UNO-Gipfel in N.Y.

Gaddafi und Ahmadinejad sorgen für Eklat

Ausland
24.09.2009 19:56
Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi und der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad sind bei ihren Reden vor der UNO-Vollversammlung am Mittwochabend in New York völlig ausgerastet. Gaddafi hielt bei seinem ersten UN-Auftritt ein Exemplar der UN-Charta hoch und zerriss es symbolträchtig, um danach von der Staatengemeinschaft ernsthaft 7,7 Billionen Dollar für Afrika als Entschädigung für die Kolonialzeit zu fordern. Ahmadinejad nutzte seinen Auftritt für eine Hasstirade gegen Israel und warf dem Erzfeind Völkermord an den Palästinensern vor. Ganz andere Töne hatte zuvor US-Präsident Barack Obama bei seiner UN-Premiere angeschlagen. Er reichte der UNO die Hand zur Versöhnung und rief zu weltweiter Kooperation auf.

Gaddafi warf den Vereinten Nationen vor, ihre eigene Charta (die "Bibel" der UNO) zu brechen. In der Präambel sei nämlich vorgeschrieben, dass alle Länder unabhängig von ihrer Größe gleichberechtigt seien. Dennoch seien die meisten Staaten nicht im fünfzehnköpfigen Sicherheitsrat vertreten, die fünf Vetomächte hätten das alleinige Sagen. "Er sollte nicht Sicherheitsrat heißen. Er sollte Terrorrat heißen", wetterte der selbsternannte Revolutionsführer und zerriss danach einige Seiten der UN-Charta.

Gaddafi will 7,7 Billionen Dollar für Afrika
"Das akzeptieren wir nicht, und das erkennen wir nicht an", sagte Gaddafi sichtlich erregt. Libyens Nachrichtenagentur JANA hatte bereits zuvor angekündigt, Gaddafi werde der Vollversammlung "radikale Lösungen vorschlagen, die die Organisation in ihren Grundfesten erschüttern werden". Das tat er dann auch mit der Forderung nach 7,77 Billionen Dollar (rund 5,26 Billionen Euro) für Afrika als Entschädigung für die Kolonialzeit. Wenn die westlichen Länder nicht zahlten, würden sich die Afrikaner das Geld zurückholen, sagte Gaddafi. Er spreche "im Namen von tausend afrikanischen Königreichen", erklärte der libysche Revolutionsführer. 

Gaddafi sagte ausdrücklich, dass sich seine Billionen-Forderung nicht an die frühere libysche Kolonialmacht Italien richte. Italien hatte 2008 ein Freundschaftsabkommen mit Libyen unterzeichnet und dem nordafrikanischen Land rund 3,4 Milliarden Euro in Form von Projektinvestitionen zugesagt.

Ahmadinejad: "Neue Form der Sklaverei"
Ahmadinejad griff in seiner von langen religiösen Ausführungen durchsetzten Rede auch die USA und die Vereinten Nationen scharf an. Ohne Israel ausdrücklich zu nennen, sagte er: "Es ist nicht länger akzeptabel, dass eine kleine Minderheit die Politik, Wirtschaft und Kultur großer Teile der Welt durch ihre komplizierten Netzwerke beherrscht und eine neue Form der Sklaverei betreibt." 

Das Vorgehen der Israelis gegenüber den Palästinensern nannte Ahmadinejad unmenschlich. Mit Blick auf die Lage im Gazastreifen fragte er: "Wie kann es sein, dass unterdrückte Männer und Frauen, die Opfer eines Völkermords und strikter wirtschaftlicher Blockade sind, Grundbedürfnisse wie Essen, Wasser und Medikamente verweigert bekommen?" 

Auf den Streit um das Atomprogramm seines Landes ging Ahmadinejad in seiner Rede mit keinem Wort ein. Er versicherte nur allgemein, Teheran wolle sich "konstruktiv" daran beteiligen, internationale Probleme und Herausforderungen anzugehen. Die umstrittenen iranischen Präsidentschaftswahlen nannte er "glorreich und voll demokratisch".

