Armut wächst:

Immer mehr Steirer stellen sich ums Essen an

Steiermark
20.02.2018 18:17

Seit vier Jahren gibt es auch in Mürzzuschlag die vom Roten Kreuz gemeinsam mit Radio Ö3 initiierte „Team-Österreich-Tafel“. Immer mehr Einheimische nehmen die Hilfe gerne an, weil ihnen das Geld für Nahrungsmittel fehlt. Ohne Ehrenamtliche wären sie verloren!

Jeden Samstag ab 18 Uhr werden in der Grazer Straße 34 – dort hat die Stadtgemeinde eine alte Polizei-Garage adaptiert – gratis jene Lebensmittel verteilt, die der Handel sonst übers Wochenende entsorgen müsste.

So gut wie jeder Supermarkt in der Gegend beteiligt sich und spendiert einige Kisten, dazu kommen auch kleinere regionale Händler. 20 Ehrenamtliche vom Roten Kreuz helfen mit, damit das Großprojekt Woche für Woche gelingt. Samstag ab 12 Uhr klappern die Herren der Runde mit dem Lieferwagen die Märkte ab; ab 14 Uhr sind auch die Damen vor Ort, um die Waren aufzulegen.

Warum sie sich in ihrer Freizeit engagieren? „Das Helfen gibt uns ein tolles Gefühl, und außerdem wird einem sonst leicht langweilig“, lacht Hermine Rath, eine der Längstdienenden der Runde. Kollegin Edith Gschiel nennt noch einen Grund: „Ich habe lange im Supermark gearbeitet und gesehen, wie viel Gutes weggeschmissen wird. Jetzt kommt es bei denen an, die es wirklich brauchen.“

Gegen 18 Uhr wird es dann ernst: Etwa 50 bis 60 Menschen stehen vor der Tür. Rechnet man ihre Familienmitglieder dazu, profitieren etwa 150 Personen von der „Tafel“. Anfangs seien fast nur Flüchtlinge gekommen, jetzt schon ein Drittel Einheimische, erklärt Helferin Renate Kandlbauer. „Der Warenkorb wird eben immer teurer. Und manche legen erst spät die Scheu ab.“

So wie die Mindestpensionistin Martha A., die nicht in der Zeitung stehen will, weil sie sich vor ihren Kindern geniert. Von ihren 880 Euro (inklusive der vom Land reduzierten Wohnbeihilfe, siehe Infos unten) braucht sie fast 500 fürs Wohnen. Brot, Milch, vier Eier und Erdäpfel hat sie sich einpacken lassen, die helfen über die Woche.

Ganz ähnlich schaut die Einkaufstasche von Anna Weinzettl aus. Von ihren 860 Euro monatlich gehen 446 fürs Wohnen drauf. Warum die Witwe im Alter so bitterarm ist? „Ich hab’ fünf Kinder großgezogen, da bleiben nicht genug Versicherungsjahre übrig“, erzählt sie. In ihrer Stimme ist kein Vorwurf, aber wer so etwas hört, der weiß genau: Es ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land.

Statistiken: Strittige Rolle der Wohnunterstützung neu

Seit Einführung der umstrittenen neuen Wohnunterstützung (ab dem Förderjahr 2016/17) hat die Zahl der Kunden im Vinzimarkt Graz-Eggenberg um 20 bis 30 Prozent zugenommen, schätzt Leiterin Sigrid Wimmer. Das passt mit den offiziellen Zahlen aus dem Sozialressort von Landesrätin Doris Kampus (auf Anfrage der Landes-KPÖ) nicht ganz zusammen: Demnach sank die Zahl der Wohnhilfe-Bezieher bei den Pensionisten von 10.354 auf 9.588, die durchschnittliche Beihilfe von 104,5 auf 101,3 Euro – keine allzu großen Veränderungen. (Schlimm hat es hingegen die Studenten erwischt: Vorher bekamen 5528 eine Wohnbeihilfe, jetzt nur noch 867!)

Jeder Achte ist arm

An insgesamt 29 steirischen Orten (21-mal „Tafel“, fünf Vinzimärkte, drei Sozialmärkte) können Bedürftige billig oder gratis einkaufen. Die Einkommensgrenze für eine Person liegt zwischen 950 und 1185 Euro. Letzteres ist derzeit die offizielle Armutsgrenze. Rund ein Achtel der Steirer (Frauen sind besonders betroffen) verdient weniger, das waren zuletzt 156.000.

Matthias Wagner
Matthias Wagner
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