Der im Bundeskanzleramt angesiedelte Datenschutzrat gab vor rund zwei Wochen, am letzten Tag der Begutachtungsfrist für die Novelle, die Bures mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte ausarbeiten ließ, kein grünes Licht. Der Entwurf sei mangelhaft, außerdem fehle die Abstimmung zwischen den Ministerien, hieß es.
Bures war schon davor für ihren Alleingang kritisiert worden. Sie strebte aber von jeher nur eine Mindestumsetzung der EU-Richtlinie an. Die für sechs Monate gespeicherten Verbindungsdaten zu Telefonaten, SMS, E-Mail und besuchten Websites sollten nur zur "Verfolgung von schweren Straftaten" dienen.
Justiz und Inneres schöpfen aus den Vollen
Jetzt haben die Ressorts von Innenministerin Maria Fekter und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner ihre Vorstellungen zur Umgestaltung der Bures-Novelle abgegeben - und wollen plötzlich den Zugriff schon bei Delikten mit einer Strafdrohung ab einem Jahr Haft ermöglichen. Außerdem möchte die Justiz die Internet-Daten zumindest drei Monate lang auch zur Klärung von Copyrightverletzungen verwenden dürfen.
Christof Tschohl vom Boltzmann Institut für Menschenrechte, einer der Autoren des ursprünglichen Gesetzesentwurfes, warnt nun vor einem "Dammbruch" beim Datenschutz.
Daten-Herausgabe bei Vandalismus und Filesharing
Mit der Vorratsdatenspeicherung sollen ja sämtliche Verbindungsdaten von Internet-, Telefon- und E-Mail-Anwendern künftig ein halbes Jahr lang gespeichert werden - und zwar bei allen Teilnehmern, ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts. Damit können die Behörden künftig feststellen, wer wann wie lange von wo aus mit wem kommuniziert hat und welche Websites er besucht hat. Verwendet werden sollen die Daten laut einer 2006 erlassenen EU-Richtlinie und Bures-Novelle aber nur zur "Verfolgung von schweren Straftaten" und nur mit einer richterlichen Erlaubnis.
Justiz- und Innenministerium wollen nun aber schon beim Verdacht einer "mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Straftat" auf die Daten zugreifen dürfen. Darunter fällt jetzt nicht mehr nur Schwerkriminalität, sondern etwa auch Delikte wie schwere Sachbeschädigung (z. B. Schadenssumme über 3.000 Euro). Darüberhinaus geht aus den Stellungnahmen der Ressorts zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes hervor, dass man die gespeicherten Internet-Daten zumindest drei Monate lang auch zur Klärung von Copyright-Delikten verwenden möchte.
Tschohl gehen diese Wünsche zu weit. Beim Copyright gehe es den geschädigten Konzernen in der Praxis nicht um Strafverfahren, sondern um zivilrechtlichen Schadenersatz, warnt Tschohl. Beispiele davon gibt es zur Genüge: von Abmahnwellen gegen Filesharer, deren IP-Adressen sich Anwälte über Tauschbörsen besorgen, bis hin zu Schauprozessen wegen geringer Übertretungen, bei denen die Angeklagten mit Schadensersatzzahlungen in den finanziellen Ruin getrieben werden. Werde für so etwas auf "Vorratsdaten" zurückgegriffen, dann drohe als nächstes der Zugriff zur Verfolgung von Ehrenbeleidigung im Internet. "Wenn man das aufmacht, dann haben wir einen Dammbruch", meint Tschohl.
Tschohl fordert: Keine E-Mails, keine Websites
Der Rechtsexperte fordert angesichts der Begehrlichkeiten die Rücknahme der Novelle und eine Neufassung. Gespeichert werden sollen demnach nicht mehr alle Verbindungsdaten für Handy, Telefon, E-Mail und Internet, sondern nur noch jene Daten, die von den Telekom-Firmen tatsächlich für Verrechnungszwecke benötigt werden. In Zeiten der Flat-Rate-Tarife bei Internet und Handy wären das deutlich weniger, betont Tschohl: E-Mail-Verbindungen würden damit damit wegfallen, die Adressen der besuchten Internet-Seiten in den meisten Fällen ebenfalls.
Außerdem plädiert Tschohl dafür, dass die Verwendung der Vorratsdaten bei jedem Delikt auf ihre "Verhältnismäßigkeit" geprüft werden sollte, statt starr auf eine Mindest-Strafdrohung abzustellen. So könnte man z. B. Kinderporno-Konsumenten im Internet verfolgen, auch wenn die Strafdrohung (wie vom Innenministerium moniert) weniger als ein Jahr Haft beträgt. In anderen Fällen - wenn etwa lediglich ein Inkassobüro über den Umweg einer Privatanklage die Identität eines Internet-Benutzers klären möchte - könnte man die Verwendung der Daten verweigern.
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