Delegationen verließen Saal - Österreicher blieben
Während Ahmadinejads Rede gingen zahlreiche Diplomaten aus dem Sitzungssaal. Neben den USA verließen von europäischer Seite Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark und Ungarn den Saal. Auch die Delegationen aus Argentinien, Costa Rica, Australien und Neuseeland zogen sich zurück. Die israelische Delegation hatte die Rede Ahmadinejads von vornherein boykottiert. Eine Sprecherin der deutschen UN-Botschaft sagte, die deutsche Delegation habe die Rede "inakzeptabel antisemitisch" empfunden.

"Es ist enttäuschend, dass Herr Ahmadinejad einmal mehr hasserfüllte, beleidigende und antisemitische Rhetorik gewählt hat", erklärte der Sprecher der US-Vertretung bei den Vereinten Nationen, Mark Kornblau. Die österreichische Delegation blieb übrigens sitzen.

Kritk an österreichischer "Zuhörerschaft" 
Für das Verhalten der Österreicher gab es am Donnerstag Schelte aus der Heimat: Der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, und der außenpolitische Sprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen kritisierten, dass die Österreicher nicht, wie viele anderen Teilnehmer, den Saal verlassen hatten. "Die österreichische Außenpolitik verzichtet offensichtlich selbst auf kleine symbolische Gesten des Protestes gegenüber dem iranischen Regime, um ja nicht die weiterhin hervorragenden Geschäftsbeziehungen österreichischer Firmen mit dem Iran zu gefährden. Es sind diese Geschäfte und es ist auch die österreichische Politik, die das antisemitische Regime in Teheran samt seinem Atomprogramm mit am Leben erhalten." 

Von "Provinzialität und Peinlichkeit" hatte zuvor der Wiener FPÖ-Landtagsabgeordnete David Lasar gesprochen und konstatiert, das Bundespräsident Heinz Fischer "seine Rolle als Staatsoberhaupt gestern Nacht in New York nicht optimal erfüllt und bei Teilen der jüdischen Gemeinde zumindest für Erstaunen gesorgt" habe.

Ferrero-Waldner: "Rote Linien wurden nicht überschritten"
EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner erklärte zur Causa: "Es gab eine EU-Kordination, nachdem die schwedische Präsidentschaft festgelegt hatte, dass die, die im Konferenzsaal sind, aufstehen würden, wenn bestimmte 'rote Linien' überschritten würden. Wir haben natürlich nicht eine Rede erwartet, die jetzt voll auf die Weltgemeinschaft zugeht, sondern ich habe eine Rede erwartet, leider, die in der Tradition Ahmedinejads bleibt."

Es sei während seiner Rede auch zu bewerten gewesen, wie weit Ahmadinejad solche "roten Linien" tatsächlich gerade überschreite bzw. bereits überschritten habe. "Es war so, dass es eben einen gewissen Interpretationsspielraum gab, denn manche 'rote Linien' wurden vielleicht angeschrammt, aber nicht wirklich überschritten. Daher sind einige Mitglieder hinausgegangen und andere eben nicht, das muss man so sehen. Es steht den Staaten frei, hier zu interpretieren, und die schwedische Präsidentschaft selbst ist ja geblieben."
 
Spindelegger: "Fehlende Reaktion der EU bedauerlich"
Außenminister Spindelegger kritisierte die EU hingegen: "Es ist bedauerlich, dass die Europäische Union insgesamt kein Signal gesendet hat und damit ist auch das ausgeblieben, was wir erwartet haben, nämlich ein klarer Protest, wenn gewisse Dinge, die nicht akzeptabel sind, vom iranischen Präsidenten angesprochen werden", so der Minister weiter.

