„Krone“-Interview

Bömbers: „Lemmy war stets ein echter Sir“

Musik
28.12.2018 07:00

Drei Jahre sind mittlerweile vergangen, als Motörhead-Frontmann und Rock‘n‘Roll-Legende Lemmy Kilmister diese Welt verließ - doch sein Vermächtnis lebt weiter. Zum Beispiel beim norwegischen Trio Bömbers, das seinem großen Idol seit mittlerweile 23 Jahren huldigt und zu den bekanntesten und besten Motörhead-Coverbands zählt. Anlässlich des Todestages haben wir das Trio zum Gespräch gebeten, um die Faszination Motörhead noch einmal richtig einfangen zu können.

(Bild: kmm)

Bei der Space-Rock-Band Hawkwind lernte er sein Handwerk, doch mit seiner Rock‘n‘Roll-Band Motörhead wurde er zur Legende: Lemmy Kilmister. Zeit seines Lebens und weit darüber hinaus galt Lemmy stets als integre, offene und vor allem grundehrliche Figur, wie man sie im Haifischtank Musikbusiness nur allzu selten findet. Der Mann mit der markanten Gesichtswarze, der Reibeisenstimme und seiner untrüglichen Liebe für Whisky-Cola passte sich niemals irgendwelchen Trends an und wurde somit zur tragischen Kultfigur, die schlussendlich doch dem brutalen Lebensstil mit viel zu viel Drogen und Alkohol Tribut zollen musste. Doch die Legende um Lemmy und Motörhead lebt ebenso weiter, wie seine unsterbliche Musik. Das bezeugen nicht zuletzt unzählige Coverbands, die sich weltweit formierten. Zu den bekanntesten und besten zählen die Norweger Bömbers, die schon seit Mai 1996 ihre Liebe zum Hobby gemacht haben. Den Part von Lemmy bezieht der ehemalige Immortal-Frontmann und Black-Metal-Musiker Abbath aka Killminister, seine Jugendfreunde Fast Tore (Tore Bratseth) und Party Animal Taylor (aka Paz) vollenden die Tributband, die an die klassische Motörhead-Ära angelehnt ist. Im Interview haben uns Killminister und Fast Tore über ihre Liebe zu Motörhead, persönliche Treffen und die spezielle Energie der Band erzählt.

„Krone“:Killminister, Tore - als ihr 1996 die Bömbers ins Leben gerufen habt, haben Motörhead gerade „Overnight Sensation“ veröffentlicht, eines ihrer weniger glanzvollen Alben. Besteht zwischen diesem Werk und der Bandgründung ein kausaler Zusammenhang?
Abbath:
Im Mai 1996 haben wir das erste Mal geprobt, das weiß ich noch genau.
Tore: Wir drei in der Band waren damals unterwegs und danach haben wir uns Motörheads legendäres Livealbum „No Sleep Til‘ Hammersmith“ angehört.
Abbath: „Overnight Sensation“ war tatsächlich eine leichte Enttäuschung, denn davor verließ Gitarrist Michael „Würzel“ Burston die Band - und er war mir immer lieber als Phil Campbell. Ich will ihn jetzt nicht schlechtreden, aber anfangs hat er die Band nicht zwingend verbessert. „Inferno“ oder „Hammered“ waren schon leichte Enttäuschungen, aber es war trotzdem immer Motörhead. Sie sind wie AC/DC - der Sound war immer ähnlich, Lemmys Stimme gut und die Texte stets ausgereift. Wenn du aber alle schwachen Motörhead-Alben hernimmst und die besten Songs herauspickst, hast du immer noch ein großartiges Werk.

Da wird euch kein Fan widersprechen. Ihr spielt Motörhead nicht nur, ihr lebt diese Band auch, habt beide Logo-Tätowierungen auf euren Körpern. Warum genau Motörhead und nicht etwa AC/DC oder sonstwer?
Abbath:
Unser Drummer Paz ist etwas älter als wir und musiziert schon länger. Als Tore und ich 1988 mit Old Funeral unsere erste Metalband gründeten, hing Paz oft bei uns ab und spielte Motörhead-Riffs.
Tore: Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Abbath und ich von der Schule nachhause gingen und Paz das ganze „Bomber“-Album spielte und auf unserem Heimweg aus seinem Küchenfenster tönte.
Abbath: Bevor ich ihn überhaupt kannte, hörte ich schon „Bomber“ und „Overkill“ aus seinem Fenster tönen.

