Brisante E-Mails

SPÖ und ÖVP im Clinch wegen EU-Intervention

Österreich
08.09.2008 10:35
Die Frage, ob Beamte des ÖVP-geführten Finanzministeriums bei der EU interveniert haben, um die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu verhindern, hat zu empörten Reaktionen auf Seiten von SPÖ und ÖVP geführt. Während SPÖ-Klubchef Josef Cap von einem "skandalösen Interventionsversuch der ÖVP" spricht, ortet die ÖVP eine "Vernaderung" Österreichs und behauptet ihrerseits, die SPÖ habe versucht, Einfluss auf die Entscheidung der EU-Beamten zu nehmen.

Die Telefone zwischen Wien und Brüssel liefen heiß. Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter (SPÖ) kontaktierte EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs. Er versuchte laut Matznetter, die Widersprüche durch eine Schilderung des krimiartigen Ablaufs zu klären: In einer Erstauskunft versicherte Brüssel, dass mehrere Mehrwersteuersätze kein Problem darstellen würden. Aber nach weiteren Telefonaten mit dem Finanzministerium hätten die EU-Beamten ihre Position geändert.

"Ein skandalöser Interventionsversuch der ÖVP", empört sich SPÖ-Klubchef Josef Cap. "Sie wollte die Halbierung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel torpedieren." Die ÖVP blieb die geharnischte Antwort darauf nicht schuldig. "Matznetter hat in Brüssel zugunsten des Faymann-Planes interveniert", stellte EU-Abgeordneter Othmar Karas (ÖVP) fest. "Die SPÖ betreibt eine Vernaderung Österreichs, seiner Finanzbehörden", erklärten der Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger und der ÖVP-Finanssprecher Günther Stummvoll.

Dubiose E-Mails zwischen Finanzministeriums und der EU
"Sehr geehrte Herren..." beginnt ein vertrauliches E-Mail an Spitzenbeamte des Finanzministeriums, das Dr. Rolf Diemer von Brüssel am 29. August um 3.56 Uhr nach Wien geschickt hat. Dieser Dr. Diemer ist Referatsleiter der einflussreichen Generaldirektion für Steuern und Zollunion in der Rue de la Loi - dem Sitz der Europäischen Kommission. In diesem Mail schreibt Diemer an österreichische Beamte des Finanzministeriums unter Bezugnahme auf mehrere in den Tagen zuvor geführte Telefonate, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer auf 5 Prozent ("bei Beibehaltung des 12-Prozent-Satzes") nicht möglich sei.

Und der Brüsseler Beamte sagt in seinem Mail unverblümt auch mediale Unterstützung zu: "Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass eine diesbezügliche Anfrage aus Österreich bei unserem Pressedienst bald in diesem Sinne beantwortet werden wird." Und tatsächlich vermelden Nachrichtenagenturen unter Berufung auf "Angaben der EU-Kommission" vier Tage nach diesen Kontakten zwischen der EU-Generaldirektion und dem Finanzministerium, dass "Österreich nur zwei reduzierte Mehrwertsteuer-Sätze haben" dürfe.

Diese heimliche Betriebsamkeit auf europäischer Ebene setzte ein, bald nachdem der Leiter des Instituts für Höhere Studien, Bernhard Felderer, von der Möglichkeit einer Mehrwertsteuersenkung gesprochen hatte. Und unmittelbar danach auch der SPÖ-Vorsitzende Faymann diese Maßnahme als Mittel gegen die Teuerung forciert hatte.

EU-Kommission: "Kein Kommentar"
Bemerkenswerterweise erklärt nunmehr EU-Finanzbürokrat Dr. Rolf Diemer zu seinen Telefonaten und Mails mit dem Finanzministerium in Wien gegenüber der "Krone", dass es sich "dabei um ein Wahlkampfthema in Österreich handelt" und er daher dazu "leider keinen Kommentar abgeben" dürfe. Wortident auch die zeitgleich in der Redaktion einlangende Antwort einer Sprecherin der Europäischen Kommission, Maria Assimakopoulou, die bedauert, mitteilen zu müssen, dass "die Kommission zu Wahlkampfthemen niemals Stellung nimmt".

Kehrtwende in Brüssel
Wie es allerdings keine 48 Stunden später zu einer totalen Kehrtwendung der Kommission in dieser brisanten Steuerfrage gekommen ist, könnte rätselhaft sein. Ist es aber nicht. Matznetter: "Offenbar gab es aber aufgrund weiterer Kontakte des Bundesministeriums für Finanzen mit der EU-Kommission eine Änderung der Position."

Man mag über die Halbierung der Mehrwertsteuer denken, wie man will. Es wird schon seine Gründe haben, dass diese Steuersenkung von mehreren Wirtschaftsforschern und Politikern als vernünftige Maßnahme bewertet wird. Aber genauso werden die Kritiker dieses Entlastungsschrittes ihre starken Argumente haben. Überhaupt ist eine gründliche Debatte zu solchen Themen wichtig und richtig.

Gar nicht in Ordnung ist es allerdings, wenn solche Weichenstellungen über Brüsseler Umwege verhindert werden sollen, wenn die EU von Wiener Hintermännern für brandgefährliche Aktionen instrumentalisiert wird. Das verstärkt die ohnehin massive Skepsis gegenüber der Europäischen Union, aber auch das Misstrauen gegen Politiker, würden sie so agieren bzw. agieren lassen.

Von Claus Pándi und Dieter Kindermann, Kronen Zeitung, und krone.at

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