Ausverkauft in Wien

Joe Bonamassa: Triumphzug in Blues-Moll

Musik
23.03.2018 12:00

Etwa zweieinhalb Jahre nach seinem letzten Österreich-Gastspiel kehrte der kalifornische Supergitarrist Joe Bonamassa Donnerstagabend in die Wiener Stadthalle F zurück. Vor ausverkauftem Haus spielte der 40-Jährige mit seiner famosen Band nicht nur viele Hits und Coverversionen, sondern auch bereits vier brandneue Songs seinen erst im September erscheinenden Studioalbums.

(Bild: kmm)

„Wenn Austin in Texas die Heimat des Blues ist, dann ist Wien die Heimat der Klassik“, schwärmt Gitarrenvirtuose Joe Bonamassa vor seinem Auftritt im Gespräch mit der „Krone“ und flunkert kein bisschen, wenn er damit seine Liebe zur Stadt bekundet. Vor fast exakt fünf Jahren hat er sein Livealbum „An Acoustic Evening At The Vienna Opera House“ veröffentlicht und damit eindrucksvoll bewiesen, dass er sich in hiesigen Breitengraden wohlfühlt. Die Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit, denn die Fans haben die bestuhlte Stadthalle F schon Wochen vor dem heiß ersehnten Auftritt bis auf den letzten Platz ausverkauft und erwarten ein gewohnt verspieltes Instrumentalfurioso mit ausladenden Gesten und klanglicher Theatralik. Oder wie es Bonamassa bezeichnet: „Die Leute bezahlen Eintritt, damit sie mir dabei zusehen, wie ich zwei Stunden lang viel zu viele Noten spiele.“

Vier neue Songs
Dieses Mal kreuzt er in seinem natürlichen Element durch Europa. Ausgestattet mit mehr als zwei Handvoll elektrischen Gitarren ist kein Platz für zurückgelehnte Wald-&-Wiesen-Atmosphäre – diesmal muss es Krachen und Rascheln. Wie außergewöhnlich und unnatürlich sich Bonamassa im oft so gleichgeschalteten Musikgeschäft bewegt, beweist schon sein eigenwillig-mutiges Auftaktstakkato. Mit „King Bee Shakedown“, „Evil Mama“, „Just Cause You Can“ und „Self Inflicted Wounds“ spielt er gleich vier Songs von seinem kommenden, erst im September erscheinenden Studioalbum. „Die Plattenfirma meinte zu mir, ich könne die neuen Songs doch nicht schon im März spielen, aber warum eigentlich nicht?“ Wie gewohnt wandeln die Tracks zwischen hartem Blues, schwermütigen Balladen und einer kräftigen Dosis verspielter Detailverliebtheit, die einen erheblichen Teil von Bonamassas pompöser Popularität ausmachen.

Eine siebenköpfige, durchwegs mit Ausnahmekönnern bestickte Backingband hält dem 40-Jährigen mit rhythmischer Finesse den Rücken frei. Der von Supertramp und Tower Of Power bekannte Trompeter Lee Thornburg, Bonamassas Schlagzeugbuddy Anton Fig, mit dem er schon mehr als zehn Jahre musiziert und Keyboard-Legende Reese Wynans bilden den Korpus des soliden Klanggebildes. Die Gitarrenarbeit im Rhythmus- als auch Leadbereich trägt der Meister gewohntermaßen alleine. Dank der arenareifen Lichteffekte und der perfekt eingespielten Combo, die gerade bei Songs wie dem Albert-King-Cover „I Get Evil“ oder dem Highlight „How Deep This River Runs“ für ein schwunghaftes Big-Band-Feeling sorgt, bleibt der Spannungsbogen immer auf Anschlag.

Eigene Wissenschaft
Bonamassa selbst soliert sich nach der immer gleichen Formel durch seine Songs. Es ist seiner Spielfreude und den immer souveräner werdenden Entertainmentfähigkeiten geschuldet, dass auch das x-te Solo am Bühnenrand nicht zur selbstinszenierten Farce verkommt. Die Songauswahl selbst unterliegt laut dem Künstler aber jedes Mal einem schwierigen Entscheidungsprozess. „Es ist nicht einfach so, dass man irgendwelche Songs zusammenwirft und auf die Bühne geht – das Auswählen einer Setlist ist eine eigene Wissenschaft, denn die Leute wollen für ihr Geld ein rundes Erlebnis bekommen.“ Neben der durchdachten Anordnung der einzelnen Lieder ist es aber vor allem das Musizieren auf Augenhöhe mit seinen Kompagnons, das den Könner angenehm vom plakativen Rockstar-Gestus abtrennt.

Die großen Highlights hat sich der Kalifornier für das Schlussdrittel aufgehoben. Über alle Maßen beeindruckend ist dabei einmal mehr „Driving Towards The Daylight“, der Titeltrack seines famosen 2012er Albums, bei dem Bonamassa auch stimmlich in höchste Sphären vordringt. Wenn man etwas als leichte Schwäche bezeichnen durfte, dann war das in den letzten Jahren stets der Gesang, doch hier hat der Künstler enorme Fortschritte gemacht. Ebenfalls hervorstechend ist das zum Ende des regulären Sets gespielte, auf eine knappe halbe Stunde ausgedehnte Kultlied „How Many More Times“ (die berühmteste Version ist von Led Zeppelin), bei dem Bonamassa noch einmal sämtliche Tonlagen aus seiner fünften Gliedmaße quetscht und das Publikum zum kollektiven Jubel animiert. Der Tim-Curry-Song „Sloe Gin“ leitet die zwischen Begeisterung und Hypnose befindlichen Fans nach mehr als zwei Stunden in die kühle Nacht. Blues Rock lebt – er ist nur nicht mehr so allumfassend wie in den glorreichen Tagen.

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