Schlepperprozess

Lkw-Lenker: "Ich hatte Angst vor meinen Komplizen"

Österreich
29.06.2017 16:50

Jede Verantwortung abwiegeln - bei dieser Taktik blieb im Prozess in Ungarn auch der Fahrer jenes Kühlwagens, in dem 71 Flüchtlinge qualvoll erstickten. Obwohl er die Schreie der Sterbenden hörte, fuhr er damals unbeirrt weiter. Weil er sich vor den Komplizen fürchtete, sagt er. Was ihm eine Drohung des Bandenchefs im Gericht einbrachte.

"Überleg dir, was du hier sagst", zischelte der Chef der Schlepperbande, Samsooryamal Lahoo (30), in Richtung des Mitangeklagten, Stoyanov Ivaylo (26). Doch der Bulgare ließ sich durch die Drohungen nicht beeindrucken. Er war es, der an jenem 26. August 2015 die 71 Flüchtlinge in einem Wald nahe der serbischen Grenze abgeholt hat.

"Fahr weiter. Bleib nicht stehen"
Schon nach 40 Minuten hörte er die Klopfzeichen aus dem Frachtraum. Ivaylo meldete dies den Fahrern der Begleitautos. Die klare Weisung lautete: "Fahr weiter. Bleib nicht stehen." Ivaylo gehorchte, doch das Klopfen und die Schreie wurden immer lauter. Worauf Schlepperchef Lahoo und dessen Vertreter ihn beruhigt hätten: "Wir haben uns die Sache während der Fahrt angesehen, die Migranten haben ein Loch in den Frachtraum gebohrt und die Türdichtung aufgerissen, sie haben also genug Luft."

Und angeblich sei ihm damals sogar versichert worden: "Wir haben Kontakt zu einem Flüchtling im Frachtraum. Es ist alles in Ordnung." Worauf Ivaylo, wie er jetzt betont, gebeten haben soll: "Dann sagt den Leuten doch, dass sie ruhig sind." Bald danach wurde es tatsächlich immer stiller und stiller. Ivaylo glaubte angeblich, dass dies auf die Telefonate mit einem Kontaktmann im Kühl-Lkw zurückzuführen sei.

Ihm selbst, so erklärt er immer wieder, sei streng verboten worden, aus dem Kühl-Lkw auszusteigen und nachzusehen. Und daran habe er sich gehalten: "Ich hatte Angst vor meinen Komplizen."

Peter Grotter, Kronen Zeitung, und Gabor Agardi, krone.at

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