„Krone“-Interview

Durchstarter Simon Lewis: Bereit, alles zu geben

Musik
28.10.2018 07:00

Seine Songs „All I Am“ und „Hey Jessy“ laufen nicht nur national auf und ab, nun legt der ehemalige Straßenmusiker Simon Lewis endlich sein heiß ersehntes Debütalbum „Pilot“ vor, mit dem er in Kürze auch groß auf Tour gehen wird. Im Interview sprach der 26-Jährige über seine Flucht ins Tiroler Exil, warum er emotional geladen sein muss, um Songs zu schreiben und weshalb er sich in Kärnten wie ein Hobbit im Auenland fühlte.

(Bild: kmm)

„Krone“:Simon, innerhalb kürzester Zeit bist du vom Straßenmusiker an der U6 Währinger Straße zum Profi geworden, der größer werdende Bühnen im In- und Ausland bespielt. Hast du diesen Karrieresprung schon verarbeitet?
Simon Lewis:
Es fühlt sich immer noch wie ein surrealer Traum an, aber ich habe mittlerweile realisiert, was so vor sich geht. Ich habe ein bisschen die Angst, dass es nicht so weitergeht, aber derzeit genieße ich den Moment.

Viele Musiker sagen, auf der Straße und in den Pubs lernt man das Spielen und Performen. Was macht denn diese rohe Wiedergabe von Kunst so besonders?
Am wichtigsten ist die Live-Performance. Ich kenne das auch von Konzerten, wo das Publikum nicht für mich kommt, sondern für die Hauptband. Wenn du dann auf die Bühne gehst und 15 Minuten Zeit hast, die Leute zu überzeugen, dann musst du echt alles richtigmachen. Bei der Straßenmusik ist das gang und gäbe. Die Menschen kommen nicht für dich, sondern müssen sich von dir fangen lassen. Ich habe gelernt, welche Songs und Arrangements funktionieren.

Ist es nun dadurch einfacher vor einem Publikum zu spielen, das explizit für dich kommt?
Nein, leider nicht. (lacht) Du kannst dich an Straßenmusik gewöhnen, bist dann aber auf der Bühne total nervös. Am Ende hilft das eine dem anderen.

Gab es bei dir einmal einen zündenden Moment, wo du wusstest, dass du dich der Musik verschreiben wirst?
Es gab viele Momente, die mir in diese Richtung verhalfen. Einer der wichtigsten war, als ich noch in der Grafischen zur Schule ging und meine erste Freundin mir damals sagte, ich solle das beruflich machen. Da ging mir ein Licht auf, denn es war immer meine Leidenschaft und ich musste es einfach probieren. Als ich dann rein fand, war mir alles andere egal. Ich habe oft in der Schule gefehlt. Ich habe aber geschwänzt, um Musik zu machen und nicht um faul zu sein. Meine Eltern waren natürlich nicht begeistert, aber ich verdanke meiner Mutter, dass ich maturiert habe. Danach ließ sie mir freie Hand und das habe ich dann so durchgezogen. Am Ende hat die Mama immer recht. (lacht)

Du hast dich im Vorprogramm von Olympique schon auf diversen größeren Bühnen erproben können. Was hast du von diesen Erfahrungen für dich mitgenommen?
Das war meine allererste Tour, auf die ich mitfuhr. Olympique waren damals schon sehr angesagt und live einfach grandios. Ich habe da so viel für mich mitnehmen können. Ich lerne besser, indem ich Dinge sehe und visuell wahrnehme. Es hat mir auch etwas Druck genommen, den ich vorher verspürte. Wenn du Musiker triffst, die das öfter durchgemacht haben, beruhigen sie einen und haben gute Tipps.

