Luca-Prozess

Lebenslange Haft und Einweisung für 24-Jährigen

Österreich
27.09.2008 11:26
Am Landesgericht Korneuburg ist im "Fall Luca" der ehemalige Lebensgefährte der Kindsmutter des schweren sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft plus Einweisung in eine Anstalt für geistesabnorme Rechtsbrecher verurteilt worden. Der 24-Jährige hatte auf "nicht schuldig" plädiert und am Freitag noch gemeint, er wäre zu so einer Tat nicht fähig. Die von der Staatsanwältin vorgelegten Beweise (u.a. DNA-Spuren) konnten die Geschworenen aber offenbar vom Gegenteil überzeugen. Nach knapp anderthalb Stunden Beratung verkündete Richter Braitenberg den einstimmig gefällten Schuldspruch. Das Urteil ist aber nicht rechtskräftig. Die Verteidigerin legte Nichtigkeit und Berufung ein.

In seiner Urteilsbegründung zum Strafausmaß sprach Richter Gernot Braitenberg von "einem der entsetzlichsten Verbrechen, die je an einem kleinen Kind im Sprengels des Landesgerichtes Korneuburg begangen wurden". Die Qualen des kleinen Luca seien "durch keine Strafe büßbar". Strafe und Einweisung würden auch nicht der Buße dienen, sondern der Sicherung des geistig abnormen Angeklagten.

"Luca starb in Armen des Täters"
Der 24-Jährige habe im Wissen, dass bereits Jugendämter aufmerksam geworden waren und ihn - wegen der zuvor erlittenen Verletzungen des Buben - im Verdacht hatten und ein Besuchsverbot aussprachen, trotzdem eine derartige sexuelle Intensität aufgebracht, um die Gelegenheit zu nützen und Luca an jenem 1. November 2007 "auf diese furchtbare Weise zu penetrieren und durch diese brutale Vorgangsweise zu töten", sagte der Richter.

Die Traumatisierung des Opfers war so stark, dass es kein Erwachen mehr gab. "Luca starb eigentlich in den Armen des Täters, auch wenn der Hirntod erst zwei Tage später eintrat", so Braitenberg. Der Angeklagte hörte mit starrem Blick zu. Erschwerend sei die Tatbegehung an einem 17 Monate alten Kind - "durch Analverkehr, begangen an einem Buben, den der Täter behauptete zu lieben".

Vater: "Urteil ändert nichts"
Der Vater des 17 Monate alten Luca hat die Urteilsverkündung - lebenslang für den Angeklagten plus Einweisung - im Gerichtssaal verfolgt. "Es ändert nichts daran, dass Luca nicht mehr am Leben ist", sagte der Tiroler nach der Urteilsverkündung. Bernhard Haaser hatte im Gedenken an seinen Sohn noch am Donnerstag zu einer Mahnwache in Korneuburg aufgerufen (siehe Infobox). Er gründete auch der Kinderschutzverein "L.U.C.A.".

Prozess behandelte ausschließlich Missbrauchsfall
Weil nach dem ersten Verhandlungstag am Donnerstag (ausführlicher Bericht in der Infobox) keine weiteren Beweisanträge gestellt worden waren, standen am Freitag lediglich die Schlussplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung an. Anschließend wurden den Geschworenen die Fragen zur Beratung vorgelegt. In dem Prozess ging es, wie die Staatsanwältin zu Beginn betonte, einzig um den 1. November 2007 und damit um die Umstände, die zum Tod des aus Tirol stammenden Buben geführt haben. Ausgeklammert wurde in dem Verfahren die tragische Vorgeschichte. Luca war mehrere Male misshandelt worden, hierbei lenkt sich der Verdacht auch gegen die Mutter. Auch gegen die Jugendämter steht ein Prozess im Raum. 

Richter Braitenberg: "Großer Verdachtskomplex"
Begonnen wurde mit der Verlesung der Akten: Richter Gernot Braitenberg verwies auf den großen Inhalt und die Gliederung des Falles: In diesem Prozess gehe es um den schrecklichen Tod des Buben. Der "große Verdachtskomplex" gegen Ärzte, Jugendämter und Jugendwohlfahrten sei nach wie vor im Vorverfahren bei der Staatsanwaltschaft und teilweise in Innsbruck anhängig.

Ein weiterer Bereich, in dem die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines eigenen Vorverfahrens Verdachtsmomente gegen das Paar prüft, betrifft die zahlreichen Verletzungen, die Luca im Zeitraum der - Ende März 2007 begonnenen - Beziehung seiner Mutter mit dem Niederösterreicher erlitten hat. Braitenberg führte Brüche von Rippen und Arm sowie Hämatome unbekannter bzw. verdächtiger Herkunft insbesondere am Popo des Kleinkindes an, die auftraten, wenn die Tirolerin und ihr Freund - abwechselnd an beiden Wohnorten - Kontakt hatten. Was den beiden zum Vorwurf zu machen ist, sei - derzeit - spekulativ, sagte der Richter.

Aussagen des 24-Jährigen verlesen
Die Untersuchung im Zusammenhang mit dem Tod von Luca begann, so Braitenberg weiter, mit der polizeilichen Anzeige, in der Fremdverschulden festgestellt wurde. Journaldienst hatte damals der im Bereich Sexualstraftaten sehr erfahrene Richter Helmut Neumar, der nach Ansicht der Lichtbilder insbesondere der Verletzungen am After sofort U-Haft über den Verdächtigen verhängte.

