie lächeln. „Wir sind jede Woche hier“, sagt etwa eine Mutter, sie hält ihre Tochter im Arm: „Ihr gefällt der Wagen so.“

Müllabfuhr heißt Müllabfuhr, keine Spezialbehandlung für den Bürgermeister. Kurz vor 6 Uhr in der Früh steht er vor dem Depot Am Langen Felde 54 in der Donaustadt im Arbeitsgewand. Er bekommt Handschuhe, eine Nummer größer, denn die Finger werden anschwellen in der Hitze, dann einen Kaffee und die Einschulung am Fahrzeug. Hier stehen, hier nicht drücken, hier ist der Hebel für die Mülltonnen.

Einhängen, hochziehen, die Tonne im Sammelbecken ausbeuteln, runterlassen. Das wird der Rhythmus des Bürgermeisters sein: Hoch, viermal beuteln, runter. 800 Kübel fasst der Wagen.

Sein Einsatzgebiet ist eine ruhige Siedlungsgegend in der Nähe. Afritschgasse, Polletstraße, Kraygasse. Ein Reihenhaus nach dem anderen, davor kleine Gärten, in denen die Tierwelt in Keramik eingefroren Spalier steht. Frösche, Eulen, Löwen, Schildkröten. Augen hat der Bürgermeister dafür keine. Hoch, viermal beuteln, runter. Dazwischen laufen.

Was für ein Kollege ist der Bürgermeister?
Einer von Ludwigs Kollegen für den Tag, Andreas Scholz, ist seit 28 Jahren bei der MA 48. Er liebt den Job, obwohl er wehtut. Knie, Schulter, Bandscheiben, es nutzt sich ab. „Man schwitzt das ganze Jahr“, erklärt er. Man ist auch das ganze Jahr unterwegs. Bei Tropenhitze, bei Eiseskälte. Scholz lobt den Stadtchef: „Er ist Weltklasse. Er sieht, wo es Arbeit gibt, und stellt die Kübel richtig zurück.“

Hoch, viermal beuteln, runter. Ludwig kann eine Tonne kaum vom Fleck bewegen, sie ist bis zum Rand voll mit Katzenstreu. „Der ist hart wie Beton“, sagt er und schafft es doch irgendwie. Einem Pensionisten räumt er den Müll vieler Wochen weg. „Da“, flüstert der Wiener und will ihm einen Zehner zustecken. Ludwig lacht und lehnt ab. Müsste er auch, wenn er nicht Bürgermeister wäre. Geld, Geschenke, Wein, die Mitarbeiter dürfen nichts annehmen. Palatschinken bei „Ossi“ Preinl sind das höchste der Gefühle.

Auf der Straße wird er nur selten erkannt. Liegt am Gewand. Donald Trump könnte hier stehen, und kaum einer würde es bemerken. Wer ihn enttarnt hat, macht ein Selfie. „Orange steht Ihnen gut, Herr Bürgermeister!“, ruft eine Frau. Ludwig rennt. Hoch, viermal beuteln, runter. Bis 14 Uhr. „Die Mitarbeiter der MA 48 sind wie die Helden der Straße“, sagt er am Ende. „Es war anstrengend, man muss auch aufpassen, dass man sich nicht verletzt. Aber es war schön. Die Teamleistung ist großartig.“

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Die Mitarbeiter der MA 48 sind wie die Helden der Straße. Es war anstrengend, man muss auch aufpassen, dass man sich nicht verletzt. Aber es war schön. Die Teamleistung ist großartig.“

Bürgermeister Michael Ludwig

Nächsten Mittwoch, wenn Ludwig einen Anzug trägt, der nicht kürbisfarben ist, wird „Ossi“ Preinl wieder auf seine Jungs warten. Kaffee und Süßes auf dem kleinen Tisch im Vorgarten. Wöchentliche Tradition im Haus Nummer 19. Bei Tropenhitze, bei Eiseskälte. Mit Bürgermeister, ohne. Die MA 48 ist immer unterwegs.

Michael Pommer, Kronen Zeitung

Mit Michael Ludwigs Einsatz bei der MA 48 endet nun diese Serie. Für die „Krone“ versuchten sich alle Spitzenkandidaten einen Tag lang im Berufswunsch ihrer Kindheit. Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache versuchte sich dabei als Wirt. NEOS-Chef Christoph Wiederkehr wollte als kleiner Bub Konditor werden. ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel absolvierte einen Probetag als Tierarzt im Zoo. Grünen-Spitzenkandidatin Birgit Hebein durfte einen Tag lang in die Rolle einer Biobäuerin schlüpfen. Und der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp stellte seine Fähigkeiten als Polizist unter Beweis.

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