Damit wart ihr infiziert.
Tore:
Er ist fünf Jahre älter als wir, was unter Kids natürlich eine Welt ist, aber wir sind dadurch sehr schnell Freunde geworden.
Abbath: 1982 war ich ein paar Mal bei Tore zuhause und sein Vater hatte schon ein Motörhead-Album. Im selben Jahr erschien „Iron Fist“ und allgemein passierte musikalisch viel zu dieser Zeit. Ich habe damals auch KISS entdeckt und mit „Creatures Of The Night“ bzw. Iron Maiden mit „The Number Of The Beast“ veröffentlichten zwei weitere wichtige Bands ihre besten Alben. Die Faszination war in uns geweckt und wir sind mit diesen Bands aufgewachsen. 1996 waren wir drei in Bergen unterwegs und als das letzte Pub schloss, haben wir uns daheim noch „No Sleep Til‘ Hammersmith“ reingezogen. Ich selbst war nie ein Fan von Coverbands, es gibt einfach viel zu viele schlechte da draußen. Aber die Motörhead-Sache hörte sich sinnvoll für uns an.
Tore: Motörhead waren immer die einzige Band, die sich nicht hinter eine Maske versteckte und stets zu 100 Prozent ehrlich war. Das ist für mich auch die wichtigste Eigenschaft der Menschheit. Das hat mich immer fasziniert.
Abbath: Als wir die Bömbers gründeten, hatte ich mit meiner Hauptband Immortal gerade einen neuen Proberaum bezogen und unser Drummer Horgh wurde Teil der Band. Wir haben dann einfach in der freien Zeit zum Spaß herumgeprobt und ein bisschen gespielt. Da war anfangs überhaupt nichts dahinter, wir hatten keine weiteren Ambitionen.

Abseits des Spaßes nehmt ihr die Bömbers aber sehr ernst. Zumindest versucht ihr die Motörhead-Songs so professionell wie möglich zu covern.
Abbath:
Das ist absolut richtig, wir sind auch mit jeder Probe immer besser geworden. Irgendwann wurden die Proben und unsere Ehrerbietung Motörhead gegenüber zu einer Art heiligen Sache für uns. Die nächsten Jahre hatte ich viele Probleme mit Immortal und wir haben die Band damals auch aufgelöst. Es gab daher mehr Zeit für die Bömbers und ich habe das Projekt immer ernster genommen. Über die Jahre habe ich gemerkt, dass die Bömbers eigentlich meine einzig wahre Band sind. Nirgendwo war die Atmosphäre unter den einzelnen Mitgliedern so locker und ungezwungen wie hier - es geht einfach um puren Rock’n’Roll.

Ihr beide seid ja zusammen aufgewachsen, also tatsächlich richtige Kindheitsfreunde.
Tore:
Wir kennen uns seit 1982, da waren wir acht Jahre alt. Wir sind zusammen in die Schule gegangen, haben die erste Band gegründet und zusammengearbeitet. Als Abbath dann mit Immortal durchstartete, war ich bei ihnen zumindest der Typ, der auf einigen Europatouren das Merchandise machte. Ich war immer im Hintergrund, das hat mir einfach besser gefallen. (lacht)
Abbath: Nach Old Funeral wollte ich in eine andere Richtung gehen, also habe ich mit Demonaz Immortal gegründet. Tore wollte da nicht mehr ganz mitziehen, aber wir blieben trotzdem die besten Freunde. Vor Horgh hatten wir auch bei Immortal keinen wichtigen Drummer - auf zwei Alben habe ich das Schlagzeug eingespielt. Seit ich als Abbath Solokünstler bin, trete ich als Abbath und mit den Bömbers oft auf denselben Festivals auf. Wir proben aber immer mehr, nehmen alles ernst und spielen auch viel mehr Liveshows. Die Bömbers sind einfach zu einem wichtigen Schicksal für uns geworden. Egal, was mit Immortal passierte oder mit meiner Solokarriere passieren wird - die Bömbers sind meine wichtigste Konstante. Ohne dieses Projekt hätte ich bestimmt schon vor langer Zeit meinen Verstand verloren. (lacht)

