Supermarkt geplündert

Im Süden Italiens wächst die Angst vor Revolten

Ausland
28.03.2020 14:46

Im schwer vom Coronavirus gebeutelten Italien, wo bis Samstagvormittag bereits mehr als 9100 Menschen an der Infektion gestorben sind, nimmt die Lage immer bedenklichere Ausmaße an. Wegen der restriktiven Maßnahmen zur Eingrenzung der Pandemie wächst vor allem im wirtschaftlich schwächeren Süden des Landes die Sorge, dass Revolten ausbrechen könnten. Am Freitag sorgte etwa eine Gruppe von Plünderern für Aufsehen, die in Palermo einen Supermarkt stürmte und mit geraubten Waren die Flucht ergriff.

Der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, sprach von organisierten Gruppen, die im Internet zu gewalttätigen Aktionen aufriefen. Die Stadt sei auf der Seite bedürftiger Bürger, die Lebensmittel benötigten. Allein in Palermo seien 2500 Hilfeappelle bedürftiger Menschen ohne Lebensmittel eingetroffen.

„Soziales Pulverfass“ Süditalien
Der Minister für Süditalien, Giuseppe Provenzano, warnte, dass der wirtschaftlich benachteiligte Süden Italiens zu einem „sozialen Pulverfass“ werden könnte, sollten die Ausgangssperre und der Produktionsstopp noch länger dauern. „Diese Krise hat in einer Zeit begonnen, in der es bereits tiefe Unterschiede zwischen Regionen im Land gibt“, sagte der Minister am Samstag im Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“.

Italiens Regierung, die derzeit auch ein Notstandseinkommen für alle Bürger prüft, warnte vor der Gefahr, dass Liquiditätsprobleme Unternehmen in Süditalien bewegen könnten, sich bei der Mafia Geld zu besorgen. Das Risiko sei, dass das organisierte Verbrechen den Coronavirus-Notstand nutze, um tiefer in die wirtschaftliche Struktur des Südens einzudringen, warnten die Anti-Mafia-Experten des Innenministeriums.

Mafia könnte die Situation ausnutzen
Der sizilianische Regionalparlamentarier Claudio Fava warnte davor, süditalienische Bürgermeister allein im Umgang mit einer akuten sozialen Krise zu lassen. „Die Gefahr ist, dass die Mafia die Situation und ihre Geldliquidität ausnutzt, um mit Wucher und Korruption immer mehr die Kontrolle zu übernehmen“, sagte Fava.

„Coronavirus ist das Ebola der Reichen“
Am schlimmsten hat das Coronavirus jedoch den Norden des Landes erwischt. Dort plädierten Ärzte eines Krankenhauses in Bergamo, der von der Covid-19-Pandemie am stärksten betroffenen Stadt Italiens, für „mehr gemeindezentrierte Behandlungen“ und weniger Fokussierung auf Kliniken. „Das Coronavirus ist das Ebola der Reichen und es erfordert eine transnationale Anstrengung“, so die Ärzte.

Mit einem Brief im prestigereichen „New England Journal of Medicine“ richteten sich 13 Ärzte des Krankenhauses von Bergamo an die Öffentlichkeit. Sie berichten darin, dass sie weit über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus arbeiten. „Die Katastrophe, die sich gerade in der reichen Lombardei ereignet, könnte überall passieren. Wir Kliniker eines Krankenhauses, das im Epizentrum liegt, raten dringend zu einem Langzeitplan für die nächste Pandemie.“

Mattarella mit ungewollter Komik: „Auch ich gehe nicht zum Friseur“
Trotz des Ernstes der Lage hat sich Italiens Präsident Sergio Mattarella in einer ungewollt komischen Situation die Sympathie seiner Landsleute zugezogen: Als sich der äußerst respektierte Staatschef am Freitag für eine Ansprache im Fernsehen vorbereitete, hüstelte und räusperte, ertönte die Stimme seines Beraters Giovanni Grasso aus dem Off, der ihn aufforderte, eine rebellische Haarsträhne zu glätten.

Der 78-jährige Präsident kam der Aufforderung zunächst ohne große Überzeugung nach und erklärte dann: „Eh Giovanni, auch ich gehe nicht mehr zum Friseur.“ Mattarellas Auftritt wurde in allen Medien übertragen, ohne dass die fragliche Szene, die nicht zur Sendung bestimmt war, herausgeschnitten wurde. Der Präsidentenpalast entschuldigte sich später für den Fehler.

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