„Krone“-Interview

40 Jahre UNO in Wien: „Parlament der ganzen Welt“

Wien
24.08.2019 06:00

Exakt vor 40 Jahren wurde die UNO-City in Wien-Donaustadt an die Vereinten Nationen übergeben. Aus diesem Anlass stattete die Präsidentin der Generalversammlung der UNO, Maria Fernanda Espinosa Garcés, Wien einen Besuch ab und gab der „Krone“ ein Interview. Sie sieht sich selbst und ihre Position als eine Art „Hüterin des Multilateralismus“ und bezeichnet die Generalversammlung der UNO als „Welt-Parlament“.

„Krone“: Was waren die Hauptthemen und Anliegen Ihres Vorsitzes in den vergangenen sechs Monaten?
Maria Fernanda Espinosa Garcés: Ich habe versucht, die UNO relevanter für uns alle zu machen und näher an die Menschen zu bringen. Ein Teil der Herausforderungen für die UNO ist es, zu erklären, was wir tun und warum das so wichtig ist für das Leben der Menschen. Ich bin besonders erfreut, wie viel Gewicht wir den Gleichberechtigungsfragen gegeben haben. Außerdem versuchen wir, ein weltweites Verbot von Einwegplastik durchzusetzen. Dafür gibt es große öffentliche Zustimmung. Heuer haben wir sämtliches Einwegplastik aus den UN-Hauptquartieren in New York und Genf verbannt. Andere UNO-Büros werden folgen.

Die UNO steckt in einem Reformprozess, was ihre Effizienz, ihre Glaubwürdigkeit und Relevanz anbelangt. Die Generalversammlung hat eine zentrale Rolle in diesem komplexen Prozess inklusive der Wiederbelebung ihrer eigenen Arbeit als das größte repräsentative Gremium der Welt. Zentral ist dabei die Wiederbelebung des Multilateralismus im Interesse der Menschen und unseres Planeten.

Was kann die Generalversammlung in Sachen Klimaschutz auf die Beine stellen?
Der Klimawandel ist eine existenzielle Gefahr für die Menschheit. Der Generalversammlung, die als eine Art Parlament der ganzen Welt arbeitet, kommt eine kritische Rolle zu, indem sie Mitgliedsstaaten zusammenbringt. Die vielfältigen Herausforderungen des Klimawandels können nur gemeinsam angegangen werden, damit die Erderwärmung das 1,5-Grad-Ziel nicht überschreitet, das bei der Weltklimakonferenz in Paris beschlossen worden ist.

Die Asiaten wollen die Generalversammlung auf- und den Sicherheitsrat abwerten. Gibt es angesichts der Vetomächte im Sicherheitsrat eine Chance, dass das auch jemals passieren wird?
In meiner Rolle als Präsidentin der Generalversammlung muss ich mich an die UNO-Charter halten, die meine Funktion sehr klar definiert. Ich habe eine Verantwortung allen 193 Mitgliedsstaaten gegenüber, die mich auch gewählt haben. Der Prozess einer Reform des Sicherheitsrates, über den in der Generalversammlung diskutiert wird, liegt in den Händen der Mitgliedsstaaten.

Da der Sicherheitsrat aufgrund der Vetomacht China nichts zu Hongkong sagen wird, wird die Generalversammlung dazu Stellung beziehen?
Es ist Sache der Mitgliedsstaaten, zu entscheiden, wie sie mit Problemen jeder Art umgehen. Die Situation in Hongkong verlangt von uns allen eine besonders umsichtige Beurteilung, damit die schon so angespannte Situation nicht noch mehr eskaliert.

Was ist die Rolle der Generalversammlung im Zusammenhang mit dem Iran-Abkommen, wo man davon ausgehen kann, dass der Iran das Podium benutzen wird, um die Amerikaner anzugreifen?
Ich habe schon oft klargemacht, dass das Wiener Atomabkommen beste Rahmenbedingungen bietet für den Weg nach vorne. Dialog ist der einzige Weg, um auf die gegenseitigen Sorgen einzugehen und die Differenzen zu lösen.

Unter Kofi Annan hatte die UNO eine sehr aktive Rolle. Diese Phase scheint nun vorbei. Wohin wird sich die UNO also entwickeln?
Ich denke, Multilateralismus und internationale Zusammenarbeit im Allgemeinen werden genau zu dem Zeitpunkt infrage gestellt, wo wir sie am meisten brauchen, um auf die globalen Probleme zu antworten. Die Welt braucht einen Multilateralismus, der effektiv und transparent ist und alle mit einbezieht. Vor allem muss die Hilfe effizienter werden für Menschen in Not, Opfer von gewalttätigen Konflikten, Armen, Unterernährten und Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt werden. Dafür braucht es ein Update der UNO. Sie muss weniger bürokratisch, dafür aber ergebnisorientierter arbeiten.

Multilateralismus ist eine Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg. Wie viel davon gibt es in Zeiten, wo Unilateralisten wie Donald Trump in wichtigen Mitgliedsstaaten an der Macht sind?
Wir möchten die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Wir müssen das Vertrauen in das multilaterale System wieder stärken. Als Präsidentin der Generalversammlung sehe ich meine Rolle als „Hüterin des Multilateralismus“. Es gibt keinen anderen Weg, um die globalen Probleme zu lösen.

Was sagen Sie den Österreichern und Wienern angesichts 40 Jahre UNO-City in Wien?
Ich möchte Danke sagen, dass Sie die UNO in ihrem wunderschönen Land beherbergen. Danke, dass sie den Multilateralismus hochhalten und die Grundprinzipien der UNO.

C. Hauenstein und C. Schwerer, Kronen Zeitung

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