Tore, auch du hast andere Metalprojekte, mit denen du in der Szene verankert bist. Ist das Reisen und Livespielen mit den Bömbers so etwas wie Urlaub für euch? Eine Art ungezwungener Bubenausflug?
Tore:
Für mich sind die Bömbers heilig, weil wir die Quintessenz des Rock’n’Roll mit viel Spaß wiedergeben. Wenn ich das Lächeln der Menschen im Publikum sehe, weiß ich, dass wir alles richtigmachen. Wir sehen die Band nicht als Geschäft und keine Plattenfirma kann uns eine Deadline stellen. Wir sind komplett frei und unabhängig, tun einfach, was wir für richtig halten.
Abbath: Wir haben gemerkt, dass wir die große Chance haben, wirklich tun zu können, was wir wollen. Das ist unbezahlbar.
Tore: Wir spielen mittlerweile richtig große Festivals, wie auf dem Wacken oder sogar dem Ozzfest. Wie cool ist das bitte?
Abbath: Wir sind alles andere als perfekt, aber unser Projekt lebt von unseren Persönlichkeiten und unserer Interpretation von Motörhead-Songs. Wenn wir glauben, dass etwas fehlt, dann bauen wir einfach unseren eigenen Stil in einen kultigen Song ein. Tore macht es eigentlich nicht anders wie Phil Campbell früher - er spielt einfach nach Gefühl und versucht nicht eins zu eins die bestehenden Harmonien nachzuspielen. Wir sind selbst unsere größten Kritiker und verdammt bescheiden.

Ihr habt beide diverse Originalmitglieder von Motörhead, darunter Lemmy selbst, mehrmals getroffen und kennenlernen dürfen. Hatte das einen entscheidenden Einfluss auf die Motivation der Bömbers?
Tore:
Ich habe Lemmy vielleicht 20 Mal getroffen und mit Mikkey Dee einmal zusammen in Hamburg gespielt. Lemmy kam in Norwegen sogar einmal, um sich eine Show von uns anzusehen. Er war immer nett zu mir und ein echter Sir. Ich arbeitete auch nebenbei als Musikjournalist für diverse Magazine und gebe dir jetzt ein Beispiel, wie cool er immer war. Ich hatte einmal einen Termin mit ihm in Schweden, es war ein 15. Mai, aber sein Flug wurde gestrichen und er konnte nicht kommen. Das Interview fand nicht statt, aber er rief mich an, entschuldigte sich und meinte, ich solle eben nach London kommen. Er zahlte mir den Flug und zwei Nächte in einem wirklich schönen Hotel und ich durfte ein langes Interview mit ihm führen. Was für ein Gentleman - wer macht so etwas?
Abbath: Beim Roskilde Festival 1992 trafen Demonaz und ich Lemmy das erste Mal. Wir haben ihn in einer Bar am Flughafen getroffen und nach einem Foto gefragt, hatten auch kein Geld eingesteckt. Er hat uns gleich auf ein Bier und einen Bourbon eingeladen. Wir saßen mit ihm zwei Stunden zusammen, weil sein Flug noch nicht ging und er trank einfach mit uns. Er hatte einen Walkman bei sich und wir haben gerade unser erstes Immortal-Album „Diabolical Fullmoon Mysticism“ aufgenommen. Wir haben ihn gefragt, ob er unsere Musik hören möchte und er sagte, zuerst müssen wir sein Zeug hören. (lacht) Er spielte uns den rohen Mix des „Bastards“-Album vor - das ist einfach unvergesslich. Ich habe Lemmy dann auf diversen Festivals getroffen und er nahm sich immer Zeit für seine Fans. Er war ihnen gegenüber niemals genervt und unfreundlich.

Lemmy war einer der wenigen Musiker, der jeden Menschen gleich behandelte und niemals einen Unterschied machte.
Tore:
Er hat eine Putzfrau stets gleich behandelt wie einen großen Manager - ein Gentleman durch und durch.
Abbath: Am Flughafen haben wir ihn damals gefragt, warum er uns so nett behandelte als Rockstar, weil wir ja absolute Niemande waren. Er sagte dann nur mit seiner unverkennbaren Stimme: „Ich habe vor 25 Jahren aufgehört ein Rockstar zu sein.“ (lacht)

Habt ihr als Fans von Rockmusik nie darüber nachgedacht, eine neue Band zu gründen und mit eigenen Kompositionen im Stile von Motörhead zu touren?
Abbath:
Ich denke sehr oft daran, aber wir haben das noch nie genau ausgeredet. Ich bin immer von Rock beeinflusst. Für mein Projekt I habe ich den Song „The Storm I Ride“ geschrieben, wo du ein KISS-Riff heraushörst. Das ist aber eine gute Frage, weil wir uns ein eigenes Projekt wirklich überlegt haben. Warten wir einmal ab.

