Talk mit Katia Wagner

„Erstmals seit Langem Regierung, die arbeitet“

Österreich
07.11.2018 20:05

Migration, Sozialsystem, Arbeitsmarkt - wohin steuert Österreich unter Türkis-Blau? Und sollte man diesen Kurs korrigieren? Unter der Leitung von krone.at-Kolumnistin Katia Wagner diskutierten im „Krone“-Studio am Mittwoch der Psychoanalytiker, Unternehmensberater und ÖVP-Abgeordnete Martin Engelberg, Journalist und Autor Christian Ortner („Die Presse“, „Wiener Zeitung“), SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda sowie die Pädagogin, Aktivistin und Liste-Pilz-Parteichefin Maria Stern. Der Tenor: Natürlich ist nicht alles gut - aber auch nicht alles schlecht. Besonders das Integrations- und Migrationsthema (Stichwort UN-Pakt) sorgt aber nach wie vor für heftige Kontroversen. Die Highlights sehen Sie oben im Video, den kompletten Talk zum Nachsehen finden Sie hier!

Die türkis-blaue Bundesregierung steht derzeit wohl mehr im Kreuzfeuer als je zuvor - Opposition und diverse Beobachter orten Symbolpolitik als Ablenkung von gravierenden Einschnitten in unser Sozialsystem und „Zuckerl“ an die Industrie. Auch der Umgang mit den Medien („Message Control“) oder der Skandal rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sorgen immer wieder für Diskussionen.

Hier sieht SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ernste Probleme: „Mit dem BVT wurde die wichtigste internationale Behörde von einer Truppe im Auftrag den Innenministeriums gestürmt. Auch auf wirtschaftlichem Gebiet ist wenig passiert, dabei hat die Regierung eine gute wirtschaftliche Basis vorgefunden. Und die 1,5 Milliarden Euro für Familien hätte man sinnvoller verteilen können.“

Auch der Umgang mit Arbeitsmarkt und Integration ist für Drozda problematisch: „Einige Minister scheinen noch nicht in der Regierung angekommen zu sein.“ Angesprochen auf den Zwölfstundentag sieht der SPÖ-Politiker „eine Schlamperei, dieses Schludern ist etwas, das wir auch aus den anderen Bereichen kennen“: „Man sieht am Ende, dass auch Pfusch herauskommt, wenn man die Dinge nicht seriös diskutiert.“ Was die Oppositionsarbeit angeht, sieht Drozda noch „Luft nach oben“: „Das ist sicher noch steigerungsfähig.“

Die ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz führt in den Umfragen nach wie vor souverän mit rund 33 Prozent. Koalitionspartner FPÖ unter Heinz-Christian Strache liegt in etwa gleichauf mit der SPÖ bei 25 Prozent. ÖVP-Abgeordneter Martin Engelberg zieht positive Bilanz: „Es passiert nicht in so vielen Ländern, dass eine Regierung, die erst seit einem Jahr im Amt ist, in ihren Werten gestiegen ist.“

„Hier ist einiges in Gang gekommen“
Was die Vorwürfe hinsichtlich der Sozialpolitik angeht, so entgegnet er: 
„Wir haben den Familienbonus, der eine große Entlastung für die Familien darstellt. Ich bin sehr zufrieden. Es gibt natürlich Leute, die meinen, es könnte noch mehr sein. Aber hier ist einiges in Gang gekommen.“ In Richtung des Koalitionspartners FPÖ meint der ÖVP-Politiker: „Ich würde mir wünschen, dass manches noch konsistenter passiert. Manchmal hat man das Gefühl, es geht einen Schritt vor, einen Schritt zurück.“

Stern sieht Umgang mit NGOs kritisch
Liste-Pilz-Parteichefin Maria Stern sieht besonders den Umgang mit NGOs kritisch: „NGOs, besonders im Frauenbereich, sind an der Schnittstelle zur Bevölkerung. Sie leisten gerade dort wichtige Arbeit, wo der Gesetzgeber nicht mehr einspringt. Den Familienberatungen zum Beispiel ist eine Million gekürzt worden. Herr Kickl ist als Innenminister für die Sicherheit aller Bevölkerungsmitglieder verantwortlich, auch für die der von Gewalt betroffenen Frauen. Und dieser Aufgabe kommt er derzeit nicht nach.“ Zudem stellt sie die Frage, „ob der Bundeskanzler überhaupt schon in seiner Rolle angekommen ist“, in den Raum.

„Besonders zweite und dritte Reihe der FPÖ hat ein Problem“
Zu den Skandalen rund um NS-Liederbücher und faschistisches Gedankengut, das die FPÖ immer wieder in die Schlagzeilen brachte, sagt Journalist und Autor Christian Ortner, dass besonders der Vizekanzler „glaubwürdig und geläutert wirkt“. Allerdings: „Besonders in der zweiten und dritten Reihe der FPÖ gibt es da ein Problem. Es riecht nicht sehr gut, aber es ändert an der Wirklichkeit der Regierungsarbeit nichts.“ Ortner ist zudem der Ansicht, dass „die Migrationspolitik, welche die SPÖ 2015 betrieben hat, sich in Sachen Antisemitismus deutlicher auswirkt als die braunen Blasen, die hin und wieder in der FPÖ aufpoppen“. Man habe hier „zum ersten Mal seit Langem eine Regierung, die arbeitet“.

„Regierung hat Migrationsproblematik begriffen“
Dass die Regierung sehr stark auf das Integrationsthema setzt, sieht Ortner nicht unbedingt negativ: „Das Haupt-Asset, das diese Regierung momentan hat, ist, dass sie die Migrationsproblematik begriffen hat. Man kann ihr vorwerfen, dass sie ein ‚One Trick Pony‘ ist, mehr aber nicht.“ Dennoch: „Die ganz große Wende in der Migrationspolitik sehe ich nicht, aber die Bevölkerung hat das Gefühl, dass sich das (2015, Anm.) nicht mehr wiederholt.“

Stern meinte dazu, dass es andere Themen gebe, die der Bevölkerung weit wichtiger seien: „Explodierende Mieten, steigende Lebensmittelpreise, Kinderarmut, fehlende Kinderbetreuungsplatze, etc. - das Integrationsthema ist ein Feigenblatt.“ Engelberg sieht das anders: „Zu verleugnen, wie groß die Emotionalität beim Zuwanderungsthema ist, war der größte Fehler bei den Oppositionsparteien. Wenn Kurz hier nicht den Turnaround geschafft hätte, wäre jetzt die FPÖ die stärkste Partei.“

„UN-Pakt nicht im Interesse Österreichs“
Was den umstrittenen UNO-Migrationspakt angeht, so sagt auch SPÖ-Mann Drozda, dass Europa diesen Deal nicht brauche: „Die Standards liegen bei uns bei den meisten Maßnahmen höher als in diesem vereinbart.“ Dass Österreich nicht das einzige Land ist, das sich aus dem UN-Pakt zurückzieht, ist für Engelberg ein weiteres Argument für den Ausstieg: „Wir sind da nicht in so schlechter Gesellschaft.“ Ortner glaubt, dass der Pakt nicht im nationalen Interesse Österreichs ist: „Eine Regierung, die einigermaßen seriös ist, hat zu entscheiden, ob dieser Pakt im nationalen Interesse Österreichs ist oder nicht. Ich glaube das nicht.“

Sämtliche Ausgaben des Talk-Formats zum Nachsehen sowie Highlight-Videos finden Sie unter krone.at/brennpunkt.

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