"Destiny"

Die No Angels trällern wieder

Musik
21.04.2007 15:43
Als „erfolgreichste Girl-Band Kontinentaleuropas“ haben Nadja Benaissa, Lucy Diakovska, Sandy Mölling und Jessica Wahls nicht nur Verkaufs-Rekorde aufgestellt, die geografischen Hinweisen bedürfen, sondern im Jahr 2000 auch den Grundstein für den Castingshow-Boom gelegt. Drei Jahre hielt der Höhenflug, bevor sich die Band in ihre Einzelteile auflöste. Nach unzähligen Fotoshootings in Hochglanzmagazinen und einsamen Jahren ohne Charterfolg haben sich vier der ehemals fünf No-Angels-Mädels wieder zusammengerottet, um wieder das zu machen, was sie am besten können: aus nichts etwas.
(Bild: kmm)

Ihr erstes Album, bei dem sich Neo-Fans der Band per ertragreichem SMS-Voting den Titel aussuchen konnten, landete sowohl in Österreich als auch in Deutschland auf Platz eins und verkaufte sich über zwei Millionen Male. Dabei waren sie schon „Popstars“ – damals noch auf RTL2 - bevor sie noch eine einzige Platte verkauft hatten. Gleich danach kam das erste „sexy Shooting“ der Mädels in einem deutschen Männermagazin. Vom zweitem Album verkauften sie knapp 1,5 Millionen Exemplare.

2002 sprangen sie mit „When The Angels Swing“ auf den Sinatra-Zug auf, den Robbie Williams ein Jahr zuvor mit Volldampf gestartet hatte. 2003 gings bergab: Das dritte Album erzielte 20% der Verkäufe des Debüts. Mit dem einzigen ambitionierten Projekt der Band, einem Unplugged-Konzert, das als „Acoustic Angels“ in die CD-Regale wanderte und in den deutschen Charts einen mageren achtzigsten Platz erklomm, ging die Ära dann im Dezember 2003 zu Ende.

Seither hatten sich die Bandmitglieder neben relativ erfolglosen Solo-Karrieren in verschiedenen Disziplinen versucht: Nadja Benaissa machte Werbung für Nike, Lucy Diakovska moderierte für Stefan Raab und VIVA, Sandy Mölling moderierte mehrere Musik-Shows und wurde „Woman Of The Year 2004“ bei Maxim, Jessica Wahls sang eine Titelmelodie für den Kinderkanal und zog sich für den Playboy aus.

„Destiny“, Schicksal, heißt jetzt die Comeback-Platte. Produziert wurde das dreizehn Tracks starke Album von einem Konsortium schwedischer Pop-Fachleute. Natürlich stammt kein einziger Song von den vier Sängerinnen, die man kurioserweise immer „Engel“ nannte, obwohl der Bandname gerade das Gegenteil suggerieren soll. Die Singleauskoppelung „Goodbye To Yesterday“ steht demonstrativ für das, was das Quartett mit dem Comeback ausdrücken will: Seht her, wir sind wieder da, alle Vier ein Herz und eine Seele – und wir wollen sicher nicht bloß unser Taschengeld aufbessern...

Mit den übrigen zwölf Tracks bekommt man einen Querschnitt, besser gesagt einen lauen Aufguss derzeit populärer Pop-Stilistiken serviert: „Been Here Before“ stürzt sich auf Justin Timberlakes „Sexy Back“, „I Had A Feeling“ geht auf peinlich unkantige Weise auf die von Timbaland produzierten Beats des aktuellen Nelly-Furtado-Albums los, „Back Off“ macht mit E-Gitarren und einem etwas rockiger programmierten Konserven-Schlagzeug auf etwas, das entfernt an Pink erinnert.

Was am meisten überrascht: Die durch die Bank stinklangweiligen Songs sind nicht einmal sonderlich gut produziert, wie man das anhand früherer Platten – hier waren unter anderem Mousse T. oder im Fall des Swing-Albums, Jazz-Trompeter Till Brönner am Werk – erwartet hätte. Die Stimmen der vier Mädels kleben hoffnungslos im Hintergrund, sie singen permanent unisono, die selten eingestreuten Harmonien wickeln sich wie ein dünner Spinnfaden um die vor Dramatik und überproduziertem Klavierdonnern strotzenden Arrangements; „Destiny“ fühlt sich an, als hätte man Background-Sängerinnen trällern lassen und den Star der Platte vergessen. Nur eines demonstriert das Album: Wie man mit nichts in der Hand, mit viel Tam-tam und fast schon heuchlerisch anmutender Dramatik, eine Karriere wiederbeleben kann.

1 outta 10 desperate measures


Christoph Andert

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