Mit den Bömbers werdet ihr aber in jedem Fall weitermachen?
Tore:
Diese Band wird alles überdauern. Sie wird so lange existieren, solange wir mit unseren Händen noch etwas anfangen können. Die Band ist heilig, ich könnte ohne sie gar nicht existieren.

Wie viele Motörhead-Songs könnt ihr eigentlich spielen?
Tore:
Wir haben etwa 40 Songs geprobt und spielen live meistens etwa um die 25. Also so rund 80 Minuten.

Gibt es neben den bekannten Klassikern eigentlich bestimmte Songs, die ihr besonders gern mögt?
Tore:
Ich liebe „I’ll Be Your Sister“ und „Over The Top“. Diese Songs haben so viel Groove und Lemmy ist stimmlich dort so gut wie nirgendwo anders. Ich will sofort ins Jahr 1979 zurück, wenn ich auch nur den Ansatz dieser Lieder höre. (lacht)
Abbath: Ich liebe „Stone Deaf Forever“ - die Nummer haben wir schon bei den allerersten Proben gespielt. Wir haben sie dann einmal zur Seite gelegt, aber wieder ins Set aufgenommen. „Jailbait“ ist auch eine wirklich großartige Nummer. Wenn man einen gewissen Enthusiasmus mitbringt, ist es ziemlich leicht, Motörhead-Songs zu spielen. Speziell mit „Philthy Animal“ Taylor, ihrem legendären Drummer, haben sie live alle Songs viel zu schnell gespielt. (lacht) „Orgasmatron“ hat er mit seiner Geschwindigkeit oft bis zur Unkenntlichkeit verändert.

Habt ihr aus der Fan-Perspektive Angst, dass irgendjemand auf die Idee kommen könnte, Motörhead ohne Lemmy wiederzubeleben?
Tore:
Absolut ausgeschlossen! Das steht völlig außer Frage. Vielleicht spielen sie ein paar Tribute-Shows als Ehrerbietung, aber sie werden niemals den Namen oder das Logo von Motörhead verwenden. Phil Campbell und Mikkey Dee spielten unlängst mit Saxon drei Motörhead-Songs, aber das ist ein Tribut und keine Ausschlachtung.

Man kann heutzutage nicht mehr wissen, was so alles passiert. Hologramme werden auch immer populärer. Wie unlängst mit Ronnie James Dio.
Abbath:
Ich gebe einen Scheiß auf diesen Mist. Was für ein Blödsinn. Dio hätte dem niemals zugestimmt, mit keiner Phase seines Seins. Da bin ich mir ganz sicher. Ich habe ihn in Wacken 2004 getroffen, er war auch ein unglaublicher Gentleman.

Wie viel Zeit könnt ihr pro Jahr für die Bömbers aufbringen neben all den anderen Dinge, die ihr in euren Leben so praktiziert?
Tore:
Wir wohnen beide ziemlich nahe nebeneinander in Bergen und brauchen nur 15 Minuten bis zu unserem Proberaum. Da gibt es schon mal überhaupt kein Problem.
Abbath: Ich bin mir sehr sicher, dass ich länger bei den Bömbers sein werde, als dass ich als Abbath auftrete. Diese Band wird alle Projekte überleben.

Ihr seid mit den Bömbers in der Welt auch schon ordentlich rumgekommen. Habt ihr da spezielle Erfahrungen gemacht, die ihr nie mehr vergessen werdet?
Tore:
Wir haben als Tribute-Band in New York und Malta gespielt - wer hat schon diese Möglichkeit? Zuletzt wurden wir auf die großen Festivals gebucht und auch das ist eine große Ehre. Das ist total cool. Wir haben die Philosophie, dass wir überall spielen, solange die Stimmung passt und das Bier kalt ist. Wir spielen auch Garten- und Geburtstagsfeiern, solange die Beweggründe dafür die richtigen sind.
Abbath: Uns ist auch wichtig zu wissen, dass Lemmy uns akzeptierte. Wir haben das sogar auf Video! Er hat uns gesehen und gab uns seinen Segen. Mehr kannst du mit den Bömbers nicht erreichen.

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