Flüchtlingsschwimmerin

Wie Heldin aus Syrien jetzt im Gefängnis landete

Ausland
01.09.2018 19:26

Ihre spektakuläre Flucht über das Mittelmeer machte sie und ihre Schwester über Nacht weltberühmt, jetzt endete die Geschichte der jungen Syrerin Sara Mardini vorübergehend in einer Gefängniszelle in Griechenland. Die 23-Jährige ist wegen ihrer Arbeit als Flüchtlingshelferin ins Visier der Behörden geraten. An der Küste von Lesbos, wo sie selbst erstmals europäischen Boden betrat, half die junge Frau unzähligen Flüchtlingen, die auf überfüllten Schlauchbooten übers Meer kamen. Bis sie vergangene Woche plötzlich verhaftet wurde.

Am vergangenen Dienstag wurde Mardini zusammen mit zwei weiteren Aktivisten von der griechischen Polizei auf der Insel Lesbos festgenommen. Die Handschellen klickten für die junge Syrerin nach einem Einsatz als Freiwillige für die griechische Nichtregierungsorganisation Emergency Response Center International (ERCI). Die NGO habe ein „kriminelles Netzwerk“ gebildet, um Migranten bei der illegalen Einreise nach Griechenland zu helfen, sagte ein Polizeisprecher.

Dass Mardini just dort in einer Gefängniszelle landen sollte, wo sie vor drei Jahren zur Heldin wurde, hat sich die 23-Jährige nicht vorstellen können, wie sie im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ deutlich macht. Sara war im Jahr 2015 zusammen mit ihrer Schwester Jusra vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen. In einem Schlauchboot voller Flüchtlinge versuchten sie nach Lesbos zu gelangen. Als das Boot eine Panne hatte, schwammen die Mardini-Schwestern stundenlang und zogen das Boot dabei an einem Seil hinter sich her.

Die Leistungssportlerinnen wurden mit der Aktion weltberühmt und ließen sich in Deutschland nieder. Jusra startete bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Sie wurde zum Gesicht einer Flüchtlingsmannschaft, die vom Internationalen Olympischen Komitee eigens gegründet worden war. Inzwischen ist sie UNO-Sonderbotschafterin für Flüchtlinge.

Ihrer Schwester Sara werfen die griechischen Behörden nun einige der schwersten Verbrechen vor, mit denen sich eine Flüchtlingshelferin in Griechenland je konfrontiert sah: Sie sei Mitglied eines kriminellen Netzwerks, das illegalen Migranten die Einreise erleichtere. Sie wird der Schlepperei, der Geldwäsche und sogar der Spionage bezichtigt. Laut ihrem griechischen Anwalt werden ihr fünf Straftaten und drei Vergehen vorgeworfen, heißt es in dem Bericht.

So sollen die ECRI-Aktivisten den Funkverkehr der griechischen Küstenwache und der EU-Grenzagentur Frontex abgehört und „verschlüsselte Soziale-Netzwerk-Apps“ genutzt haben, um vertrauliche Informationen über ankommende Migranten aus der Türkei zu erhalten.

Sara im Gefängnis: „Wir haben nichts Falsches getan“
Die 23-Jährige ist sich aber keiner Schuld bewusst: „Wir haben nichts Falsches getan. Wir haben nur anderen Menschen geholfen“, sagte sie im Gespräch mit dem deutschen Nachrichtenmagazin, das sie am vergangenen Donnerstag telefonisch in Griechenlands größtem Gefängnis in Korydallos bei Athen erreichen konnte.

Gegenüber dem „Spiegel“ sagte Sara, dass die Vorwürfe sie fassungslos machten. „Sie fragten mich, warum ich zurück auf Lesbos sei, wenn ich doch in Deutschland lebte. Ich sagte ihnen, dass hier Arabisch-Übersetzer gebraucht werden, dass ich eine Ausbildung als Rettungsschwimmerin habe und Leuten helfen kann. Sie fragten uns nach dem Funkgerät, das wir benutzen - aber alle haben welche und wir hören nur offene Kanäle ab. Sie wollten wissen, warum wir WhatsApp benutzen, als ob das ein Vergehen wäre.“

Festnahme kurz vor Abflug nach Berlin
Festgenommen wurde die 23-Jährige am Flughafen, als sie gerade in das Flugzeug nach Berlin steigen wollte. Seit einem Jahr studiert sie dort am Bard College, wo sie ein Vollstipendium erhielt. Die Universität unterstützte Sarahs Einsätze auf Lesbos, sie konnte sich zuletzt eine Art Urlaubssemester nehmen, um in Griechenland Flüchtlingen zu helfen. Ihre Schwimmkarriere hatte sie nach einer Verletzung beenden müssen.

Laut griechischer Polizei waren die Beschuldigten mindestens seit Ende 2015 aktiv und hätten „organisierten Schmuggelnetzwerken direkte Hilfe geleistet“. Ziel sei es gewesen, Profite durch finanzielle und Sachspenden zu erzielen. Sara dazu: „Ich würde ERCI mein Leben anvertrauen. Wir haben sehr strenge Regeln. Wir haben eng mit den Behörden zusammengearbeitet. Alle in Lesbos kennen uns. Anstelle unsere Telefone zu überprüfen, hätte die Polizei besser uns als Menschen angeschaut, um zu sehen, wer wir sind und wofür wir stehen.“

Wie lange Sara Mardini im Gefängnis bleiben muss, ist völlig offen. Im Falle einer Verurteilung müsste die Studentin wohl für Jahre ins Gefängnis. Ihr Anwalt hat nun einen Antrag gestellt, dass sie für die Dauer ihres Verfahrens auf freien Fuß kommt. Aber eine Entscheidung ist nicht vor Ende nächster Woche zu erwarten und bis zu einem Gerichtstermin könnte es Monate dauern ...

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