Du hast dich von Anfang an dafür entschieden, nicht unter deinem bürgerlichen Namen aufzutreten. Ist das eine Schutzfunktion oder der Internationalität deiner Musik geschuldet?
Der Hauptgrund ist schon die Internationalität. Ich mag meinen echten Namen, aber er ist so selten und ich möchte nicht, dass er allzu leicht zu finden ist. Man soll auch meine Familie nicht gleich finden. Du weißt nie, was passieren kann und ich bin jetzt auch nicht der bravste Mensch der Welt. Wer weiß, was da mal ans Licht kommt. (lacht)

Was hast du denn leicht schon alles verbrochen?
Nichts Schlimmes, das die Polizei interessieren würde. (lacht) Vielleicht mal betrunken nackt durch die Straßen gelaufen oder solche Dinge. Jugendsünden, die wir alle kennen und für die man sich später schämt. (lacht)

Deine ersten Singles „All I Am“ und „Hey Jessy“ haben schon europaweit in den Radios für Aufsehen gesorgt. Wie gelang es dir, so schnell im internationalen Markt Fuß zu fassen?
Innerlich habe ich natürlich darauf gehofft, weil ich englischsprachige Musik mache und mehrere Regionen abdecken möchte. Verantwortlich dafür ist aber das ganze Team, weil das Label mich gut beworben hat und so das Gesamtprodukt einfach toll funktioniert hat.

Hast du schon immer deinen Fokus darauf gelegt, über die Landesgrenzen hinaus zu strahlen?
Es war immer ein Wunsch, international Musik zu machen. Das ist natürlich etwas naiv, weil die Chance sehr gering ist, zu einem Ed Sheeran oder Shawn Mendes zu werden. Das ist fast unmöglich. Ich bin aber ein Träumer, der daran festhält und wer weiß, was noch alles passieren wird. Ich bleibe gerne ein Träumer und bis jetzt ging alles ganz gut.

Dein Debütalbum „Pilot“ ist eine Zusammenfassung deiner bisherigen musikalischen Karriere. Eine Verbindung all deiner Phasen, die du durchlebt hast.
Voll. Es ist eine Ansammlung vieler Ideen und gesamt haben wir zwei Jahre daran gearbeitet. Manche Songs entstanden schon vor vier Jahren. Ich bin jetzt 26 und auf dem Album habe ich mein halbes Leben verpackt. Die Songs sind aber immer noch aktuell genug für mich, das war mir wichtig. Auch die Texte reflektieren mich und sagen aus, was ich alles erlebt habe. Ich stimme mit allem auf dem Album überein, auch wenn nicht alles topaktuell ist.

In welchem Sinne ist der Albumtitel „Pilot“ zu verstehen? Suggerierst du damit, dass nur du allein der Pilot deines Lebens bist?
Mein erster Traumberuf war Regisseur, woraus leider nichts wurde. Im Film und bei Serien gibt es aber immer die Pilotfilme bzw. Pilotfolgen, um zu sehen, ob etwas funktioniert. Dann wird entschieden, ob man weitermacht oder nicht. Ich sehe dieses Debüt genauso und es dient mir als Orientierung - das war ein perfekter Titel. Außerdem wollte ich tatsächlich auch mal Pilot werden. (lacht)

Warum ziert das Cover so eine winterliche Atmosphäre?
Das ist eine witzige Geschichte. Ich habe für eine Zeit lang in Kufstein gelebt und sehr viel für das Album geschrieben und es war bereits April, als es zu schneien begann. Tage davor schien die Sonne und alles war grün und blühte - dann kam der Winter aus dem Nichts und wir mussten sofort Fotos dafür machen. Ich fand das einfach zu gut und musste das Bild nutzen.

Viele der Songs entstanden eben in Kufstein, im Haus deiner verstorbenen Großmutter. Du bist dort hingegangen, um eine gescheiterte Beziehung zu verarbeiten und hast Inspiration für das Songwriting gefunden.
Das war wirklich eine Flucht, aber es hat gut getan und war befreiend. Wenn ich emotional geladen bin, egal ob positiv oder negativ, dann bin ich auch kreativ geladen und dann kommt immer was raus. Manchmal habe ich auch Phasen der inneren Leere und muss aufpassen, mich nicht selbst in ein inneres Drama zu stürzen, um die Kreativität wiederzufinden.

