Briten suchen Soldaten

Armee umgarnt Zocker, Telefon-Zombies & Millenials

Ausland
04.01.2019 18:54

Die britische Armee fordert jetzt „,Schneeflocken‘, Selfie-Süchtige, Klassenclowns, Telefon-Zombies und ,Ich-Ich-Millennials‘“ in einer speziell auf junge Menschen zugeschnittenen Rekrutierungskampagne auf, sich für den Militärdienst zu bewerben. Die Kampagne mit Plakaten und Videos mit dem Titel „Your Army Needs You“ (Deine Armee braucht dich) legt nahe, dass das, was der Rest der Gesellschaft als Schwäche bzw. Charakterschwäche sieht, bei Soldaten als Stärke angesehen werden kann. 

Die Kampagne besagt, dass die Armee das „Mitgefühl“ von „Schneeflocken“ (als Snowflakes werden im englischsprachigen Raum Menschen abschätzig bezeichnet, die als emotional hochverletzlich, psychisch fragil und wenig widerstandsfähig wahrgenommen werden), den „unerschütterlichen Glauben an sich selbst“ der Millennials, das „Selbstvertrauen“ der Selfie-Süchtigen, den „Antrieb“ von Binge-Gamern und den „Fokus“ von Telefon-Zombies nutzen könnte.

Die Armee habe die neue Kampagne so konzipiert, dass sie über Stereotypen hinausschaut und „Menschen anders sieht“ und ihr „Bedürfnis nach einem größeren Sinn anerkennt“, erklärte Generalmajor Paul Nanson das Rekrutierungsprogramm der britischen Streitkräfte gegenüber dem „Guardian“. „Die Armee sieht die Menschen anders, und wir sind stolz darauf, über die Klischees hinauszuschauen und das Potenzial junger Menschen zu erkennen, von Mitgefühl bis Selbstvertrauen“, so Nanson.

Plakate basieren auf berühmtem Propaganda-Poster
So modern man sich damit auch geben will, Slogan und Design der Plakate basieren auf dem historischen Poster „Your Country Needs You“. Das Plakat aus dem Ersten Weltkrieg zeigt Feldmarschall Lord Kitchener und zählt zu den berühmtesten Propaganda-Bildern der Geschichte. Das Design wurde seither für Rekrutierungskampagnen rund um den Globus kopiert, von der „Uncle Sam“-Version in den USA wurden allein im Ersten Weltkrieg vier Millionen Exemplare gedruckt.

Neben den Plakaten wurden am Mittwoch auch mehrere Clips auf dem YouTube-Kanal der Armee gepostet. Die Videos bauen auf der Idee auf, dass sich junge ehrgeizige Menschen unterbewertet fühlen und auf der Suche nach einem Job mit mehr Sinn sind. Die potenziellen Rekruten werden zuerst zu Hause oder bei der Arbeit gezeigt, bevor dann jemand anderer sie abwertend in eine Schublade steckt. Hier ändert sich die Szene und die Protagonisten werden plötzlich in der Armee gezeigt. Das reicht von Soldaten, die humanitäre Einsätze in vom Krieg zerstörten Dörfern unterstützen, über Helikopterpiloten bis hin zum Katastropheneinsatz.

So wird etwa ein Computerspieler beim nächtlichen Zocken gezeigt, der nach Ansicht der Armee Ausdauer und Hingabe zeigt. In einer anderen Szene wird gezeigt, wie eine junge Frau langsam vor einem Supermarkt Einkaufswagen zusammenstellt - zum Ärger ihrer Kollegen, aber die Armee deutet dies lieber so: Die Fau sei eine langsame und beständige Perfektionistin mit viel Geduld.

Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson bezeichnete die Kampagne als „einen starken Aufruf zum Handeln, der diejenigen anspricht, die als Teil eines innovativen und inklusiven Teams etwas bewegen wollen“. Es zeige demnach, dass die Zeit, die man in der Armee verbringe, Menschen mit Fähigkeiten fürs Leben ausstattet und Kameradschaft, Abenteuer und Möglichkeiten bietet, wie es bei keinem anderen Job der Fall sei. „Nun sind alle Jobs in der Armee für Männer und Frauen offen. Das Beste ist gerade besser geworden“, so Williamson.

Armee kämpft seit Jahren mit Soldatenmangel
Die aktuelle Rekrutierungskampagne zeigt aber auch den dringenden Handlungsbedarf bei den britischen Streitkräften. Denn die zuletzt gesteckten Rekrutierungsziele wurden bislang nicht erreicht, obwohl das Militär dazu im Jahr 2012 einen Vertrag in der Höhe von rund 500 Millionen Euro an den Outsourcing-Riesen Capita vergeben hatte, wie der „Guardian“ berichtete. Seit Vertragsbeginn habe man in keinem Jahr die benötigte Zahl an Soldaten rekrutiert.

Die Armee verfügt demnach aktuell über 77.000 voll ausgebildete Truppen - benötigt werden aber 82.500, auch wegen dem immer näher rückenden Brexit-Termin. So hatte Verteidigungsminister Williamson erst kurz vor Weihnachten die Mobilisierung von 3500 Soldaten angekündigt, um für den Fall eines Chaos-Brexit im kommenden März auf „alle Eventualitäten“ vorbereitet zu sein.

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