Anschließend verlas der Richter Auszüge aus den verschiedenen Versionen, die der 24-Jährige aus dem Bezirk Wien-Umgebung im Lauf der Ermittlungen Kriminalisten und Untersuchungs-Richter erzählt hatte. Die Verantwortung des Angeklagten im Prozess, Luca hätte im Gitterbett "plötzlich die Augen verdreht", wobei ihm Blut aus dem Mundwinkel rann, entspreche ungefähr seiner ersten Aussage. Bei den anderen Varianten - etwa, dass ihm das Kleinkind heruntergefallen, dass Luca über die Treppe gestürzt sei - habe er eigenen Angaben zufolge gelogen, um seine Partnerin zu entlasten bzw. um Strafmilderung zu bekommen, wie er u.a. in einem Brief an seine Großmutter schrieb. Die Kindesmutter betonte, unschuldig zu sein und niemals handgreiflich gegen Luca geworden zu sein.

Staatsanwältin: "Wir wissen, dass er Luca missbraucht hat"
Als Hauptfrage wurde den Geschworenen vor den Schlussplädoyers jene nach schwerem sexuellen Missbrauch von Unmündigen mit Todesfolge gestellt. Die Eventualfrage wurde auf schwere Körperverletzung formuliert - bei Verneinung war zu überlegen, ob Luca dadurch zu Tode kam, dass der Angeklagte mit ihm am Arm auf der Treppe ausrutschte und ihn fallen ließ (das war einer der Versionen im Ermittlungsverfahren, Anm.).

"Wir wissen aufgrund des Beweisverfahrens, dass der Angeklagte den kleinen Luca missbraucht hat", sagte Staatsanwältin Martina Weiser dann in ihrem Schlussvortrag u.a. unter Hinweis auf die beim Analabstrich gefundene Ejakulationsflüssigkeit, die nur vom Beschuldigten stammen könne, da er zum Tatzeitpunkt der einzige männliche Anwesende im Haus war.

Er habe den Buben auf eine harte Unterlage gelegt, ausgezogen und ihn beim Analverkehr enormen Stößen ausgesetzt, wodurch Luca hin und her pendelte, verwies Weiser auf das Entstehen der massiven Hirnschäden. Um die Schreie des gequälten Kindes zu dämpfen, habe er ihm die Hand übers Gesicht gelegt. Beim Anziehen des bereits bewusstlosen Kindes konnte der Mann nicht verhindern, dass eine DNA-Spur auf den Strampelanzug geriet. Der Angeklagte sei geistig abnorm und hochgradig abartig - ein gefährlicher Triebtäter. Er sei daher schuldig zu sprechen und in eine Anstalt einzuweisen.

Anwalt: "Er ist eine tickende Zeitbombe"
Christian Fischer, Anwalt des privatbeteiligten Kindesvaters, betonte, dass alle Verletzungen Lucas laut Gutachten nicht zufällig, sondern durch Gewalteinwirkung entstanden seien. Der Angeklagte, der einen "zu braven Eindruck" mache, sei für ihn ein "extrem verschlagener Typ", undurchsichtig - und eine "tickende Zeitbombe".

Für Albert Heiss (Innsbruck), Privatbeteiligtenvertreter der aus Tirol stammenden Kindesmutter, ist die Tragik dieses Falles, dass die Tiroler Behörden dem Angeklagten aufgrund der zuvor bei Luca dokumentierten Verletzungen bereits "auf der Spur" waren. Noch nie habe er erlebt, dass - seitens der Familie des Beschuldigten - derart versucht werde, die Schuld auf andere abzuwälzen, kritisierte er u.a. die Unterstellungen, seine Mandantin wäre ihrem Kind gegenüber gewalttätig gewesen. Die Geschworenen hätten die Verantwortung dafür, dass so etwas nie mehr passiert.

Verteidigerin: "Im Zweifel für den Angeklagten"
Verteidigerin Ingrid Weber zufolge hätten ihre Vorredner den Charakter ihres Mandanten deshalb so eingehend beleuchtet, "weil es sonst keine Beweise gibt." Sie verwies darauf, dass der 24-Jährige zum Zeitpunkt - der von der im Spital durchgeführten Computertomographie rückgerechnet - der entstandenen Hirnverletzungen noch nicht zu Haus bzw. dann geschlafen habe. Die Flüssigkeitsspuren könnten auch durch das Einschmieren des Popos beim Wickeln in den After gekommen sein. Die Tat stehe diametral zum Leben ihres Mandanten. Er habe ursprünglich die Wahrheit erzählt, die ihm keiner geglaubt habe, weshalb es dann zu diversen Versionen kam. "In dubio pro reo": Im Gesetz stehe "im Zweifel für den Angeklagten": Ein einziges Indiz reiche für eine Verurteilung nicht, es müsse eine schlüssige Kette sein.

Angeklagter beteuerte Unschuld
Nach den Schlussplädoyers hatzu verurteilen. Er habe den Missbrauch nicht begangen und würde eine solche Tat nie begehen. Auch sei er ein gläubiger Mensch, er würde so etwas nie tun.

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