Spindelegger wird am Freitag mit dem iranischen Außenminister Manouchehr Mottaki zusammentreffen. Er werde bei dieser Gelegenheit "klar zu verstehen geben", dass Österreich mit den Äußerungen Ahmadinejads nicht nur nicht einverstanden sei, sondern sie inakzeptabel finde, sagte Spindelegger.

Menschenrechtsgruppen protestierten vor UNO-Gebäude
An die Adresse des iranischen Präsidenten persönlich richtete Spindelegger klare Worte: "Hier kann und darf es - gerade auch aus österreichischer Sicht - keine Neutralität oder Nachgiebigkeit geben. Die untauglichen Versuche Ahmadinejads, durch antisemitische und hetzerische Äußerungen Hass und Extremismus zu schüren, müssen von der gesamten Staatengemeinschaft mit allem Nachdruck zurückgewiesen werden."

Ahmadinejad hatte schon im Vorfeld seines New-York-Besuchs für Protest gesorgt, als er bei einer Versammlung in Teheran erneut den Holocaust leugnete. Um das hermetisch abgesperrte UNO-Gebäude in Manhattan gab es den ganzen Tag über Protestdemonstrationen von Menschenrechtsgruppen.

Obama plant Aussöhnung mit der Welt 
Ganz im Gegensatz zu den harten Worten Gaddaffis und Ahmadinejads hatte sich US-Präsident Obama zuvor in seiner Rede um eine Aussöhnung der Welt mit den USA bemüht. Diese hätten in der Vergangenheit zuweilen unilateral gehandelt; zudem habe es manche Fehlinformationen über die USA gegeben. Das habe auch Antiamerikanismus ausgelöst. 

Obama betonte eindringlich, die Welt könne ihre großen Probleme nur gemeinsam lösen. Mit Blick auf seinen Amtsvorgänger George W. Bush lehnte er weitere Alleingänge der USA ab. Er betonte stattdessen die gemeinsame Verantwortung aller Länder und forderte eine "globale Verantwortung für globale Herausforderungen".

Langer weg zu Frieden und Wohlstand
Bisher sei die Weltgemeinschaft nicht in der Lage gewesen, ihrer Verantwortung voll gerecht zu werden.er US-Präsident betonte, dass es keinen Frieden und Wohlstand in der Welt geben könne, wenn ein Land ein anderes dominiere. Keine Weltordnung könne funktionieren, wenn ein Land die Macht über ein anderes anstrebe.

Als eine der wichtigsten Aufgaben bezeichnete es Obama, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Falls dies nicht gelingen sollte, werde es in verschiedenen Regionen der Welt einen weiteren Rüstungswettlauf geben. Außerdem könnten Atomwaffen in die Hände von Terroristen fallen. Iran und Nordkorea sollten sich den Forderungen der internationalen Gemeinschaft anschließen.

Medewedew und Hu bei Abrüstung einig
Wie Obama und der britische Premier Gordon Brown rief auch Chinas Staatspräsident Hu Jintao zu einer atomaren Abrüstung auf. Er verlangte die Zerstörung aller Nuklearwaffen und ein striktes Verbot für künftige Produktionen. Brown sagte: "Globale Probleme müssen global gelöst werden."

Der russische Staatspräsident Dmitri Medwedew forderte, vor allem den Mittleren Osten zu einer atomwaffenfreien Zone zu machen. Den angekündigten Verzicht der USA auf das umstrittene Raketenabwehrprojekt in Europa nannte er "einen konstruktiven Schritt in die richtige Richtung".

Obama leitet als erster US-Präsident Sicherheitsrat
Am Donnerstag soll bei den Vereinten Nationen das Thema atomare Abrüstung im Mittelpunkt stehen. Obama wolle dazu als erster US-Präsident eine Sitzung des Sicherheitsrats leiten, dem derzeit auch Österreich angehört. Zudem ist eine zweitägige Konferenz von rund hundert Außenministern aus aller Welt geplant. In der Vollversammlung stehden unter anderem Reden von Vertretern Israels, Afghanistans und des Irak auf dem Programm.

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