Italien-Atomrevival
Erstes neues AKW seit 1987 soll vor Venedig entstehen
Das Bild oben ist freilich eine Fotomontage, der Spatenstich für den Bau des Atomkraftwerks am Festland hinter der auf Holzpfählen stehenden 50.000-Einwohner-Stadt Chioggia soll aber laut einem Bericht der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" noch vor 2013 stattfinden. Das AKW soll bis 2020 in Betrieb gesetzt werden, als Lagerungsort für den Atommüll sei Süditalien vorgesehen.
Chioggia - auch "Klein-Venedig" genannt - stehe ganz oben auf der Liste der italienischen Ortschaften, in denen die Regierung Berlusconi neue Atomkraftwerke errichten will und die bis zum 15. Februar veröffentlicht werden soll, schreibt "Corriere della Sera". Grund dafür seien die politischen Gegebenheiten in Venetien, wo Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis Mehrheiten hat. Chioggia war bereits vor dem Anti-Atom-Referendum 1987, in dem sich die Mehrheit der Italiener gegen AKWs aussprach, als Standort für einen Meiler ausgewählt worden.
Weitere Standorte neben Triest und auf Sizilien
Auch die italienischen Grünen behaupten, die von dem Stromkonzern Enel erstellte Liste bereits in die Hände bekommen zu haben. Der Liste zufolge sollen weitere Atomkraftwerke im friaulischen Monfalcone (25 km nordwestlich von Triest), in Caorso in der Region Emilia Romagna (auf halber Strecke zwischen Mailand und Bologna) und im piemontesischen Trino Vercellese (50 km östlich von Turin) errichtet werden. Weitere Ortschaften, in denen laut der von den Grünen veröffentlichten Liste Atomkraftwerke gebaut werden könnten, sind Montalto di Castro (40 km östlich von Monte Argentario) und Borgo Sabotino (70 km südöstlich von Rom) in der Region Latium, Garigliano (170 km südöstlich von Neapel), Oristano auf Sardinien und Palma auf Sizilien (20 km südöstlich von Agrigent). Insgesamt plant die Regierung aber "nur" vier Atomkraftwerke.
Enels Chef Fulvio Conti bestritt, dass die von den Grünen veröffentlichte Liste stimme. "Ich werde nicht einmal unter Folter sagen, wo die Atomkraftwerke errichtet werden sollen, bevor kein offizieller Beschluss gefasst worden ist", so Conti. Der Präsident der Grünen, Andrea Bonelli, kündigte eine massive Kampagne gegen Italiens Rückkehr zur Atomkraft an: "Die Regierung Berlusconi führt Italien in ein gefährliches Abenteuer, für das die Italiener einen hohen Preis zahlen werden. Die 20 Milliarden Euro für den Bau der neuen Atomkraftwerke werden die Italiener zahlen müssen."
Abkommen mit Frankreich und den USA
Der italienische Stromkonzern Enel und Electricite de France hatten Anfang August ein Joint Venture mit dem Auftrag gegründet, Machbarkeitsstudien für die Errichtung von mindestens vier Atomkraftwerken mit Technologie der dritten EPR-Generation (Europäischer-Druckwasserreaktor) in Italien durchzuführen. Enel und EdF werden je die Hälfte an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Rom halten, das "Sviluppo Nucleare Italia Srl" heißen wird. Auch mit den USA will Italien in Zukunft bei der Nutzung von Atomenergie kooperieren. Ein dementsprechendes Abkommen wurde von Ansaldo Nucleare, Tochter von Italiens staatlichem Rüstungskonzern Finmeccanica, und Toshiba Westinghouse unterzeichnet.
"Die Atomenergie ist sicher, die Bürger haben es begriffen. Mehrere italienische Regionen und Gemeinden haben sich bereiterklärt, auf ihrem Gebiet Atomkraftwerke zu errichten", sagte der italienische Industrieminister Claudio Scajola im September. Die Regierung plane auch die Gründung einer Behörde für Atomsicherheit.
Seit Referendum 1987 atomfrei
Italien ist neben Österreich eines der wenigen Länder, das bisher der Atomkraft abgeschworen hat. 1987, ein Jahr nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl, lehnten die Italiener in einer Volksabstimmung die Nuklearenergie im eigenen Land ab. Drei Atomkraftwerke mussten abgeschaltet werden, ein viertes ging nicht mehr ans Netz. Doch seit langem schon drängt die italienische Atomlobby zum Bau neuer Atomkraftwerke - und die Regierung Berlusconi tritt ebenfalls offenbar dafür ein. "Heute muss Italien im Ausland den Strom für sein Industriesystem kaufen. Frankreich produziert mit seinen äußerst sicheren Atomkraftwerken 85 Prozent seines Strombedarfs zu einem Preis, der bis zu 50 Prozent unter jenem der anderen europäischen Länder liegt", meinte Berlusconi Mitte September.
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