Merkst du bei deinen Songs Unterschiede, wenn du sie einerseits im ländlichen und andererseits im urbanen Bereich geschrieben hast?
Das nicht wirklich. Kufstein war so ruhig. Einfach Balsam für die Seele und pure Erholung. Ich konnte dort über meine erlebte Zeit nachzudenken und reflektieren. Erleben kann ich natürlich in Wien mehr, dort wuchs ich auch auf. Es ist einfacher, hier Geschichten zu finden. Wahrscheinlich sollte ich hier in Wien leben und immer wieder nach Kufstein gehen, um Songs zu schreiben. Bei Freunden könnte ich wohl unterkommen, denn das Haus, dass wir hatten, ist leider nicht mehr in unserem Besitz.

Wie stark hast du dieses für dich harte Beziehungsende auf dem Album abgewickelt? Welchen Raum nimmt dieses Thema ein?
Ich könnte nie etwas Bösartiges schreiben. Ich sage schon meine Meinung, bin aber sehr diplomatisch. Ich tue mir schwer mit Worten und es ist schwierig, klare Sätze auszusprechen. Bei den Songs habe ich genug Zeit, um die richtigen Wörter zu finden und das zu formulieren. Ich glaube zumindest nicht, dass irgendwer von meinen letzten Beziehungen auf mich sauer sein könnte.

Ein Song wie „How Did We Come So Far“ sagt eh im Titel schon alles aus. Musstest du da aufpassen, dass du nicht doch zu offen und persönlich wurdest?
Nicht so wirklich, weil ich mir nichts zu Schulden kommen lasse. Ich bin vielleicht nicht immer der beste Mensch, der man sein kann, aber es gibt nichts, was ich in den Liedern verstecken müsste. Ich schreibe die Songs in dem Wissen, dass meine Ex-Partnerinnen ihn auch hören können. Ich möchte keinesfalls einen zusätzlichen Schmerz verursachen, denn für mich ist die Musik etwas, das mir hilft, die Dinge zu verarbeiten. Ich achte daher darauf, einen gemeinsamen Nenner zu finden und will niemanden angreifen.

Schützt du dich mit den englischen Texten auch ein bisschen vor einer Direktheit, die in der Muttersprache immer mitschwingt?
Ich bin etwas bedachter beim Songwriting, da es eben nicht meine Muttersprache ist. Gerade auf Deutsch liegen die Wörter eher auf der Hand und im Englischen habe ich mehr Freiraum nachzudenken, was gut passen könnte und wie etwas klingt. Ich finde Englisch einfach angenehmer und die Gesangssprache schön. Ich mag deutschsprachige Musik schon gerne, aber nicht bei mir selbst. (lacht)

Die Nummer „Home 2.0“ hast du mit Onk Lou aufgenommen. Würdest du euch als Brüder im Geiste bezeichnen?
Wir haben in Kärnten ein Musikvideo gedreht und sahen aus wie zwei Hobbits, die durch das Auenland marschieren. (lacht) Wir sind bei derselben Plattenfirma, haben uns durch einen gemeinsamen Freund aber schon vorher kennengelernt. Onk Lou macht auch Straßenmusik und ich habe ihn bei einer Open-Mic-Stage gesehen. Für uns beide ist das eine neue Erfahrung - zwei Freunde erleben zusammen die Musikwelt. Wir sind in keiner Beziehung, nicht falsch verstehen, aber es ist eine Bromance. (lacht)

Wo und was ist für dich das Daheim? Wie definiert sich ein Zuhause?
Zuhause ist dort, wo ich mich wohlfühle. Das ist an ganz verschiedenen Orten passiert, was meist an den Leuten und der Umgebung lag. Fühle ich mich geborgen, dann bin ich daheim. Es braucht nicht vielmehr dafür. Ein Wiener, der sich in Kufstein zuhause fühlt - das muss man sich mal vorstellen. Wiener sind in Tirol ja verrufen, aber es war möglich. Man darf nur nicht leiwand sagen. (lacht)

