Räumaktion gestoppt

Blogger stürzte im Hambacher Forst in den Tod

Ausland
20.09.2018 09:41

Er dokumentierte das Leben der Umweltschützer, die gegen den Braunkohletagbau im Hambacher Forst in Deutschland protestierten - und verlor dabei sein Leben: Ein Blogger stürzte am Mittwoch durch die Bretter einer Hängebrücke 15 Meter in die Tiefe und starb. Die Regierung des Bundeslands Nordrhein-Westfalens stoppte daraufhin die umstrittene Räumungsaktion der Polizei im Braunkohlerevier.

Es waren dramatische Minuten am Mittwochnachmittag, die teilweise sogar durch Videos dokumentiert wurden. Aufnahmen zeigen, wie der junge Mann in die Tiefe stürzt (krone.at hat das Video oben stark gekürzt) und zunächst Polizisten, danach Rettungskräfte zu ihm stürmen. Verzweifelt versuchen sie, den leblosen Körper wieder ins Leben zu holen. Doch vergebens: Steffen M. stirbt.

Der Blogger hatte sich in die Baumhäuser des Hambacher Forsts begeben, wo die Waldbesetzer leben. Er wollte eine neue Perspektive zeigen. Am Dienstag schrieb er auf Twitter: „Nachdem die Presse in den letzten Tagen oft in ihrer Arbeit eingeschränkt wurde, bin ich nun in 25 Meter Höhe, um die Räumungsarbeiten zu dokumentieren. Hier oben ist kein Absperrband.“

Auch am Mittwoch berichtete M. auf Twitter noch von den Räumarbeiten von Polizei, Sondereinsatzkommando und Arbeitern des Energiekonzerns RWE. 20 Minuten vor seinem Absturz stellte sogar noch ein Video online, mit dem Text: „Polizei Richtung Mensch und Traverse.“

Laut “Bild“ passierte die Tragödie, als ein Journalist dem Blogger eine neue Speicherkarte brachte, die per Seilzug nach oben gezogen worden sei. Die genauen Umstände des Sturzes werden noch ermittelt.

„Wir können jetzt nicht einfach so weitermachen“
Nach der Tragödie stoppte die Regierung Nordrhein-Westfalens die umstrittene Räumungsaktion. „Wir können jetzt nicht einfach so weitermachen, ich kann das zumindest nicht. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagte Landes-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwochabend in Düsseldorf.
Bis auf Weiteres werde die Räumung des Geländes ausgesetzt. Gefahrenstellen sollen abgesichert werden. Er rief die Baumbesetzer auf, den Wald nun freiwillig zu verlassen.

Umweltschützer fordern dauerhafte Einstellung der Räumungsarbeiten
Auf Twitter löste der Unfall heftige Reaktionen aus. Viele Gegner des Braunkohleabbaus forderten RWE und die Polizei auf, die Räumungsarbeiten nun dauerhaft einzustellen. Andere Nutzer fragten, was der Journalist bei den Aktivisten in den Bäumen zu suchen gehabt habe. Ein anderer Twitter-Nutzer kritisierte: „Ekelhaft, wie der tragische Unfall im #HambacherForst jetzt von beiden Seiten instrumentalisiert wird!“ Die Seite Hambacher Forst hat seine Profilbilder auf Schwarz gesetzt.

RWE teilte mit: „Wir sind zutiefst erschüttert und bedauern den tragischen Unfall im Hambacher Forst sehr. Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen des Verstorbenen.“ Der Gerätevermieter Gerken kündigte auf seiner Website an, den Einsatz ihrer Hebebühnen im  Hambacher Forst stillzulegen, auch gegen das Risiko „hoher Regressansprüche unseres Kunden“.

Großaufgebot seit Tagen im Räumeinsatz
Die Polizeiaktion, bei der Baumhäuser geräumt und abgerissen werden, hatte am vergangenen Donnerstag mit einem Großaufgebot begonnen. Bis Mittwoch waren laut Polizei 39 von 51 Baumhäusern geräumt. Die Waldbesetzer protestieren gegen das Vorhaben von RWE, weite Teile des Forstes abzuholzen. Es soll dort Braunkohle gebaggert werden. Der Wald gilt als Symbol des Widerstands gegen die Kohle und die damit verbundene Klimabelastung. In bis zu 25 Metern Höhe hatten Aktivisten Baumhäuser gebaut. Sie halten den Wald so seit sechs Jahren besetzt.

Aus Sicht von RWE ist die Abholzung des Hambacher Forsts unvermeidbar, um die Stromproduktion in den Braunkohlekraftwerken zu sichern. Gegner der Rodung argumentieren, der Wald habe eine 12.000 Jahre lange Geschichte. Es gebe dort Vorkommen streng geschützter Arten wie Bechsteinfledermaus, Springfrosch und Haselmaus.

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