100 Tage Schonfrist werden traditionell einer neuen Regierung zugestanden, um sich in ihrem neuen Amt einzufinden, sich aufzustellen und erste Schritte am politischen Parkett zu machen, bevor sich eine erste seriöse Bilanz ziehen lässt. Dieser Tage war es für die türkis-blaue Regierung so weit und sie feierte ihren runden Geburtstag – ab jetzt zählt‘s also wirklich.
Der Großteil der Bevölkerung bewertet die bisherige Regierungsarbeit jedenfalls deutlich positiv. In einer aktuellen IMAS-Umfrage im Auftrag der „Krone“ gab mehr als die Hälfte, nämlich 59 Prozent, der befragten Österreicher an, mit der neuen Regierung rund um das Team von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zufrieden zu sein – das sind in etwa so viele, wie zur Nationalratswahl die ÖVP und FPÖ gewählt haben.
Ein durchaus hoher Wert, verglichen mit den weit negativeren Zufriedenheitsumfragen der letzten Regierungen. Umso erstaunlicher ist es, dass viele Medienvertreter und – vielleicht weniger erstaunlich – die Opposition eine pessimistischere Sicht auf die Zeit nach dem magischen „Ich gelobe“ der Regierungsvertreter haben. „100 verlorene Tage für Österreich“, bilanziert SPÖ-Chef Christian Kern die bisherige Regierungsarbeit und erklärt schonungslos: „Die menschenfeindliche Politik und Machtversessenheit der neuen Regierung übertreffen selbst die schlimmsten Befürchtungen.“
Überraschung: Die Welt steht noch
Bewertet man die tatsächliche Regierungsarbeit der vergangenen 100 Tage allerdings möglichst nüchtern, erkennt man zwar vielleicht kein Feuerwerk an großen Reformen nach dem Motto „Speed kills“ der ersten türkis-blauen Regierung unter Wolfgang Schüssel, aber mit Sicherheit auch keinen Grund für übertriebene Kassandra-Rufe und kurzatmige Endzeitstimmung. Die Regierung scheint vielmehr ihr Regierungsprogramm peu à peu abzuarbeiten. Weder ist – wie von manchen erhofft – eine bürgerlich-freiheitliche Weltrevolution eingetreten, noch steht die Apokalypse kurz bevor.
Politik nach Plan
Denn dass eine von der Mehrheit gewählte türkis-blaue Regierung auch türkis-blaue Politik macht, ist wenig überraschend. Ebenso wenig dürfte erstaunen, dass eine Mitte-rechts-Regierung ihren Schwerpunkt nicht auf die Umverteilung und Willkommenspolitik ausrichtet, sondern ihre Wähler mit Sicherheits- und Entlastungsthemen und einer restriktiven Einwanderungspolitik bedient, ob man das nun gut finden mag oder nicht.
Vielmehr war es ein solider, absehbarer und zumindest nach außen hin harmonischer Start in diese Legislaturperiode, durchsetzt mit dem ein oder anderen entbehrlichen Skandal oder Skandälchen wie der/den Liederbuch-Affäre(n) oder dem BVT-Wirrwarr. Bei aller Kritik seitens der Opposition und allen voran der SPÖ sollte dennoch nicht vergessen werden, dass ab nun nicht nur für die Regierung die Welpenschutz-Zeit zu Ende ist, sondern auch für die Opposition.
Katia Wagner, Kronen Zeitung
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