„All I Am“ fasst sehr gut deinen Werdegang und dein bisheriges Leben zusammen. Kann man die Nummer als deinen Erwachsenwerden-Song bezeichnen?
Auch der Prozess beim Songwriting war schön. Ich habe mich mit Laptop und Akustikgitarre in der WG eines guten Freundes eingesperrt, und wollte unbedingt einen Song schreiben. Es war eine Phase, wo ich mich etwas verloren fühlte und die Liebe zur Musik nicht ganz so stark war. Ich war davor in einer Band, stieg dann aus und war kurz davor, etwas solo zu machen. Ich war aber noch ziellos und habe aus Frust zu singen und spielen begonnen und dieser Refrain kam als erstes. Ich sang aus Leib und Seele und das hat mich sehr befreit. Ich bin froh, dass es die erste Single wurde, denn im Song sage ich als Versprechen „wenn du mich nehmen kannst, wie ich bin, dann bin ich bereit, alles zu geben“. Dieses Motto und dieses Versprechen gebe ich auch ans Publikum und die Hörer weiter.

Im Gegensatz zu den meisten Singer/Songwritern gehst du sehr offensiv mit dem Pop um. Du gibst offen zu, dass du auf eingängige Melodien und Hooks stehst, was die meisten nur allzu gerne ablehnen oder verleugnen.
Ich liebe diese Catchyness und fand sie immer cool. Das hast du auch in jedem anderen Genre, wie im Indie oder sogar im Metal. Das hat mich von klein auf begeistert und mein allererster Lieblingssong war „I’m Blue“ von Eiffel 65. Das spricht jetzt vielleicht nicht für mich, aber es war einfach genial. (lacht)

Du kannst dir also durchaus vorstellen, dich mit deiner Musik noch breiter und massentauglicher aufzustellen?
Voll. Ich höre auch breitgefächert Musik von Indie über Pop bis zum Hip-Hop. Der Pop verändert sich dauernd. Was früher Indie war, ist heute Pop und was jetzt Indie ist, wird später Pop sein. Er erfindet sich immer neu und das macht die Sache spannend. Ich finde es schön zu wissen, dass ich mich genauso weiterentwickeln kann mit allem, was noch kommen wird.

Gibt es für dich auch ein musikalisches No-Go? Ein Genre, das sich einfach nicht ausgeht?
Es gibt kein definitives No-Go, aber es gibt Musikrichtungen, die ich selber weniger höre oder für die ich nicht gemacht bin. Ein gutes Beispiel ist die Metalszene. Sehr viele Freunde von mir sind da drinnen und ich war auch schon öfters auf Konzerten. Ich bewundere die Technik, aber mich stresst das zu sehr. Mir ist das alles zu schnell. (lacht)

Wie geht es bei dir jetzt weiter? Was steht in näherer Zukunft an und wirst du bald wieder mit einem weiteren Album nachlegen?
(lacht) Ich schreibe tatsächlich schon wieder, schauen wir einmal. Ich will 2019 ein Duett mit Avec machen, das wäre der Hammer. Ich will, sie will prinzipiell auch - jetzt müssen wir nur noch den richtigen Zeitpunkt finden. In erster Linie geht es aber mal um „Pilot“ und ich wäre froh, wenn ich mit dem Album im nächsten Jahr gut beschäftigt wäre.

Tour durch Österreich
Seine „All I Am“-Tour führt Simon Lewis vorerst aber durch Österreich und Deutschland. Stationen sind u. a. am 11. Dezember das Wiener WUK, am 29. Dezember das Kunsthaus Weiz und am 11. Jänner die Rockhouse Bar in Salzburg. Alle weiteren Termine und Karten gibt es auf der Facebook-Seite von Simon Lewis.

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