Angst vor Massenflucht

Syrien vor Offensive in letzter Rebellenhochburg

Ausland
30.08.2018 18:39

In Syrien mehren sich Anzeichen, dass die Armee unter Machthaber Bashar al-Assad mit russischer Hilfe gegen die letzte Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten des Landes vorgehen will. Die „Eiterbeule“ mit dem Rebellen müsse beseitigt werden, hatte am Mittwoch der russische Außenminister Sergej Lawrow gesagt. Ein UN-Diplomat vermutet in Idlib 10.000 Mitglieder der Terrororganisationen Al-Nusra und Al-Kaida. Die Terroristen müssten zwar bekämpft und besiegt werden, aber nicht auf Kosten der 2,9 Millionen Zivilisten in der Provinz, mahnte er am Donnerstag. Er verlangt daher humanitäre Korridore unter Aufsicht der Vereinten Nationen. Durch die Kämpfe könnten bis zu 800.000 Menschen in die Flucht getrieben werden. 

Die Türkei will einen derartigen Angriff unbedingt verhindern, weil sie ähnliche Befürchtungen hat und Rebellentruppen in der Region unterstützt. Erste syrische Angriffe lassen aber darauf schließen, dass ein Feldzug der syrischen Regierung mit russischer Hilfe gegen Idlib bevorsteht. Der UN-Syriengesandte Staffan de Mistura verlangte humanitäre Korridore unter UN-Aufsicht, damit die Menschen vorübergehend in sicherere Gegenden gebracht werden könnten. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte am Mittwoch vom „wachsenden Risiko einer humanitären Katastrophe“ gesprochen.

UN-Gesandter fordert Verzicht auf Chemiewaffen in Kampf um Idlib
Als größte Gefahr bezeichnete de Mistura den Einsatz chemischer Kampfstoffe, die sowohl die Regierung als auch al-Nusra besäßen. Er rief die Konfliktparteien sowie ihre internationalen Unterstützer auf, vor neuen Angriffen eine Lösung für die Zivilisten zu finden. „Warum so eine Eile, warum nicht mehr Zeit für Diskussionen lassen?“, fragte de Mistura. Die hohe Anzahl der vermuteten Terrorkämpfer erklärt sich dadurch, dass die syrische Armee bei der Eroberung anderer Regionen Rebellen mit Familien und leichter Bewaffnung nach Idlib hatte abziehen lassen.

Die Nordprovinz Idlib ist das letzte große Gebiet in der Hand von Rebellen des seit 2011 andauernden Syrienkrieges. Unter den 2,9 Millionen Menschen dort wurden nach Angaben de Misturas 1,4 Millionen schon einmal vertrieben. Die Provinz liegt an der Grenze zur Türkei, die keinen neuen Zustrom von Flüchtlingen zulassen will.

Russland kündigt Militärmanöver im Mittelmeer an
Russland stockt derweil seine Seestreitkräfte im östlichen Mittelmeer auf. Bei einem großen Seemanöver vom 1. bis 8. September würden 25 Kriegsschiffe und etwa 30 Flugzeuge eingesetzt, kündigte das Verteidigungsministerium in Moskau am Donnerstag an. Kremlsprecher Dmitri Peskow zog offen eine Verbindung zur Lage in Idlib, die er kompliziert nannte. „Deshalb ist jede Erhöhung der Vorsichtsmaßnahmen gerechtfertigt und begründet“, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Die Zeitung „Iswestija“ schrieb vom „größten Flottenverband seit dem Eingreifen Russlands in den Syrienkonflikt“. Der demonstrative russische Truppenaufbau soll auch die USA von angeblich drohenden Attacken auf Syrien abhalten. „Der Verstärkung von US-Truppen im Nahen Osten nach zu urteilen, sind neue Raketenangriffe auf Ziele in Syrien nicht ausgeschlossen“, sagte Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums.

Syrien warnt Großmächte USA, Frankreich und Großbritannien
Zuletzt hatten die USA, Frankreich und Großbritannien im April Marschflugkörper auf syrische Militäranlagen abgefeuert. Dies sollte die Vergeltung sein für einen Chemiewaffenangriff syrischer Truppen auf die Stadt Duma in der über Monate umkämpften Region Ost-Ghuta. Damaskus und Moskau streiten den Angriff ab. Syriens Außenminister Walid al-Muallim warf den drei Westmächten vor, einen Angriff zu planen, um den syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida zu retten. Es wiederhole sich jetzt dasselbe Szenario wie in Ost-Ghuta, sagte er in Moskau nach einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. „Sie tragen die Verantwortung für das gefährliche Ergebnis dieser Aggression“, erklärte er.

Lawrow wiederholte die seit einigen Tagen von russischen Vertretern vorgetragene Befürchtung, Rebellen könnten in Idlib mit westlicher Hilfe einen Chemiewaffenangriff verüben und der syrischen Seite die Schuld geben. Der russische Minister warf den USA vor, nichts für den Wiederaufbau der Gebiete unter Regierungskontrolle zu tun, sondern nur für die Kurdengebiete östlich des Flusses Euphrat. So trügen die USA zur Spaltung Syriens bei.

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